Winterweizen-Erträge blieben enttäuschend

Landessortenversuche 2015/16 und Empfehlungen Herbst 2016

Nach zunächst zögerlichem und von wiederholten Niederschlägen unterbrochenem Erntebeginn konnte die Weizenernte auch in den Höhenlagen während der Hitzeperiode in der letzten Augustdekade zügig abgeschlossen werden. Große Unsicherheit herrschte sowohl bezüglich der Erträge wie auch der Qualitäten.

Ziel der LSV ist es, den Zuchtfortschritt möglichst schnell an die Praxis weiterzugeben.

Foto: landpixel

Winterweizen wird in Hessen auf knapp 160 000 Hektar angebaut und ist damit die mit Abstand bedeutendste Getreideart. Die Anzahl der in Deutschland zugelassenen Sorten spiegelt diese Bedeutung ebenfalls wider. Aktuell sind in der Bundessortenliste 141 Weizensorten eingetragen. Dazu kommt noch ein Strauß von in anderen EU-Ländern zugelassenen Sorten, die damit ebenfalls in Deutschland vertriebsfähig sind. Aus der Vielzahl von beworbenen Sorten möchte der Anbauer die für seine Zwecke geeigneten wählen. Vor dem Hintergrund der Standortgegebenheiten spielen dabei die Verwertungsrichtung, das Anbausystem und viele ertragssicherende Eigenschaften eine Rolle.

Erträge knapp 7 Prozent unter Vorjahr

In den Landessortenversuchen (LSV) werden die Sorten auf ihr Ertragsvermögen geprüft, aber auch viele andere günstige und weniger günstige Eigenschaften treten zu Tage. Das zeigte sich auch im aktuellen Anbaujahr, denn insgesamt blieben die Weizenerträge in Hessen, aber auch bundesweit, enttäuschend. Nach den Angaben des Statistischen Landesamtes liegt das vorläufige diesjährige Ernteergebnis mit 75,6 dt/ha noch unter dem langjährigen Mittel und verfehlte die Erträge des Vorjahres um knapp 7 Prozent. Welche Sorten kamen mit den Wachstumsbedingungen in diesem Jahr am besten zurecht? Die Auswertung der hessischen Daten gibt Antworten, und insbesondere die mehrjährigen Versuchsergebnisse zeigen, welche Sorten langjährig ertragssicher und anpassungsfähig sind.

Das Anbaujahr 2015/16 war geprägt von einem sehr milden Winter mit nur wenigen Frosttagen, dem ein langanhaltend feucht-kühles Frühjahr folgte. Viele Weizenbestände zeigten eine suboptimale Wurzelentwicklung. Vor allem auf schwereren Böden war die Wurzelatmung behindert, und das Aneignungsvermögen für Nährstoffe dadurch begrenzt. Die verhaltene Stickstoffmineralisation im Frühjahr war der Pflanzenentwicklung ebenfalls nicht förderlich. Im Spätwinter und frühen Frühjahr trat erneut Gelbrost, regional aber auch Mehltau in anfälligen Sorten auf. Im Fortgang der Entwicklung zeigten sich auch Wurzelverbräunungen, und auf dem Blattapparat wurden im Juni Infektionen durch den Schneeschimmelerreger sichtbar. Ährensymptome deuteten sowohl auf Schneeschimmel als auch auf Fusariumbefall hin. Wachstumsregler-Termine konnten nicht immer optimal gesetzt werden. Starkniederschläge führten teilweise zu vorzeitigem Lager in anfälligen Sorten.

Ergebnisse der Landessortenversuche 2015/16

An sechs LSV-Standorten wurden im aktuellen Anbaujahr 24 Winterweizensorten in jeweils zwei Intensitätsstufen (Stufe 1 = ohne Fungizide, reduzierter Wachstumsreglereinsatz, Stufe 2 = standortangepasst optimaler fungizid- und Wachstumsreglereinsatz) geprüft. Das Ertragsniveau im LSV lag mit durchschnittlich 105 dt/ha in Stufe 2 über dem von 2015. Dieser Mittelwert ergibt sich unter anderem durch den mit 91,2 dt/ha ohne Beregnung außergewöhnlich hohen Ertrag am Standort Griesheim, während in Friedberg und Marburg ein im Vergleich zum Vorjahr deutlich niedrigeres Niveau erreicht wurde. Hier zeigt sich die Bedeutung des Faktors Wasser, sowohl im Mangel wie im Überschuss.

Der Verzicht auf Pflanzenschutz hatte einen Ertragsverlust von durchschnittlich 21 dt/ha zur Folge. Am stärksten fiel dieser Ertragsverlust mit über 30 dt/ha in Friedberg und in Bad Hersfeld aus, während in Korbach bei vergleichsweise geringem Krankheitsdruck nur 12 dt/ha Differenz gemessen wurden.

Orientierungssortiment mit mehreren neuen E-Sorten

Darüber hinaus werden an vier Standorten in einem Orientierungssortiment (OS) weitere praxisrelevante Sorten geprüft, die nach dreijähriger Prüfung aus dem LSV herausfallen. Neben bewährten Sorten waren in diesem Sortiment auch mehrere E-Sorten in der Prüfung, um in dieser Qualitätsgruppe neues Material zu sichten. Insgesamt lag der Versuchsdurchschnitt bei 102 dt/ha mit einer Ertragsdifferenz zwischen Stufe 1 und Stufe 2 von rund 23 dt/ha. Mit deutlichen Mindererträgen reagierten die anfälligeren Sorten auf unterlassene Pflanzenschutzmaßnahmen. Hier sind Akteur, Kerubino aber auch Tobak und der Wechselweizen Cornetto zu nennen. Deutlich gesünder zeigten sich Alfons, Desamo, Solehio, Patras und bei den E-Sorten Barranco und Ponticus.

Deutliche Sortenunterschiede in den LSV

Auch im LSV wurden Sortenunterschiede sichtbar. Geringere Ertragsverluste durch unterlassenen Pflanzenschutz zeigten zum Beispiel Apostel, Elixer, Leandrus, KWS Salix, Mescal und Sheriff. Dies sind ausnahmslos Sorten mit guter Blattgesundheit, insbesondere auch einer geringen Anfälligkeit für Gelbrost. Allerdings haben auch Sorten mit guter Gelbrosteinstufung wie zum Beispiel Benchmark in den Versuchen eine höhere Anfälligkeit gezeigt. Deutliche Mehrerträge in der Stufe 2 brachten neben Benchmark auch Bergamo, Bonanza, Gustav, Johnny, Kashmir, KWS Maddox, Partner sowie die beiden Hybridweizen Hylux und LG Alpha. Neben Gelbrost haben auch Infektionen mit Septoria, Mehltau, Schneeschimmel sowie teilweise auch Braunrost die Pflanzen unter Druck gesetzt.

Der Blick auf die Qualitätsdaten zeigt, dass das sehr gute Niveau des Vorjahres in diesem Jahr nicht erreicht werden konnte. Die Kornausbildung ist schwächer zu beurteilen, die Rohproteingehalte liegen knapp 1 Prozent unter denen des vergangenen Jahres. Die Sedimentationswerte bleiben ebenfalls mit durchschnittlich 35 ml etwas unter dem Vorjahr. Während insgesamt die Fallzahlen mit über 300 Sekunden vollkommen in Ordnung sind, zeigen sich an Belastungsstandorten bei einigen Sorten nachlassende Werte. Hier sind beispielsweise Johnny (B), Bergamo (B), Bonanza (B), KWS Salix (B), LG Alpha (C) und Hylux (C) zu nennen.

Gabriele Käufler, LLH, Landwirtschaftszentrum Eichhof  – LW 36/2016