Auch der Fasan ist wieder da

F.R.A.N.Z.-Projekt erforscht praxistaugliche Möglichkeiten

Maßnahmen zur Förderung der Artenvielfalt sind bei Jochen Hartmann fester Bestandteil in seinem Anbauplan. Er ist einer von zehn Landwirten in Deutschland, die im Rahmen des F.R.A.N.Z.-Projektes verschiedene Biodiversitätsmaßnahmen ausprobieren. Standen anfangs noch kurzfristige und leicht umzusetzende Maßnahmen im Vordergrund, überzeugen ihn heute die langjährigen Maßnahmen, weil sie ökologisch wirksamer sind.

Jochen Hartmann setzt seit drei Jahren verschiedene Biodiversitätsmaßnahmen im Rahmen des F.R.A.N.Z.-Projektes um.

Foto: Brammert-Schröder

Der Betrieb von Jochen Hartmann aus Rettmer vor den Toren Lüneburgs ist typisch für die Lüneburger Heide. Die überwiegend sandigen Böden weisen mit rund 30 Bodenpunkten niedrige bis mittlere Ertragsbedingungen auf. Angebaut werden auf rund 200 ha schwerpunktmäßig Kartoffeln und Zuckerrüben sowie Getreide und Raps.

Jochen Hartmann führt den Hof bereits in der 19. Generation. Die Tradition hindert ihn aber nicht daran, neue Wege zu gehen. Seit 2016 hält er zusammen mit seiner Frau Hilke Hühner in mobilen Ställen und vermarktet die Eier ebenso wie die Kartoffeln im eigenen Hofladen.

Biodiversitätsmaßnahmen im konventionellen Ackerbaubetrieb

Die Teilnahme am F.R.A.N.Z.-Projekt vor gut drei Jahren hat den Anstoß gegeben, Biodiversitätsmaßnahmen auf seinem konventionell bewirtschafteten Ackerbaubetrieb neu zu denken und mehr und mehr in die Fruchtfolge zu integrieren. Bereits vorher hat sich der Landwirt viele Gedanken um das Thema gemacht und 2016 AgroforstSysteme in Form von Pappel- und Weidenstreifen mitten auf dem Acker angepflanzt.

„Jede Generation hat ihre Aufgabe und Herausforderung. Bei uns sind es jetzt Biodiversität und Klimaschutz. Wir Landwirte können da viel tun. Wir probieren aus und arbeiten auch gern mit der Forschung und auch mit dem Naturschutz zusammen. Wir haben damit gute Erfahrungen gemacht“, berichtet Jochen Hartmann.

Biodiversität ist Generationenaufgabe

In dem Projekt, das von der Michael-Otto-Stiftung und vom Deutschen Bauernverband getragen wird, arbeiten die Landwirte eng mit Fachleuten aus dem Naturschutz zusammen. „Es ist eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe, das ist ganz wichtig“, ist Hartmann überzeugt. Die naturschutzfachliche Betreuung übernimmt Björn Rohloff von der Stiftung Kulturlandpflege Niedersachsen. Er berät bei der Auswahl und Planung der Biodiversitätsmaßnahmen sowie bei der anschließenden Pflege der Maßnahmenflächen.

Bei F.R.A.N.Z. geht es nicht darum, die Maßnahmen auf allen Flächen umzusetzen. Vielmehr ist es Ziel des Projektes, auf Teilen der ansonsten intensiv genutzten landwirtschaftlichen Flächen Biodiversitätsmaßnahmen anzusiedeln und in ihrer Wirkung zu begleiten – in der Summe sind es fünf bis zehn Prozent der Betriebsfläche. Insgesamt sieht der Maßnahmenkatalog des F.R.A.N.Z.-Biodiversitätsmonitorings 16 verschiedene Instrumente vor, mit denen die Artenvielfalt gefördert werden kann. Sie werden je nach Ausrichtung und Standort des Betriebes ausgewählt.

Jochen Hartmann setzt eine Menge Maßnahmen um: mehrjährige Blühstreifen, blühende Vorgewende, Untersaaten in Sommergetreide, extensiven Roggenanbau mit weiter Saatreihe, Erbsenfenster. Alles Maßnahmen, die sich ackerbaulich gut integrieren lassen.

Blühstreifen und Erbsenfenster bieten Schutz und Nahrung

Die Blühstreifen wurden gleich im ersten Projektjahr angelegt. „Es geht auch darum, Strukturen zwischen den Schlägen zu schaffen“, so Hartmann. Auf zwölf Meter Breite wurde eine Mischung aus verschiedenen Pflanzen ausgesät, die zu unterschiedlichen Zeiten blühen. Der Streifen wird nicht gedüngt. „Die Mischung steht jetzt im vierten Jahr und sieht immer noch gut aus“, erklärt der Landwirt. Sie dient vielen Insekten als Futterhabitat und als Ãœberwinterungsplatz, bietet aber auch Vögeln und Feldhasen Schutz. Blühstreifen sind über das Greening schon jetzt förderfähig.

Anders sieht es bei der Maßnahme „Erbsenfenster“ aus. Sie ist bisher weder im Greening erlaubt noch mit den Agrarumweltprogrammen der Länder kompatibel und wird über das Projekt finanziert. Erbsenfenster werden mitten in Wintergetreideflächen auf einer 40 mal 40 Meter großen Fläche angelegt.

Die Erbsenfenster werden schon im Herbst bei der Getreideaussaat angelegt, die Erbsen aber erst im Frühjahr gesät. Es wird ein Fenster pro 5 ha angelegt. Die Erbsenfenster werden bei der Düngung und beim Pflanzenschutz ausgenommen. Bis zum 15. August müssen sie ungestört bleiben. Danach ist Mulchen oder eine andere Form der Bearbeitung erlaubt.

Erbsenfenster dienen Feldlerchen und anderen Feldvögeln als Brutflächen, da sie hier Schutz vor Prädatoren finden. Durch den langen Verbleib der Erbsen auf der Fläche kann auch die zweite und dritte Brut hochgezogen werden. Feldhasen ziehen sich ebenfalls gerne hierhin zurück. „Die Erbsenfenster sind ein Magnet für Goldammer, Feldlerche, Hasen und Schmetterlinge“, so die Wahrnehmung von Jochen Hartmann.

Blühendes Vorgewende ist praxistauglich

Der Landwirt schätzt eine weitere Maßnahme des Projekts: Das blühende Vorgewende. Das Vorgewende wird mit einer kleinkörnigen Leguminosen-Mischung aus mindestens vier Arten eingesät, zum Beispiel verschiedene Kleearten und Esparsette. Auf Düngung und Pflanzenschutzmittel wird verzichtet, das Vorgewende kann aber bei der Bearbeitung der Flächen befahren werden und darf erst ab September umgebrochen werden.

Es kann aber auch mehrere Jahre bestehen bleiben. Bestäuber, Feldvögel und Amphiben finden im blühenden Vorgewende reichlich Nahrung. „Eine tolle Maßnahme, die sich auch gut bei Kartoffeln oder Zuckerrüben umsetzen lässt. Wir können beispielsweise die Beregnung dort aufbauen. Durch das Befahren werden Strukturen gewalzt, andere Bereiche bleiben aber unberührt. Die Vielfalt an Strukturen bietet den Insekten Vorteile“, meint Hartmann.

Extensivgetreide und blühende Untersaaten

Schilder an den Feldern klären Spaziergänger auf, wie die Artenvielfalt gefördert wird.

Foto: Brammert-Schröder

Zwei weitere Maßnahmen, die Jochen Hartmann ausprobiert hat und die auf seinem Standort gut funktionieren, sind Extensivgetreide und blühende Untersaaten in Sommergerste. Beim Extensivgetreide, in seinem Fall Roggen, wird die Aussaatstärke halbiert, indem bei der Aussaat jedes zweite Säaggregat zugemacht wird und sich folglich der Reihenabstand verdoppelt. Es wird sowohl auf eine Düngung als auch auf Pflanzenschutzmaßnahmen verzichtet. „Es hat sich nicht viel Unkraut entwickelt. Das hätte ich nicht gedacht“, berichtet Hartmann von seinen Erfahrungen. Durch die weite Reihe werden zudem bessere Brutbedingungen für Feldvögel geschaffen.

Das gilt auch für die blühenden Untersaaten in Sommergetreide, die ebenfalls in weiter Reihe mit halber Saatstärke angelegt werden. In einem zweiten Arbeitsgang wird die Untersaat, bestehend aus verschiedenen Kleesorten und Leindotter, ausgebracht. „Auch aus ackerbaulicher Sicht ist diese Maßnahme wertvoll. Wir haben einen Erosionsschutz, weil der Boden lange bedeckt ist. Und wir fördern die Bodenqualität, weil wir verschiedene Wurzelsysteme im Boden haben“, so Hartmann. Die um rund die Hälfte geringeren Erträge in beiden Kulturen werden im Projekt finanziell ausgeglichen.

Insektenwälle und Abtrag von Oberboden

Bei Jochen Hartmann wurden auch langfristige Maßnahmen angelegt: Hierzu zählen Insektenwälle und der Abtrag von Oberboden, um auf kargem Boden Lebensbedingungen für Wildkräuter und Insekten zu schaffen. Der Oberbodenabtrag an einem Wegrand war die aufwändigste Maßnahme: mit einem Bagger wurde der nährstoffreiche Oberboden abgetragen und auf den kargen Unterboden wurde eine spezielle Saatmischung ausgebracht. „Die Maßnahme wirkt sehr nachhaltig“, sagt Hartmann. Auf dem nähr-stoffarmen Boden gedeihen jetzt im zweiten Jahr heimische Wildkräuter, die ein reiches Nahrungsangebot für Insekten bieten.

Für die Insektenwälle hat der Landwirt mit dem Pflug einen rund 80 cm hohen Erdwall aufgepflügt. Wichtig ist dabei, dass die Erde von möglichst weit unten hochgeholt wird. Der auf diese Weise ans Tageslicht beförderte Unterboden ist nährstoffarm und enthält keine Samen. Dadurch soll die Fläche des Walls länger frei von Bewuchs bleiben. Von beiden Seiten des Walls hat Hartmann einen drei Meter breiten Blühstreifen als Puffer und Nahrungshabitat für die Insekten angelegt. „Wir haben im Frühjahr insgesamt 1,5 ha Insektenwälle an verschiedenen Standorten angelegt. Der längste ist 650 m lang“, berichtet Hartmann.

Die Insektenwälle, auch Beetle banks genannt, bieten Laufkäfern und anderen Insekten wichtige Lebensräume. Durch die Blühstreifen an beiden Seiten gibt es reichlich Nahrung und Deckung, so dass sich auch Vögel wie Rebhühner dort zum Brüten niederlassen und Hasen die Strukturen nutzen. „Wir haben die Insektenwälle entweder zwischen zwei Feldern angelegt oder aber in der Mitte des Feldes platziert. Sie reichen aber nicht bis an den Rand, sodass wir das Vorgewende weiterhin durchgehend bewirtschaften können“, erklärt er.

„Das Ziel ist es, zusätzliche und vielfältige Randstrukturen zu schaffen.“ Durch die Anlage des Erdwalls entstehen kleinstrukturierte Lebensräume mit optimalem Mikroklima, die auch einen Rückzugsort zur Ãœberwinterung für Insekten und Spinnen bieten.

Zusammenarbeit mit Naturschutz und Wissenschaft auf Augenhöhe

Die blühende Untersaat in Sommergerste ist eine der Maßnahmen, die auf den Flächen von Jochen Hartmann gut funktionieren.

Foto: Brammert-Schröder

Jochen Hartmann schätzt die Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern und Naturschützern im F.R.A.N.Z.-Projekt. „Sie nehmen einen gut mit. Nicht nur der finanzielle Ausgleich für die Maßnahmen ist wichtig. Wir lernen jeden Tag dazu.“ Sonst hätte er auch nicht den Mut gefunden, Blühstreifen und Insektenwälle mitten auf dem Acker anzulegen. Es passieren auch mal Fehler, nicht jede Maßnahme gelingt im ersten Anlauf. Auch das ist im Projekt kein Problem, es wird gemeinsam nach Lösungen gesucht. Dem Landwirt ist wichtig, dass es eine Diskussion und Zusammenarbeit auf Augenhöhe gibt. „Dann bin ich bereit, auch zwei bis drei Schritte mehr zu gehen als ich muss.“

Das Projekt hat das Landschaftsbild auf seinen Feldern deutlich verändert, und der Landwirt nimmt die Zunahme der Biodiversität durch die Maßnahmen war. „In den letzten drei Jahren haben wir spannende Beobachtungen gemacht. Zunächst war es so, dass immer nur eine Art dominant war. Im ersten Jahr waren es die Hummeln und Bienen, im zweiten Jahr die Käfer und im dritten Jahr die Schmetterlinge. Aber jetzt beobachten wir, dass alle Arten gleichmäßig vertreten sind. Das motiviert ungemein!“ Und auch der Fasan ist in Rettmer wieder heimisch geworden, Rebhühner und Feldhasen sind zahlreicher geworden.

Betriebsbetreuung durch die Stiftung Kulturlandpflege

Aus Sicht des Betriebsbetreuers Björn Rohloff von der Stiftung Kulturlandpflege sind die bisherigen Ergebnisse des F.R.A.N.Z.-Projektes ebenfalls sehr erfreulich. Auch wenn die Erfolge wegen der kurzen Laufzeit noch nicht beziffert werden können, steht für ihn fest: „Insgesamt hat sich die Biodiversität erhöht, schon allein deshalb, weil auf zehn Prozent der Betriebsfläche etwas für Insekten, Amphibien, Käfer, Feldvögel und Niederwild getan wird.“

Drei Maßnahmen hebt Rohloff besonders hervor: Feldvogelinseln, unter die auch die Erbsenfenster fallen, den Insektenwall und den Oberbodenabtrag. „Die Erbsenfenster haben eine gute Größe und bieten für mehrere Feldlerchenreviere Platz. Auch die Schafstelze fühlt sich dort wohl.“ Bei den Insektenwällen, die erst vor einem halben Jahr angelegt wurden, hat Rohloff schon rege Betriebsamkeit der Insekten in Form von Bohrlöchern im Boden ausgemacht. Sie finden an der sonnigen Wallseite perfekte Ãœberwinterungsbedingungen vor, und der angrenzende Blühstreifen bietet nach dem Schlupf im Frühjahr ausreichend Nahrung.

„Auch der Oberbodenabtrag ist eine spannende Maßnahme. Einmal angelegt, hat sie eine längerfristige Wirkung. Schon im ersten Jahr haben wir ein Blütenmeer mit Schafgarbe und Wilder Möhre gesehen“, freut sich Rohloff. Er ist davon überzeugt, dass diese Maßnahme auch gut von Kommunen umzusetzen ist. Das F.R.A.N.Z.-Projekt ist auf zehn Jahre angelegt.

Öffentlichkeitsarbeit für den Artenschutz

Längst hat sich der Biodiversitätsgedanke auf andere Bereiche des Betriebes Hartmann übertragen. „Die blühende Untersaat in Braugerste zum Beispiel hat uns so gut gefallen, dass wir sie jetzt auch in den normalen Beständen mit Düngung ausprobiert haben“, sagt Hartmann. Mit Erfolg, wie er berichtet. Der Leindotter habe die Getreidepflanzen gestützt, der Minderertrag von 3 bis 4 dt/ha sei hinnehmbar. Feldränder werden nicht mehr gemulcht, es muss nicht mehr „ordentlich“ aussehen. Schilder an den Feldern weisen auf die Maßnahmen hin und klären Spaziergänger auf, wie die Artenvielfalt gefördert wird.

Auch beim Pflanzenschutz hat Jochen Hartmann den Schutz der Arten im Hinterkopf, wenn er überlegt, ob er beispielsweise ein Insektizid gegen Blattläuse eingesetzt. „Ich sehe auch die Nützlinge und lasse schon mal eine Maßnahme weg“, so Hartmann. Auch wenn er dadurch möglicherweise auf den Höchstertrag verzichtet. „Wir Landwirte müssen mehr in Systemen denken und bereit sein, die Biodiversität zu fördern.“ Davon könne man in vielerlei Hinsicht profitieren. „Probiert es einfach mal aus“, gibt er den Landwirten mit auf den Weg, die er ebenso wie Politiker, Naturschützer und Wissenschaftler regelmäßig auf den Hof einlädt.

Imke Brammert-Schröder – LW 49/2020