Trockenheit, Schädlinge und Pilze schwächen den Wald

Aktuelle Waldschutzsituation in Hessen

Das Jahr 2019 brachte für den Wald in Hessen nicht die erhoffte Entlastung, im Gegenteil: Die als Folge des Extremjahres 2018 in vielen Regionen ohnehin schon außerordentlich kritische Waldschutzsituation verschärfte sich witterungsbedingt noch weiter. Windwürfe durch die Sturmtiefs „Bennet“ und „Eberhard“ und vor allem extremer Borkenkäferbefall sorgten für Schäden in der Fichte in bisher nicht gekannter Dimension. Besorgniserregend war auch die Zunahme der sogenannten Buchen-Vitalitätsschwäche, die inzwischen auch auf besseren Standorten und über die meisten Altersklassen hinweg zu beobachten ist und zum Absterben vieler Buchen führte.

Absterbende Birken durch Befall mit Melanconis sp. – hier die Stammnekrosen.

Foto: Archiv NW-FVA

Die Kiefer war weiterhin stark durch das Diplodia-Triebsterben beeinträchtigt, und bei nahezu allen Baumarten traten in unterschiedlichem Ausmaß Schäden durch Schwächepathogene und andere sekundäre Schaderreger auf.

In dem deutschlandweit betrachtet drittwärmsten, niederschlagsarmen und sehr sonnenscheinreichen Jahr 2019 zählte Hessen mit einer gegenüber dem langjährigen Mittel „nur“ um 1,9 °C höheren Jahresdurchschnittstemperatur noch zu den kühleren Bundesländern. Bei der Sonnenscheindauer wurde im Juni und bei der Temperatur im Juli jeweils ein neuer hessischer Rekord aufgestellt. Der Niederschlag lag mit 730 Litern pro Quadratmeter bei etwa 92 Prozent des Solls. Damit konnte das bereits im Vorjahr entstandene Bodenwasserdefizit auch über die Wintermonate nicht ausgeglichen werden, sondern vergrößerte sich noch im Jahresverlauf. Lediglich der Mai war ein zu kühler und regenreicher Monat, was aber nur kurzfristig zu einer geringen Entspannung führte, denn der anschließende trockene und heiße Sommer verstärkte die Trockenheit im Boden in allen Schichten. Im Herbst verbesserte sich die Wasserversorgung im Oberboden zwar regional, in den tieferen Bodenschichten herrschte aber nach wie vor eine große Trockenheit.

Borkenkäfer sorgen für enorme Wertverluste

Borkenkäfer: Die im Vorjahr begonnene starke Borkenkäfer-Kalamität setze sich in 2019 fort und führte zu massiven Schäden in der Fichte. Auf Grund der für Borkenkäfer sehr günstigen Witterungsbedingungen des Vorjahres (2018) und des die Aufarbeitungskapazitäten vielerorts überschreitenden Schadensausmaßes konnten in den Hauptschadensgebieten sehr viele Borkenkäfer, allen voran der Buchdrucker, in unterschiedlichen Entwicklungsstadien erfolgreich überwintern. Dem entsprechend kam es bereits mit Beginn der Schwärmflüge im April zu starkem Neubefall durch Buchdrucker. Durch die im Frühjahr wechselhaften Witterungsbedingungen, unterschiedliche Entwicklungsstadien der Überwinterer-Generation und die Anlage von Geschwisterbruten dauerte die erste Schwärmperiode bis etwa Ende Juni. Gegenmaßnahmen zur Verhinderung von Stehendbefall, dessen rechtzeitige Sanierung sowie die Unschädlichmachung der Brut vor dem Ausflug im Sommer konnten häufig kapazitätsbedingt nicht flächendeckend durchgeführt werden. Ab Juli begannen daher die bis dahin schon fertig entwickelten Jungkäfer mit der Anlage einer zweiten Generation, was im weiteren Verlauf zu einem enormen Anstieg der vom Buchdrucker befallenen Bestände führte. Trotz intensiver Gegenmaßnahmen sind auch in 2019 wieder sehr viele Käfer in die Überwinterung entkommen und stellen für das Jahr 2020 eine extrem hohes Gefährdungspotenzial dar. Besonders wichtig ist daher das rechtzeitige und konsequente Ergreifen aller im Rahmen des integrierten Pflanzenschutzes erforderlichen und möglichen Gegenmaßnahmen im Frühjahr, um ein weiteres exponentielles Wachstum der Buchdruckerpopulationen zu verhindern.

Kupferstecher weniger erfolgreich als Buchdrucker

Der Kupferstecher war zwar vor allem im Frühjahr noch stärker mit Neubefall am Schadgeschehen in der Fichte beteiligt, verzeichnete dann allerdings im weiteren Verlauf zumeist nur geringe Bruterfolge, sodass diese Borkenkäferart im Vergleich zum Buchdrucker in 2019 nachrangig war. Ähnlich verhielt es sich mit dem Befall durch den Lärchenborkenkäfer, der zunächst regional nochmals starken Stehendbefall an den durch das Vorjahr geschwächten Lärchen verursachte, aber seine Entwicklung oftmals nicht erfolgreich beenden konnte, sodass im Sommer nur noch wenige Schäden durch ihn entstanden.

Waldmaikäfer: Im Rahmen des regelmäßigen Monitoringprogramms zum Waldmaikäfer wurden im Forstamt Hanau-Wolfgang in 2019 wieder systematische Probegrabungen nach den Engerlingen des dritten Larvenstadiums durchgeführt. Dieses Engerlingsstadium verursacht durch seinen Wurzelfraß die stärksten Schäden mit Ausfällen vor allem in Kulturen und Jungbeständen.

Bei hohen Dichten des Waldmaikäfers können aber auch ältere Bäume durch fraßbedingte Wurzelverluste beeinträchtigt werden, was angesichts der ohnehin schlechten Bodenwasser-Situation das Trocknisrisiko für die Bäume zusätzlich erhöht. Die Grabungsergebnisse zeigen, dass die mittleren Engerlingsdichten an den Grabungspunkten deutlich höher waren als bei der vorangegangenen Aufnahme im Jahr 2015. Auch die Befallsfläche hat sich weiter ausgedehnt. Somit ist für das Frühjahr 2020 mit einem sehr starken Flug des Waldmaikäfers in der betroffenen Region zu rechnen.

Eichenfraßgesellschaft: Bei den Fraßkartierungen zur Eichenfraßgesellschaft auf insgesamt 198 Hektar wurde im Jahr 2019 in den Forstämtern Hanau-Wolfgang, Langen und Nidda überwiegend Fraß durch den Schwammspinner festgestellt, wobei geringer Fraß auf insgesamt 53 ha, mittlerer Fraß auf 31 ha und starker bis Kahlfraß auf 32 ha auftrat. Fraß durch den Eichenprozessionsspinner wurde von den Forstämtern Wettenberg und Hofbieber sowie dem Bundesforstbetrieb Schwarzenborn auf insgesamt 82 ha dokumentiert, wobei auf allen Flächen bislang nur geringer Fraß festgestellt wurde. Durch die allergene Wirkung seiner Brennhaare kann es allerdings auch schon bei niedrigen Dichten, die für den betroffenen Bestand an sich noch keine Gefährdung darstellen, zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei Waldbesuchern und im Wald arbeitenden Personen kommen.

Biscogniauxia nummularia, der Münzenförmige Rindenkugelpilz, in seiner Hauptfruchtform.

Foto: Archiv NW-FVA

Lokalen Fraß durch die Eichenfraßgesellschaft, der ebenfalls überwiegend durch den Eichenprozessionsspinner verursacht wurde, meldeten außerdem die Forstämter Bad Schwalbach, Biedenkopf, Dieburg, Groß-Gerau, Neukirchen, Rüdesheim, Schotten, Wetzlar und Wiesbaden-Chausseehaus.

Die Überwachung des Schwammspinners mit Hilfe von Pheromonfallen zeigte, dass sich dieser Schmetterling weiterhin in der Progradationsphase befindet. Insgesamt wurde ein Anstieg der Fangzahlen mit 25 Warnschwellenüberschreitungen in den Forstämtern Darmstadt, Groß-Gerau, Königstein, Lampertheim, Langen und Nidda ermittelt. An insgesamt acht Standorten wurden Fangzahlen von über 2 000 Faltern pro Falle beobachtet. Die Suche nach Eispiegeln im Winter 2019/2020 ergab in 16 von 35 untersuchten Flächen Warnschwellenüberschreitungen in den Forstämtern Nidda und Langen.

Bei der Überwachung der Populationen des Kleinen und des Großen Frostspanners mit Leimringen im Herbst/Winter 2019/20 wurden keine Überschreitungen der Warnschwelle festgestellt. Diese Arten der Eichenfraßgesellschaft befinden sich weiterhin in der Latenz.

Mäuse: Seit dem Herbst 2019 befinden sich die oberirdisch fressenden Kurzschwanzmäuse in vielen Regionen wieder in einer Massenvermehrung. Diese wird durch das Angebot an den zur Vergrasung neigenden Freiflächen die durch Windwürfe und Borkenkäferkalamität entstanden sind, begünstigt. Die Probefänge der NW-FVA im Herbst ergaben lokal bereinigte Indexwerte von maximal 50 für Erd- und Feldmäuse (2018: 25,3) und 53,8 für Rötelmäuse (2018: 24) je 100 Fallennächte. Auch die Überwachungen mit Apfelsteckreisern bestätigten die sehr hohen Mäusedichten. Es wurden Annahmeraten von bis zu 96 Prozent (2018: 50 Prozent) ermittelt. Bisher wurden rund 60 ha Schadfläche in Kulturen gemeldet. Zur Sicherung der zahlreichen Kulturen wird daher in vielen Fällen eine Mäusebekämpfung unumgänglich sein.

Komplexe Schäden an Buche nehmen zu

Nachdem bereits im Herbst 2018 als Folge der extremen Witterungsverhältnisse eine Zunahme der Buchen-Vitalitätsschwäche und ein deutlicher Anstieg von Absterbeerscheinungen festzustellen war, zeigten sich ab dem Frühjahr 2019 eine nochmalige Ausweitung der Absterbeprozesse in Buchenbeständen. Absterbende Kronenteile und das gehäufte Auftreten von Schleimflussflecken am Stamm wurden dabei als typische Symptome beobacht. Weitere Symptome waren Rindennekrosen, Rindenrisse und abplatzende Rinde, was auf Sonnenbrand und/oder einen Befall mit Rindenpilzen, teilweise gefolgt von Borken- und Prachtkäfern zurückzuführen war. Sehr schnell traten dann auch verschiedene Holzfäulepilze auf, die die Stabilität und Standsicherheit der Buchen beeinflussten. Während zunächst überwiegend bereits vorgeschädigte Buchen auf exponierten Standorten betroffen waren, weiteten sich die Absterbeerscheinungen mit fortschreitender Trockenheit und den sehr hohen Temperaturen auf nahezu alle Altersklassen und zunehmend auch Bestände auf günstigeren Standorten aus.

Viele bisher nicht im Zusammenhang mit der Buchen-Vitalitätsschwäche auffällig gewordene Pilze führten als Schwächepathogene sogar zum Absterben der Bäume. Häufig war dies in 2019 zum Beispiel der Rindenkugelpilz, auch Pfennig-Kohlenbeere und wissenschaftlich Biscogniauxia nummularia genannt. Dieser Wärme liebende Pilz ist als Schwächepathogen in europäischen Buchenwäldern heimisch, verursacht aber in der Regel keine Schäden. Bei einer starken Schwächung der Buchen kann er mit dem Übergang in seine parasitische Phase reagieren und Holzfäule veursachen.

Absterbende Bäume zeigen als Schadsymptome flache, beulenartige Aufwölbungen der obersten Rindenschicht, ein Aufplatzen und Zurückkrümmen der Rinde mit einer zunächst weißen Sporenmasse, die später wachsig-grau und abgetragen wird. Im Spätstadium zeigt sich dann eine graue bis braune Palisade aus Sporenträgern auf dem Stamm. Die mit den Schädigungen verbundene, schnelle Holzzersetzung ist auch unter dem Gesichtspunkt der Arbeitssicherheit und der Verkehrssicherung problematisch. Als Folge der Witterungsbedingungen des Jahres 2019 wird auch für 2020 eine weitere, erhebliche Zunahme der Schäden in Buchenbeständen befürchtet.

Diplodia-Triebsterben der Kiefer

Aufgeplatzte Rinde mit typischer schwarzer Färbung durch die Sporen des Erregers der Rußrindenkrankheit an einem Bergahorn.

Foto: NW-FVA

Zu starken Schäden durch das Diplodia-Triebsterben, veursacht durch den Wärme liebenden Pilz Sphaeropsis sapinea, kam es wie imVorjahr vor allem im Bereich der hessischen Mainebene (Frankfurt, Langen). Aber auch aus anderen Regionen wurde erheblicher Diplodia-Befall gemeldet. Das wiederum zu trockene, zu warme und sehr sonnenscheinreiche Jahr 2019 machte die Kiefer auf zahlreichen Standorten für das Diplodia-Triebsterben anfällig. Neben dem Triebsterben kann die Erkrankung auch Folgeschäden nach sich ziehen, wie Käferbefall und Bläue im Holz, und führt bei entsprechend starker Kronenschädigung zum Absterben der Bäume. Betroffen waren neben der Kiefer auch Douglasien und Küstentannen in verschiedenen Altersstufen. Auffällig war vor allem in jüngeren und mittelalten Beständen die Bildung von durch S. sapinea verursachten, schildartigen Rindennekrosen an Stämmen und Ästen. Sie führten meist zum Absterben der betroffenen Bäume oder Kronenteile.

Schwächung der Eiche sowie des Ahorn

Viele weitere Baumarten wurden durch Witterungsbedingungen der vergangenen zwei Jahre geschwächt und dadurch in höherem Maße anfällig für Schwächepathogene und sekundäre Schaderreger. So wurden Symptome der durch den Befall mit Stammläusen und in der Folge mit dem Mikropilz Neonectria neomacrosora hervorgerufenen Tannen-Rindennekrose auf verschiedenen Flächen festgestellt, wobei in einem Fall zusätzlich Befall durch den Weißtannenrüsselkäfer (Pissodes piceae) auftrat.

An Ahorn traten die seit 2018 verstärkt beobachtete und durch den Pilz Cryptostroma corticale ausgelöste Rußrindenerkrankung sowie das so genannte Ahorn-Triebsterben, welches durch den Pilz Stegonsporium pyriforme verursacht wird, auch in 2019 wieder sehr auffällig in Erscheinung. Diese beiden Schwächepathogene profitierten von der erneut trockenen und warmen Witterung. Die letztgenannte Erkrankung tritt meist bei jüngeren Bäumen auf, die typischen, schwarzen Sporenlager sitzen auf und nicht wie bei der Rußrindenkrankheit unter der Rinde. Bei der Aufarbeitung von Bäumen mit der Rußrinden-Erkrankung sollten die von der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau empfohlenen Schutzmaßnahmen eingehalten werden.

Ebenfalls als Folge der Trockenheit und Hitze der beiden letzten Jahre wurden Schäden an Eichen bis hin zum Absterben von Bäumen oder Bestandesteilen beobachtet. Symptome waren eine vorzeitiger Laubverfärbung, das Vertrocknen der Blätter und eine Totastbildung in der Krone, Schleimflussflecken und Nekrosen am Stamm mit Besiedelung durch Schwächepathogene, wie Botryosphaeria- und Diplodia-Pilze, sekundärem Befall mit Prachtkäfern und/oder Werft- und Bockkäfern am Stammfuß und in unteren Stammbereichen sowie anderen sekundären Schadmerkmalen – dazu zählen Wasserreiser und sichtbar werdender Befall mit Hallimasch im Wurzelraum. Diese Schwächeparasiten und -pathogene belegen eine deutliche Schwächung auch der Eiche.

An Birken wurden auf einigen Standorten Schleimflussflecken und absterbende Triebe und Bäume beobachtet. Ausgelöst wurden diese Symptome durch einen Schlauchpilz der Gattung Melanconis, der endophytisch und überwiegend saprophytisch an Birke vorkommt, in anderen Regionen aber auch mit einem Birkensterben in Verbindung gebracht wird.

Dr. Martin Rohde – LW 20/2020