Raps – das Sorgenkind der Saison 2016

Wachstumsregler beziehungsweise den Fungizideinsatz planen

Eine sonnige Großwetterlage, wie sie die Landwirtschaft aktuell seit Beginn der diesjährigen Rapsaussaat erlebt, hätte man sich während der teilweise verregneten Ernte gewünscht. Die Aussaat 2016 erfolgte vielerorts in ein vollständig ausgetrocknetes Saatbett und abhängig von den homöopathischen Mengen an Niederschlägen reichte die Feuchtigkeit vielerorts nicht aus, damit der Winterraps gleichmäßig auflaufen und wachsen konnte.

Bild 1: Gleichmäßig aufgelaufener Winterraps, der bereits das 4-Blatt-Stadium erreicht hat.

Foto: Gödecke

Dies hat Konsequenzen für den Wachstumsregler- beziehungsweise Fungizideinsatz in den nächsten Wochen. Wünschenswert wären Bestände wie sie in Bild 1 zu sehen sind; gleichmäßig entwickelte Pflanzen, die in der kommenden Woche bei weiterhin warmen Bedingungen vollständig das 3- bis 4-Blattstadium erreichen.

Trockenheit macht Terminierung schwierig

Die hessischen Rapsbestände sehen größtenteils jedoch aus wie in Bild 2; auf kleinsten Flächen stehen Pflanzen vom Keimblattstadium bis zum 3- bis 4 Blattstadium, was unter normalen Bedingungen bereits ein günstiger Termin für eine Wachstumsreglermaßnahme wäre. Auf vielen Äckern liegt ein Großteil des Rapssaatgutes sogar noch vollständig im trockenen und ist immer noch nicht aufgelaufen, was eine Terminierung des optimalen Termins für Wachstumsregler nahezu unmöglich macht. Mittlerweile ist der Fungizideinsatz im Herbst mit dem Ziel des Schutzes vor Auswinterung eine übliche Maßnahme. Einerseits wird durch die Anwendung ein Überwachsen des Rapsbestandes vermieden und damit die Winterfestigkeit erhöht, andererseits wird ein fungizider Schutz beispielsweise gegen Phoma lingam erreicht. Jedoch muss man sich auf einigen noch trocken liegenden Schlägen sicher in den nächsten Wochen die Frage stellen, ob eine Fungizidmaßnahme bei schwach entwickelten Beständen überhaupt notwendig ist oder ob sie sogar eher kontraproduktiv für die Pflanzen-Entwicklung ist. Vielfach wird der spät auflaufende Raps Ende September erst das zweite oder maximal das vierte Laubblattstadium erreicht haben.

Behandlungstermine erst im Oktober?

Durch eine Azolbehandlung soll, der Literatur entsprechend, das Wurzelwachstum der jungen Pflanzen optimiert werden. Fundierte Versuchsergebnisse dazu sind jedoch Mangelware. Vielmehr ist zu überlegen, ob der Eingriff dieser Wirkstoffe in den pflanzlichen Hormonhaushalt gerade bei schwach entwickelten Pflanzen eine unnötige Mehrbelastung darstellt. Verzögerte Behandlungstermine erst im Oktober bei weiterentwickelten Pflanzen sind unter diesen Bedingungen anzustreben, da dann auch mehr Blattmasse für eine Wirkstoffaufnahme zur Verfügung steht. Zusätzlich ist der wuchshemmende Effekt zu diesem Zeitpunkt geringer, da die Tage bereits kürzer und die Durchschnittstemperaturen niedriger sind. Im Gegensatz dazu benötigen gut entwickelte Bestände wie in Bild 1 bereits in den kommenden Tagen eine Fungizidmaßnahme. Optimaler Termin für die Sprossverkürzung ist das 3- bis 4-Blattstadium, spätestens aber bei Bestandesschluss. Wüchsige Hybriden können dieses Stadium bereits 20 Tage nach der Saat erreichen. Sollte ein Winterrapsbestand dieses Stadium bis Mitte September bereits erreichen, ist die Gefahr des Überwachsens im weiteren Verlauf des Herbstes sehr hoch, und es sollte eine Behandlung mit Carax 0,5 l/ha durchgeführt werden. Sind die Bestände bereits kurz vorm Schließen, müssen die Aufwandmengen angepasst und erhöht werden. In dieser Situation bewirkt Carax mit 0,7 bis 1 l/ha eine deutlich stärkere Stauchung als andere Präparate und sollte bevorzugt eingesetzt werden.

Moderate Einkürzung vornehmen

Da Carax die stärkste wachstumsregulatorische Wirkung besitzt (Tabelle 1), stellen solche Applikationen bei den diesjährigen schwierigen Auflaufbedingungen aber die absolute Ausnahme dar. Bei Wachstumsreglerversuchen der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft (TLL) im letzten Jahr zeigte sich eine Einkürzung durch Carax von fast 14 cm (Tabelle). In den derzeitig unregelmäßig entwickelten Beständen sollten daher die etwas schwächeren Produkte wie Tilmor oder Toprex beziehungsweise einfache Azolpräparate mit maxmal 0,7 l/ha bevorzugt werden. Das Hauptziel dieser Fungizidmaßnahme muss eine vernünftige Einkürzung der Rapspflanzen sein, bei denen zum Zeitpunkt des beginnenden Winters der Vegetationskegel mit den Blattanlagen knapp über dem Boden liegt. Je stärker sich der Vegetationskegel vom Boden abhebt, desto höher ist die Gefahr bei entsprechenden Frostereignissen, dass dieser geschädigt wird und die Rapspflanze abstirbt. Ob eine Fungizidbehandlung richtig war und sich für den Anwender rechnet, kann erst im kommenden Frühjahr entschieden werden. All dies ist abhängig von der kommenden Winterwitterung. Folglich muss eine Herbstspritzung zum jetzigen Zeitpunkt als Versicherungsmaßnahme angesehen werden. Bei einem „englischen Winter“ wie 2015/2016 war diese Maßnahme sicher nicht wirtschaftlich, aber im Jahr 2012 mit Kahlfrösten im Februar absolut notwendig!

Blattbefall mit Phoma im Raps

Die Phomabekämpfung ist in der Mehrzahl der Jahre von untergeordneter Bedeutung. Eine Sortenwahl nur vor dem Hintergrund der Phomatoleranz ist derzeit nicht notwendig. Zudem sind neuere Sorten weniger anfällig gegen Phoma als schon länger im Markt vorhandene. Infektionsherde für die Wurzelhals- und Stängelfäule (Phoma lingam) sind alte Rapsstoppeln und befallener Ausfallraps. Ein erhöhtes Risiko besteht, wenn September und Oktober feucht-warm sind und die Nachttemperaturen über 10 °C liegen. Daher sollten alte Rapsstoppeln eingearbeitet sein, wenn neuer Raps aufläuft. Früher Herbstbefall ist nur ertragsbegrenzend, wenn ein feucht-warmer Winter folgt, der ein Überdauern des Pilzes in der Pflanze ermöglicht. Nur dann kann es zu einem Vermorschen des Wurzelhalses und zum Umfallen der befallenen Pflanzen kommen, was nur in Ausnahmejahren wie beispielsweise 2011 zu beobachten war. Die Witterung nach der Infektion ist damit entscheidend für die Schadwirkung. Auch hier gilt: Ob eine Bekämpfung von Phoma rentabel sein wird, lässt sich zum Behandlungstermin nicht erkennen auch hierbei handelt es sich daher um eine Versicherungsmaßnahme. Selbst in einem Starkbefallsjahr wie 2011 konnte in entsprechenden Versuchen mit verschiedenen fungiziden Wirkstoffen kein signifikanter Unterschied zur unbehandelten Kontrolle festgestellt werden. Ein späterer Erstbefall im Frühjahr kann bis zur Ernte nicht mehr zur gefürchteten Wurzelhalsfäule führen.

Augen auf und Gelbschalen kontrollieren

Wer seine Bestände kontrolliert, um die Terminierung der Wachstumsregler festzulegen, sollte zuerst einen Blick in die Gelbschalen (Bild 6) werfen, die in den letzten Wochen auf den Flächen aufgestellt wurden. In einzelnen Regionen, die sehr früh mit der Rapsaussaat begonnen haben, ist bereits ein erster stärkerer Zuflug von Rapserdflöhen festzustellen (Bild 4 und 5, Seite 29). Typische Rapserdfloh-Schäden zeichnen sich durch stecknadelgroße Loch- und Fensterfraßstellen in den Blättern aus. Der Bekämpfungsrichtwert hierbei liegt im 2- bis 3 Blattstadium bei 10 Prozent zerstörter Blattfläche, später bei 50 Käfern in der Gelbschale innerhalb von drei Wochen. Durch den Wegfall der insektiziden Beizen im Raps kam es in den vergangenen Jahren darüber hinaus örtlich auch zu einem verstärkten Auftreten der Rübsenblattwespe. Die schwarzen Raupen (Bild 5) dieser Blattwespenart können bei Auftreten in entsprechenden Dichten den Blattapparat des Rapses ähnlich wie Schnecken komplett kahl fressen, so dass nur noch die skelettierten Stängel übrig bleiben (Bild 5).

Rübsenblattwespe und Rapserdfloh bekämpfen

Beide Schädlinge sind mit entsprechenden Pyrethroiden derzeit bei uns noch gut bekämpfbar. Da jedoch nur eine einzige Wirkstoffklasse zur Verfügung steht, ist ein Wirkstoffwechsel im Zuge des Resistenzmanagements nicht möglich. Um eine Ausbreitung von Resistenzen zu vermeiden, sollten vor allem keine prophylaktischen Maßnahmen durchgeführt und stets die volle Aufwandmenge ausgebracht werden. Die einzige Möglichkeit den genauen Zeitpunkt des Zuflugs der Schadlinge im Raps zu überwachen, bleibt die Kontrolle der Flächen sowie das Aufstellen der Gelbschalen.

Esther Grüner, Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH), Dr. Ruben Gödecke, Pflanzenschutzdienst Hessen – LW 37/2016