„Die Esel sind immer dabei“

Über die Grenze geschaut: Agrotourismus in der Schweiz

Agrotourismus kann zu einem Nebenerwerb auf dem Bauernhof werden – sowohl hierzulande als auch in anderen Ländern. Das Beispiel der Familie Küng aus der Schweiz zeigt, wie sich dort der Nebenerwerb über Jahre hinweg entwickelt hat. Agrarjournalist Michael Götz hat sich den Betrieb mit seinem Einkommensstandbein angeschaut und stellt ihn im Folgenden vor.

Auf dem Hof gibt es einen speziellen Eselparkplatz. Von hier gehen die Ausritte los.

Foto: kueng trekking

Der Hof von Familie Karl und Ursula Küng in Benken im Kanton St. Gallen ist kein gewöhnlicher Bauernhof. Wo früher Kühe untergebracht waren, befindet sich heute eine gemütliche Stube mit Naturofen. Kari, wie sich Karl Küng vorstellt, entfacht ein vorbereitetes Holzfeuer. Er benötigt nicht einmal ein Streichholz dazu, sondern zerfasert mit dem Messer etwas Jute und schlägt dann mit einem Metallstück einen Funken. Im Nu entzündet sich das Feuer.

Vom Eselreiten bis zum Übernachten im Heu

Etwa 75 Gäste haben Platz in der Stube. Nach dem Eseltrekking oder den vielen anderen Freizeitbeschäftigungen, welche Küngs anbieten, verpflegen sie hier die Gäste.

„Wir fragen zuerst, was es für Leute sind und was sie gerne machen“, sagt Ursi Küng. Das Angebot ist groß: „Alles Mögliche und Unmögliche“, fassen es die Landwirte salopp zusammen. „Eseltrekking, Eselreiten, Esel­olympiade, Bogenschießen, Kletterwand, Floßfahrt, Gastwirtschaft, Übernachten, Samichlaus (Nikolaus)“, steht auf einem der bunten Flyer. „Die Esel sind immer mit dabei“, hält Kari Küng fest. Sie waren es auch ganz am Anfang, als Küngs noch „richtige Bauern“ waren. „Trekking war schon damals vor über 20 Jahren mein Hobby“, erzählt Kari, der selbst mit Pferden aufgewachsen ist und fügt an: „Die ersten Esel wollte meine Frau.“ Zuerst habe er mit der Familie Eseltouren in die Berge gemacht. Der Suwarov Weg über den Panixer Pass habe es der Familie damals besonders angetan. Im Jahre 1997 hat Kari dann eine Ausbildung als Trekkingleiter gemacht und angefangen, auch fremde Gruppen zu führen. Das habe ihm Spaß gemacht.

Natur und Landwirtschaft nahebringen

Ein weiteres Angebot ist die Kletterwand in der ehemaligen Scheune.

Foto: kueng trekking

Kari ist ganz offensichtlich ein Naturmensch. Ohne Streichhölzer Feuer zu machen, ist wohl noch das Einfachste für ihn. Er weiß sich in der Natur immer zu helfen und möchte sein Wissen weitergeben. Für Kinder ist es ein Abenteuer, in einem Biwak zu übernachten. Der Trekkingleiter baut es ganz einfach aus Tannenästen. Im Waldboden vergräbt er einen heißen Stein, sodass dieser zu einer Wärmematte wird. Es ist etwas für Jung und Alt. „Mein Ziel ist es, den Menschen die Natur und die Landwirtschaft nahezubringen“, sagt Kari. So lässt er seine Gäste, wenn sie möchten, auch auf seinem Hof mitarbeiten. Eine Runde auf dem Traktor drehen, zäunen, Pfähle einschlagen und vieles mehr. „Sie sehen, dass es Knochenarbeit ist“, schmunzelt Kari. Was sich locker anhört, verlangt jedoch vom Landwirt Vorbereitung, Geduld und viel Zeit. Man müsse sich klar sein, dass immer zuerst der Gast komme, betont seine Frau. Die anderen Arbeiten, welche in dieser Zeit auf dem Hof anfallen, müssen dann zurückstehen. Da müsse man beweglich sein und auch Hilfe von außen, zum Beispiel vom Nachbarn annehmen. Die sechs erwachsenen Kinder helfen in der Landwirtschaft und bei der Gästebetreuung so gut wie möglich mit, was rechtzeitiges Planen voraussetzt.

„Keine halben Sachen“

In der umgebauten Scheune können die Gäste mit dem Bogen schießen.

Foto: kueng trekking

Nicht von Anfang an war der Weg zum Erlebnisbauernhof vorgezeichnet. In den 1990er Jahren suchten die Betriebsleiter nach neuen landwirtschaftlichen Einnahmequellen und hielten in einem 500er Stall Freilandhühner, deren Eier sie in Zürich verkauften. Doch dieses neue Standbein generierte zu wenig Einkommen. „Wir brauchten einen Nebenerwerb“, sagt Kari Küng rückblickend. Da lag es nahe, das, woran sie Freude und womit sie schon Erfolg hatten, auszubauen, auch wenn für die Bauern vieles Neuland war. „Entweder recht machen oder sein lassen. Keine halben Sachen“, sagt Kari Küng. Kari zeigt einen Ordner voll mit Testaten und Zeugnissen: Erste Hilfe, Kommunikation, Erlebnispädagogik, Wildkunde, Karten lesen, Knoten machen, Meteorologie, Ausbildung am Seil und vieles mehr. „Es hilft, wenn man Allrounder ist und gewisse Grundkenntnisse hat“, sagt Kari, aber ohne Aus- und Weiterbildung ging es nicht. Das Trekking musste auf festen Beinen stehen. Beim Aufbau ihres neuen Betriebszweiges kam ihnen entgegen, dass sich die alten Gebäude sukzessive umbauen ließen. Denn im Jahre 1982 hatte Familie Küng außerhalb des Dorfes einen neuen Stall für Milchkühe gebaut, und die alten Gebäude standen leer. So hielten sich die Investitionen in Grenzen.

Sicherheit bieten und offen sein

Kari und Ursi Küng in der Trekking-Gaststube. Hier verweilen sie gerne mit ihren Gästen.

Foto: Michael Götz

Wer familienfremde Personen auf dem Hof hat oder mit ihnen etwas unternimmt, muss Haftpflichtversicherungen abschließen, sei es für die Ausflüge mit den Eseln, die sportlichen Anlässe an der Kletterwand in der Scheune oder das Floßfahren auf dem Linthkanal. Die Floße werden vom kantonalen Schifffahrts­amt abgenommen; die Küche der Trekking-Gaststube untersteht der Lebensmittelkontrolle durch das Amt für Verbraucherschutz und Veterinärwesen. Schlaf- und Essräume müssen den feuerschutztechnischen Vorschriften entsprechen. Das alles führt neben den Investitionen zu weiteren, fixen Kosten. Hinzu kommen die variablen Kosten für die Durchführung, die Mahlzeiten und das Personal. Ursi Küng hat aufgrund einer Gesamtkostenberechnung fixe Tarife berechnet; auch familieneigene Arbeitskräfte werden entschädigt. Keiner soll umsonst arbeiten müssen. Der Kunde seinerseits weiß im Voraus, was seine Wünsche kosten. Wenn es ihm gefällt und die Leistung ihren Preis wert ist, wird er das Trekking weiterempfehlen und wiederkommen. Am meisten vertrauen Küngs auf die Mund-zu-Mund-Werbung, doch verteilen sie auch Flyer an Schulhäuser oder an Firmen.

Eselwandern

Hiesige Angebote

Anbieter von Eseltrekking im LW-Gebiet gibt es zum Beispiel im Nationalpark Kellerwald-Edersee (www.eselwandern.com) oder im Vogelsberg (www.vogelsberglamas.de). Überregionale Angebote gibt es zum Beispiel unter www.eselwandern.de oder www.eselpark.de.LW

„Beide müssen voll wollen“

Küngs haben gelernt, dass man nicht alles selber machen kann und auch nicht muss. Indem sie mit anderen zusammenarbeiten, können sie Synergien nutzen, zum Beispiel, indem sie bei Trekkingtouren in Gaststätten einkehren, welche am Weg liegen. So sei es nicht immer notwendig, selbst zu kochen, oder sie könnten eine schon bestehende touristische Einrichtung, wie einen Rast- oder Spielplatz, mitbenutzen. Sind beide Seiten zuverlässig und rücksichtsvoll, entsteht eine Art Kollegialität. Doch das Wichtigste, damit Agrotourismus funktioniert, ist, dass man sich keine falschen Vorstellungen macht. „Ein Trekkingleiter ist dauernd bei der Arbeit“, weiß Kari aus seinen Erfahrungen zu berichten. Viel Freizeit bleibt daneben nicht. Für ihn funktioniert es, weil er und seine Frau am selben Strick ziehen: „Beide müssen voll wollen“, betont er. Nicht zuletzt muss man auch die Menschen, mit denen man zu tun hat, gerne haben und für ihre Wünsche offen sein. „Der Bauer muss auch in die nicht landwirtschaftliche Bevölkerung gehen“, sagt Ursi Küng. Damit meint sie, Ausstellungen und Kurse besuchen, um einen Draht zu den Menschen zu finden oder anders ausgedrückt: „Man muss in Beziehungen investieren.“

Über den Betrieb

Küngs Agrotourismus

Sohn Daniel Küng hat den Hof seiner Eltern am 1. Januar 2013 übernommen und ist neben Landwirt gelernter Baumschulgärtner. Seine Eltern arbeiten weiterhin auf dem Betrieb. Schwerpunkt ist der Agrotourismus, insbesondere das Trekking mit 20 Eseln. Dieser „Nebenerwerb“ bildet heute einen großen Teil des Einkommens.

Zum Betrieb gehören 20 ha Grünland sowie 25 Mutterkühe und ihre Kälber, welche zurzeit durch 120 Mutterschafe ersetzt werden.

Im Internet: www.kueng-trekking.ch.

Götz
 – LW 24/2013