Weinkultur im digitalen Wandel

Weinzirkel am Sankt Rochustag in Gau Algesheim

Die Weinbruderschaft Rheinhessen traf sich zu ihrem Weinzirkel am Sankt Rochustag beim Weingut Gerharz-Hochthurn in Gau-Algesheim, um sich mit der Frage zu befassen, ob und inwieweit die Weinkultur vom digitalen Wandel betroffen ist. Dennoch blieb Zeit, sich auszutauschen, was während der Corona-Pandemie vermisst wurde.

Der Weinzirkel am Sankt Rochustag der Weinbruderschaft Rheinhessen fand dieses Jahr in Gau-Algesheim beim Weingut Gerharz-Hochturn statt. Von links: Bruderrätin Heidi Zies organisierte den Zirkel, Kellermeister Pascal Balzhäußer präsentierte die Weinprobe, Brudermeister Prof. Dr. Poweleit hielt einen Vortrag zur Weinkultur im digitalen Wandel. Rechts die Gastgeber Anne und Ursula Hochthurn.

© Bettina Siee

Das Jahresthema „Weinkultur im digitalen Wandel“ stand im Mittelpunkt des Weinzirkels am St. Rochustag, zu dem sich die Weinbruderschaft Rheinhessen zu St. Katharinen im Gau-Alges­heimer Weingut Gerharz-Hochthurn traf. Wer wollte, konnte vor dem Treffen bei hochsommerlichen Temperaturen an einer Führung durch die Weinbaugemeinde teilnehmen, bei der die neue Weinschwester Dr. Herrad Krenkel und ihr Kollege Wolfgang Thomas auf unterhaltsame Art wertvolles Wissen vermittelten – beide sind rheinhessische Kultur- und Weinbotschafter.

Stadtbürgermeister Michael König hieß die Weinbrüder und -schwestern willkommen und verwies auf die lange Weinbaugeschichte des Ortes, die bis zur ersten urkundlichen Erwähnung im 8. Jahrhundert zurückreiche. Gau-Algesheim sei sehr stolz auf seine 24 Winzer und deren Produkte. Die Stadt wachse ständig und verfüge inzwischen über 7 200 Einwohner.

Brudermeister Prof. Dr. Axel Poweleit betonte, dass es der Weinbruderschaft stets wichtig sei, die Kommunikation mit- und untereinander zu fördern. Dies gelte es nach den Einschränkungen durch die Corona-Pandemie jetzt wieder auszubauen.

Digitalisierung hält Einzug in Weinberg und Keller

Die Frage „Wie viel Digitalisierung verträgt die Weinkultur?“ beleuchtete Brudermeister Poweleit. Die Weinkultur werde durch Konsumenten und sensorische Verkostungen geprägt, während bei der Digitalisierung eher Begriffe wie „Cloud“, 5G, Quantencomputer und künstliche Intelligenz von Bedeutung seien.

Das Schlagwort „Weinbau 4.0“ erläuterte Poweleit mit Beispielen: Im Weinberg könne durch Drohnen eine Fernerkundung und digitale Zustandserfassung erfolgen. Am DLR Mosel werde ein „sanfter“ Rebschnitt mit Hilfe von VR-Brillen und digitaler Unterstützung entwickelt. Autonome und teilautonome Schlepper und Geräteträger fahren GPS-unterstützt durch die Weinberge. Im Weinkeller würden die Winzer beim Energiemanagement und bei der Gärsteuerung von digitaler Technik unterstützt. Und im Umgang mit Kunden könnten digitales Betriebs- und Kundenmanagement, Onlinemarketing sowie Onlineweinproben eingesetzt werden.

Menschen brauchen Kommunikation

Digitalisierung kann Winzer bei den Arbeiten in Weinberg, im Keller und Büro unterstützen, aber den persönlichen Kontakt mit Kunden nicht ersetzen. Digitale Technik optimiere Produk­tionsprozesse, aber könne die Emotionen und letzlich das Mysterium Wein nicht vermitteln, sagte Poweleit. Emotionalität von Wein und Konsumenten fänden nur durch Zusammenkunft zueinander, stellte der Brudermeister fest, der in diesem Zusammenhang Online-Verkostungen als Hilfskonstrukt bewertete. „Menschen brauchen Kommunikation mit Menschen und da ist das Ende der Digitalisierung, ebenso wie bei den wichtigsten Abläufen im Weinkeller“, zeigte sich Poweleit überzeugt.

Der neue Kellermeister der Weinbruderschaft, Pascal Balzhäuser, hatte für die Weinverkostung acht Sommerweine aus dem nördlichen Rheinhessen ausgewählt. Am Ende dankte Organisatorin Heidi Zies allen Beteiligten, die zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen haben.

Norbert Krupp – LW 34/2022