Die Bioenergiebranche ist weiterhin im Umbruch
Neue Konzepte sollen geringere Zuwächse auffangen
Die im Rahmen der Eurotier in Hannover stattfindende Messe „Bioenergy Decentral“ hat auch in diesem Jahr viele Tierhalter angezogen und bot einen guten Branchenüberblick. Die jüngsten Änderungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) haben vor allem im Bereich Biogas zu einem regelrechten Einbruch der Zubauraten geführt. Schwerpunkte der Messe wie „bedarfsgerechte Energieerzeugung“ oder „virtuelle Kraftwerke“ – zusamÂmengefasst unter dem Begriff „Smart Energy“ – zeigten, wohin die Reise gehen könnte.

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Dramatischer Rückgang der Zubauraten bei Biogasanlagen
Trotz dieser dramatischen Zahlen sehen die meisten Anbieter von Biogastechnik, die in Hannover ausstellten, nicht unbedingt schwarz. Denn zumindest ein Teil der Verluste wird durch Modernisierungsmaßnahmen an bestehenden Biogasanlagen beziehungsweise durch deren Aufrüstung und Erweiterung aufgefangen. Dieses sogenannte Repowering beinhaltet auch Effizienzsteigerungen, die durch Investitionen in verschiedenste Teile der Anlagen erreicht werden können.
Auch die vermehrte Nachfrage aus dem Ausland könne einen weiteren Teil der stark rückläufigen Entwicklung auf dem deutschen Markt auffangen, hieß es.
Zahlreiche Forumsveranstaltungen beschäftigten sich mit Technologien und Dienstleistungen, welche die dezentrale Energieversorgung in Erzeugung und Verbrauch optimieren und mit Industrie und Gewerbe besser vernetzen sollen.
Effizienzsteigerungen sind ein Teil der Lösung
Am Beispiel einiger Biomasseheizwerke in Bayern erläuterte Niels Alter vom „Centralen Agrar-Rohstoff-Marketing- und Energie-Netzwerk“ (C.A.R.M.E.N.) Ansätze zur Steigerung der Effizienz beziehungsweise zur Vermeidung von Energie- und Wärmeverlusten. C.A.R.M.E.N. wurde 1992 in Rimpar bei Würzburg durch den Freistaat Bayern gegründet und ist seit 2001 Teil des Kompetenzzentrums für Nachwachsende Rohstoffe in Straubing.
Alter stellte zunächst klar: „Ohne Daten keine Optimierung.“ Jeder Betreiber solle seine Anlage und die Betriebsabläufe ständig kritisch hinterfragen und beobachten. Um festzustellen, was in der Anlage abläuft, müsse man gegebenenfalls auch externes Fachwissen einkaufen. Als „lebensrettende Sofortmaßnahmen“ empfahl er, immer optimalen Brennstoff einzusetzen, regelmäßig die Qualität des Anlagen-Umlaufwassers zu überprüfen und das Mischventil der Rücklaufanhebung auf Funktion zu überprüfen.An Praxisbeispielen verdeutlichte Alter, wie kleine Anpassungen enorme Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit haben können: Ein zu dünn ausgelegtes Rohr sorgte beispielsweise dafür, dass ein Hackschnitzel-Heizwerk statt 1,5 MW nur 750 kW leisten konnte.
„Ein Abnehmer, der nicht genügend Wärme entnimmt, verursacht eine zu hohe Rücklauftemperatur und damit zusätzliche Wärmeverluste“, so der Referent. Das sei bei steigenden Preisen für Wärme nicht akzeptabel. Außerdem empfahl Alter, immer in die neueste Technik zu investieren, um teure Nachrüstungen möglichst zu vermeiden.
Genossenschaftliche Ansätze für Großprojekte nutzen
„Ohne Wärmekonzept geht heute nichts mehr“, so Marco Ohme, Produktmanager von Viessmann. Der in Nordhessen ansässige Heiztechnik-Konzern hatte vor etwa drei Jahren Schmack Biogas übernommen, und beide Unternehmen präsentierten sich an einem gemeinsamen Stand in Hannover.
Ohme machte das neue EEG für den Einbruch am Biogas-Markt verantwortlich, weil dieses zum Teil Auflagen beinhalte, die an den eigentlichen Zielen vorbei führten. Beispielsweise werde die Deckelung des Maisanteils die Fläche, die für die Erzeugung von BioÂgas benötigt werde, erhöhen, da eine Frucht mit hoher Energiedichte durch solche mit weniger Energiegehalt ersetzt werden müsse. Insgesamt habe die sinkende Einspeise-Vergütung in Verbindung mit steigenden Substratpreisen zum derzeitigen Marktrückgang geführt.
Insgesamt würden künftig größere Anlagen mit Wärmenutzung den Markt bestimmen und so genossenschaftliche Konzepte wie etwa Bioenergiedörfer stärker in den Vordergrund rücken, zeigte sich Ohme überzeugt.
Das virtuelle Kraftwerk schaltet dezentrale Stromerzeuger zusammen
Um die Energiewende umzusetzen, müssen die installierten erneuerbaren Energien gemeinsam gesteuert und vermarktet werden. Davon ist man beim Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) in Kassel überzeugt. Im Landkreis Harz wurden im Rahmen eines Projektes, das an der Messe präsentiert wurde, unter anderem Windparks, Photovoltaik-Anlagen sowie Biogasanlagen über das Internet zu einem virtuellen Kraftwerk zusammengeführt.

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Das im Harz erprobte Kraftwerk sei in der Lage, Mess- und Zählerdaten in Echtzeit zu erfassen, anhand von Erzeugungs- und Last- und Wetterprognosen Fahrpläne für die Energieversorgung automatisch zu erstellen und mit dem Strom an Energiemärkten zu handeln. So könnten die für die erneuerbaren Energien typischen Schwankungen in der Erzeugung ausgeglichen, Versorgungssicherheit geschaffen und der Strom zeitnah und flexibel vermarktet werden, erläuterten Pascal Drube und Christian Mischkowsky am IWES-Stand.
Neue Rahmenbedingungen erfordern Flexibilität
Insgesamt zeigte die Messe, wie innovativ und leistungsfähig die Branche ist, aber auch, wie veränderte politische Rahmenbedingungen die Anpassungsfähigkeit auf eine schwere Probe stellen können. Über aktuelle Tendenzen und Entwicklungen speziell in der Biogassparte berichten wir in der kommenden LW-Ausgabe 48.
KB – LW 47/2012