Schlechte Preise drücken die Stimmung
HBV-Präsident Schneider sprach in Ravensburg
Die Bauern in Deutschland müssen sich mit Bürokratie, Flächenverlusten, Greening und dem Mindestlohn herumschlagen. Ihre größte Sorge ist derzeit der Preisverfall ihrer Produkte. Das erklärte der Präsident des Hessischen Bauernverbandes, Friedhelm Schneider, in seiner mit viel Zustimmung begleiteten Rede bei der Bauernkundgebung der Oberschwabenschau vorigen Sonntag in Ravensburg,

Foto: Michael Neub, BWagrar
Wertschöpfung stürzt ab, der Handel sägt am eigenen Ast
Die Landwirtschaft erlebe derzeit einen massiven Preisverfall bei allen Produkten, machte der hessische Bauernpräsident deutlich. Als Ursachen nannte er die Negativtendenzen auf den internationalen Märkten, das Russlandembargo, regionale Dürren und ungleiche KräfÂteverhältnisse zwischen Landwirtschaft und Handel in der Wertschöpfungskette. Ein Drittel der Nettowertschöpfung der deutschen Landwirtschaft, zwischen zwei und fünf Mrd. Euro, drohten verloren zu gehen, warnte Schneider. Er forderte schnelle Hilfen für die Betriebe zur Bewältigung der untragbaren Situation. Er nannte eine rasche, unbürokratische Umsetzung des EU-Hilfspakets, eine vollständige Auszahlung der diesjährigen Betriebsprämie spätestens im Dezember, eine Aufstockung des Bundeszuschusses zur Unfallversicherung, steuerliche Entlastungen, den Einsatz aller verfügbaren EU-Kriseninstrumente, eine Exportoffensive sowie eine wirksame Stärkung der Position der Erzeuger in der Lebensmittelkette.
„Es ist eine Schande, wie derzeit mit uns umgegangen wird“, rief Schneider aus. „Wir benötigen nachhaltig mehr Einkommen und höhere Preise, damit wir unseren Lebensstandard an den Nachbarn orientieren können, um unsere Kinder zu motivieren, die Betriebe zu übernehmen, um Arbeitsplätze zu sichern und um die Betriebe weiterentwickeln zu können“.
Es müsse gelingen, den Partnern in Handel, Discountern und Genossenschaften stärker ins Gewissen zu reden und ihre Verantwortung für fehlgeleitete Preise kenntlich zu machen, verlangte der HBV-Präsident. Kämen die Produkte aus fernen Ländern, werde von fairem Handel und fairen Preisen gesprochen. Bauern im eigenen Land dagegen würden geschröpft. Handel und Ernährungsindustrie seien selbst verantwortlich, wenn es hier zu Lande bald nichts mehr zu verarbeiten, vermarkten und verkaufen gebe, weil die Bauern fehlen.
HBV-Präsident Schneider sprach sich dafür aus, selbstbewusster aufzutreten und den Berufsstand besser zu verkaufen. Bei solch miserablen Einkommen wie in diesem Jahr sei es durchaus angebracht, auch einmal etwas lauter zu argumentieren, entschiedener aufzutreten, mehr zu fordern und den Partnern in Politik und Gesellschaft deutlich zu machen, dass „mit uns nicht zu spaßen ist bei Preisen, die derzeit überhaupt keinen Spaß machen“.
Landwirtschaft in Deutschland steht für höchste Standards in Produktivität, Lebensmittelsicherheit, Tier- und Umweltschutz, betonte Schneider. Sein Leitbild sei eine von Familien betriebene, regional verwurzelte, flächendeckende Landwirtschaft. Schneider: „Die Bereitschaft zur Veränderung und die stete Weiterentwicklung waren und sind gute bäuerliche Tradition“.
Um den Betrieben erfolgreiche Investitionen in ihre Zukunft zu ermöglichen, nannte der Bauernpräsident eine Reihe politischer Forderungen. Darunter war die Eindämmung des Flächenverbrauchs.
Die Landwirtschaft verweigere sich nicht notwendigen Infrastrukturprojekten, stellte Schneider klar. Allerdings hapere es an der flächenschonenden Umsetzung. Abzuschaffen sei die Inanspruchnahme von landwirtschaftlichen Nutzflächen für naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen. Außerdem dürfe das Produktionspotenzial des Agrarstandorts Deutschland nicht durch praxisfremde Auflagen für Düngung und Pflanzenschutz behindert werden.
Landwirte zu Änderungen bereit, aber nicht zum Nulltarif
Die zunehmende Diskrepanz zwischen nostalgischen Erwartungen und der Realität der modernen Landwirtschaft treffe aktuell die Tierhaltung mit aller Härte, stellte Schneider fest. Vieles von den Verbraucherwünschen nach sicheren, gesunden und tiergerecht erzeugten Lebensmitteln sei bereits umgesetzt. Die Bereitschaft der Tierhalter, noch mehr zu tun, zeige sich am Interesse an der Initiative Tierwohl. Hier sei der Lebensmitteleinzelhandel aufgefordert, die verfügbaren Mittel aufzustocken.
ebe – LW 43/2015