ZBH will die Zusammenarbeit mit dem LTR voranbringen

Winter-Informationsveranstaltung im Bezirk Kassel

Die Zucht- und Besamungsunion Hessen eG (ZBH) und der Hessische Verband für Leistungs- und Qualitätsprüfungen in der Tierzucht eV (HVL) führen zurzeit ihre gemeinsamen Wahl- und Informationsver­anstaltungen im Winterhalbjahr 2016/17 durch.

ZBH-Geschäftsführer Rudi Paul sieht in der Intensivierung der Ko­ope­­­ration mit dem LTR Vorteile für die Mitgliedsbetriebe.

Foto: Moe

Bei der Tagung für den Bezirk Kassel informierten sich am vergangenen Freitag in Hofgeismar 40 Landwirte über aktuelle Analysen zur Milchleistungsprüfung, Neuheiten bei den Zuchtprogrammen und Ergebnisse in der Zuchtviehvermarktung. Weitere Themen waren der hessische „Runde Tisch Tierwohl“ in Bezug auf die Eutergesundheit und Neuregelungen in der Nachzucht- und Kuhbewertung.

Die Milchkrise hat Spuren hinterlassen

Einen Schwerpunkt der Veranstaltung sowie der lebhaften Diskussion mit den Rinderzüchtern im Anschluss bildete die Zusammenarbeit der Rinderzuchtorganisation in Hessen mit dem Landesverband Thüringer Rin­derzüchter eG (LTR) mit Sitz in Erfurt. Die ZBH will die Entwicklung voranbringen. Rudi Paul, Geschäftsführer der ZBH, warb für dieses Vorhaben bei den Landwirten in Hofgeismar.

Beide Organisationen seien finanziell solide aufgestellt, die Not zu handeln, sei also nicht da, stellte er zunächst heraus. Aber man sehe die vom starken Strukturwandel gezeichneten Entwicklungen in der deutschen Rin­derhaltung, der Rinderzucht und damit in der Zuchtviehvermarktung sowie in der Besamung. Er schätzt, dass im Zuge der Milchkrise etwa 10 Prozent der Betriebe die Milch­erzeugung aufgegeben haben. Von 2010 bis 2016 ist die Zahl der Micherzeuger in Hessen um fast 1 000 auf jetzt 3 059 Betriebe mit Milchkühen gesunken.

Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit nötig

Ziel sei die Bündelung der Kräfte der Organisation, Nutzung von Synergieeffekten und Steigerung der Leistungsfähigkeit. Für die Zweckmäßigkeit dieser Kooperation mit dem LTR hatte Paul zahlreiche Argumente. Zuerst die rein menschliche Ebene: Seit den ersten Vereinbarungen vor rund 20 Jahren der Organisationen in Hessen und Thüringen untereinander habe man gute Erfahrungen gemacht und sich ohne viel „Tamtam“ darum zu machen, stets auf seinen Geschäftspartner verlassen können. Die geschlossenen Verträge seien bislang niemals gebraucht worden, um etwas gegen den Vertragspartner rechtlich durchzusetzen. „Das zeigt auf welchem Niveau diese Zusammenarbeit bisher gelaufen ist, nämlich gut“, meinte Paul.

Aufgaben an den Standorten bündeln

Dann kamen sachliche Gründe der Zusammenarbeit von ZBH/HVL mit dem LTR/TVL auf den Tisch, die seiner Meinung nach sinnvoll und langfristig vorteilhaft für die Mitglieder beider Zuchtorganisationen sind. Beispielsweise, dass nur noch eine statt zwei Besamungsstationen für beide Zuchtgebiete betrieben wird und zwar am LTR-Standort in Erfurt.

Strukturvergleich Hessen und Thüringen

Mit jeweils rund 90 000 Herdbuchkühen und etwa 100 000 Erst­besamungen in ihren Zuchtgebieten sind ZBH und LTR in der Größe ihrer Geschäftsbereiche vergleichbar aufgestellt. Die Größenstruktur der den Organisationen ZBH sowie LTR angeschlossenen Herdbuchbetriebe ist hingegen völlig anders. Den Agrargenossenschaften mit rund 260 Kühen in den Herdbuchbetrieben Thüringens stehen Familienbetriebe in Hessen mit circa 66 Kühen in den Herdbuchbetrieben gegenüber.

Aus der unterschiedlichen Betriebsstruktur ergeben sich auch Unterschiede in den Zuchtprogrammen zwischen den Bundesländern, beziehungsweise den Wünschen der Kunden an das Bullenangebot. So werden zum Beispiel in den Melk­ro­boter­be­trieben in Nordhessen andere Anforderungen an die Vererber gestellt. Unter anderem in Bezug auf die Strichplatzierung, damit der Melkvorgang in der Roboterbox gut klappt. Anderseits treten in Thüringen, wo die Betriebe oft mit Melkständen oder Karussells arbeiten, funktionale Eigenschaften der Kuh wie der Milchfluss in den Vordergrund.

Schritte der bisherigen Entwicklung vorgestellt

Paul skizzierte Stufen der Zusammenarbeit von ZBH und LTR. Die Entwicklung begann bereits mit den ersten Vereinbarungen zwischen den Organisationen im Jahr 1995 in Bezug auf die Durchführung gemeinsamer Zuchtprogramme. In den Jahren 1998 bis 2000 hat man diese deutlich intensiviert und geregelt, dass es nur noch eine Station für die Spermaproduktion beider Unternehmen und zwar am LTR-Standort in Erfurt gibt. In Alsfeld wurde ein Stall für die Wartebullen gebaut und damit diese allein am hessischen Standort aufgestallt. Vor zwei Jahren hat man eine gemeinsame „Tierzucht Service GmbH“ gegründet. Es wird ein gemeinsamer Bullenkatalog herausgegeben. Ziel sei, für die Basis der Betriebe stärker zu werden. So hat sich mittlerweile der Schau- und Vermarktungs­standort Alsfeld in der Holsteinzucht eine gute Position neben den Plätzen Verden, Osna­brück oder Oldenburg erobert.

Eine Gesellschaft für beide Organisationen

Schließlich sei die Frage aufge­kommen „Wollen wir fusionieren?“ Dies sei mit einem klaren Nein zu beantworten. Aber es gehe darum, eine gemeinsame Gesellschaft zu gründen, um darin das operative Geschäft zu füh­ren. Zu diesem Punkt wurde für November dieses Jahres eine außerordentliche Mitgliederversammlung der ZBH in Alsfeld und für die Mitglieder des LTR in Thüringen anberaumt. Bevor es soweit gekommen sei, habe der LTR mitgeteilt, man habe noch zu viele Fragen seitens der Gremien und wolle daher die Mitgliederversammlung dazu noch nicht durchführen. Die ZBH hat daraufhin entschieden, die ursprünglich geplante außerordentliche Mitgliederversammlung als eine interne Informationsveranstaltung ohne eine Beschlussfassung zu dieser Frage durchzuführen.

Operative Geschäfte an GmbH ausgliedern

Wie geht es weiter, nachdem es im November nicht zum Beschluss gekommen ist? Beide Organisationen operieren weiterhin selbstständig. Wo es aber möglich ist, will man intensiver gemein­sam agieren. So realistisch sehen das beide Unternehmen. Zur Nutzung freier Ka­pa­zi­täten soll eine Gesellschaft gebildet werden, die gemeinsame Aufgaben für beide Zuchtorganisationen übernimmt. Die Gesellschafter- und die Pachtverträge werden überarbeitet mit dem Ziel der Ausgliederung der operativen Geschäfte durch Gründung einer gemeinsamen GmbH mit Sitz in Alsfeld und einer gleichberechtigten Partnerschaft der Beteiligten, also bei einem Anteil von 50 Prozent der ZBH eG an der Gesellschaft und 50 Prozent Anteil des LTR eG. Geschäftsführer Paul sagte, dass der Vertragsentwurf bis Ende Januar 2017 vorliegen soll. Dann wollen sowohl die Hessen als auch die Thüringer den Entwurf zur Ausgliederung des operativen Geschäftes aus den Genossenschaften in die Gesellschaft auf den Sitzungen mit ihren Aufsichtsräten vorlegen. Das Konzept wird nach Vorlage den Gremien der Gesellschafter zum Mitgliederentscheid in den ordentlichen Jahreshauptversammlungen von ZBH und LTR im April 2017 vorgestellt. Beschließen die Mitglieder die Bildung der neuen Gesellschaft, will man zeitnah beginnen, operative Geschäfte dieser neuen Gesellschaft aufzunehmen. Paul stellt sich dazu etwa ein Beginn zum 1. Juli 2017 vor.

Ergebnisse, Analysen, Zuchtwertschätzung

Zuvor gab Dr. Jens Baltissen, Geschäftsführer des HVL eV, umfangreiche Ergebnisse aus Ana­lysen in der Milchleistungsprüfung und Besamung bekannt. So muss man einen Rückgang von circa 5 000 Besamungsportio­nen verzeichnen, bleibt aber weiter deutlich über 100 000 Erstbe­samungen im Jahr 2016. Besonders erfolgreich ist man mit dem „Hessenbullen“ Goldday mit 430 000 verkauften Portionen. Besonderheit ist dessen große Nachfrage in Deutschland und außerdem auf internationalem Zuchtparkett. Bemerkenswert ist auch die Zunahme der Besamungen an Fleischbullen der Rasse Weiß-Blaue-Belgier, welche zur Einkreuzung mit HF-Tieren eingesetzt werden. Der Trend, genetisch reinerbig hornlose Vererber (PP-Bullen) einzusetzen, hält an. Das berichtete Jost Grünhaupt, Zuchtleiter des Landesbetriebes Landwirtschaft Hessen. Er erläuterte die Neugewichtungen in der Zuchtwertschätzung, unter anderem betrifft dies die Bewertung der Merkmale Hinterbeinwinkelung und Fundament. Der Leiter der Rinderzucht in Hessen informierte über weitere züchterische Ziele sowie ihren Stellenwert für die Betriebe am Beispiel der line­aren Exterieurbeschreibung.

Rohstoffpreise beeinflussen das Zuchtviehgeschäft

Rudi Paul sprach von einer „Talsohle im Zuchtviehgeschäft.“ Circa 3 200 Zuchttiere wurden exportiert. Ein stabiler Geschäftspartner ist derzeit Italien. Einschließlich der nach Italien verkauften 151 Auktionsfärsen hat das Land 2016 einen Anteil von rund 26 Prozent am Zuchtviehexport der ZBH gehabt. Etwa 20 Prozent der Zuchttiere wurden nach Russland verkauft sowie etwa 15 Prozent in die Türkei. Die Nachfrage nach Zuchttieren korreliere durchaus mit den Preisen für Öl und Rohstoffen, stellte Paul fest. Auch ging es um den „Runden Tisch Tierwohl“ in Hessen. Hier wurden Handlungsempfehlungen zum betrieblichen Eutergesundheitsmanagement erarbeitet, indem man beispielsweise den Antibiotikaeinsatz zum Trockenstellen dokumentiert. Hier gehe es nicht darum den Antibio­ti­kaeinsatz abzuschaffen, der sei besonders in dieser Phase notwendig. Es gehe aber darum „Licht im Dunkel“ zu bringen, damit Landwirt und Tierarzt aus dieser rechtlichen „Grauzone“ herauskommen.

Bezirksvorsitzender Michael Raude aus Naumburg leitete die Versammlung. Mareike Morell informierte die Züchter über einen erfolgreichen Tag der Züchterjugend 2016, Ende November in der Hessenhalle.

Moe  – LW 50/2016