Projekt zu vielfältigen Agrarlandschaften

Ãœber 300 „Partnerbetriebe Naturschutz“ in Rheinland-Pfalz

„Naturschutz in den Betriebsablauf einbeziehen – Rheinland-Pfalz sucht neue Partner-Betriebe“, so lautete der Aufruf im Mai 2010 als unter anderem auch in einer Ausgabe des Landwirtschaftlichen Wochenblatts das erste Bewerbungsverfahren zur Teilnahme am „Partnerbetrieb Naturschutz“ bekanntgegeben wurde. Was in den Jahren zuvor als Projekt begann, wurde zu einer kleinen Erfolgsgeschichte.

Hier wurde von einem „Partnerbetrieb Naturschutz“ nicht nur ein Streifen, sondern direkt eine größere Fläche mit einer Blühmischung eingesät.

Foto: Lehr

In den letzten Jahren haben sich in weiteren Bewerbungsverfahren insgesamt 440 Betriebe um die Teilnahme am Beratungskonzept „Partnerbetrieb Naturschutz“ beworben. Die Bereitschaft bei Landwirten und Winzern, das Thema Naturschutz und Biodiversität innerhalb der Agrarlandschaft zu fördern, ist sehr groß und gewinnt immer mehr an Bedeutung.

Die Koordinierungsstelle am DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück gibt im Folgenden anhand einiger Beispiele einen Einblick in das vielfältige Engagement der Partnerbetriebe, die an dieser Stelle mit gutem Beispiel voran gehen.

Eine betriebsindividuelle Beratung macht den Anfang

Im Anschluss an ein Bewerbungsverfahren erhalten die interessierten Betriebe durch ein Beratungsteam, bestehend aus Vertragsnaturschutz- und DLR-Beratung eine betriebsindividuelle Beratung. Gemeinsam entwickelt die Betriebsleitung im Dialog mit dem Beratungsteam dabei eine Naturschutzstrategie für den eigenen Betrieb. Dazu werden Maßnahmen vereinbart, durch deren Umsetzung ein Mehrwert für den Naturschutz in der Region generiert wird und die den Betrieb daher als Partnerbetrieb Naturschutz auszeichnen.

Allerdings ist hier nicht nur der Mehrwert für die Region entscheidend – es muss auch in den Betriebsablauf passen und ein Mehrwert für den Betrieb erkennbar sein. Ob es sich um einen monetären oder ideellen Mehrwert handelt ist nicht ausschlaggebend. Im Partnerbetrieb Naturschutz sollen beide Seiten profitieren – Naturschutz und Landwirtschaft. Dies zeichnet das Beratungskonzept aus und macht es seit zehn Jahren so erfolgreich.

254 anerkannte Betriebe in Rheinland-Pfalz

Derzeit gibt es 254 anerkannte Partnerbetriebe Naturschutz in Rheinland-Pfalz, wovon 24 erst kürzlich (Anfang November) ihre Anerkennungsurkunde durch das Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten RLP erhalten haben. Bis zum Frühjahr 2021 werden weitere Anerkennungen der Bewerber aus dem Jahr 2019 folgen, sodass dann mit über 300 anerkannten Partnerbetrieben Naturschutz zu rechnen ist. Und alle von ihnen leisten individuell nach ihren Möglichkeiten einen bedeutenden Beitrag zur Förderung der Artenvielfalt in der Kulturlandschaft von Rheinland-Pfalz.

Biodiversität auf Ackerflächen

Beispielsweise gibt es bei der Bewirtschaftung von Ackerflächen inzwischen diverse Möglichkeiten, die Biodiversität zu fördern. Dabei Bedarf es oft nur kleiner Veränderungen in der Bewirtschaftung oder Hinweisen im Beratungsgespräch, um die Besonderheiten auf den eigenen Betriebsflächen zu erkennen und mit gezielten Maßnahmen zu fördern.

Durch ein kurzes ausheben oder abschalten der Sämaschine (für ca. 20 m²) bei der Getreideaussaat, können kleine Freiflächen im Bestand angelegt werden, sogenannte Lerchenfenster. Sie dienen Bodenbrütern, zu denen auch die Feldlerchen zählen, als Anflugschneise. In den angrenzenden, eher dicht bewachsenen Getreidebeständen suchen sie sich anschließend einen Brutplatz und begeben sich im Umfeld auf Nahrungssuche.

Durch die Anlage eines Blühstreifens in unmittelbarer Nähe können die Tiere bei ihrer Nahrungssuche unterstützt werden. Natürlich gibt es auch bei den Blühstreifen Unterschiede, sodass hier jeder Betrieb im Dialog mit der Beratung entscheidet, welche Blühstreifenvariante in seinen Bewirtschaftungsablauf und zu seinem Betriebsflächen passt.

Anlage von einjährigen und mehrjährigen Blühstreifen

Teilflächenbewirtschaftung in der Pfalz – hier werden Futterpflanzen für einen seltenen Schmetterling erst später gemäht.

Foto: Keller

Da mehrjährige Blühstreifen meist etwa drei bis fünf Jahren auf der gleichen Fläche bestehen bleiben, bieten sie nicht nur im Frühjahr und Sommer Nahrung für blütenbesuchenden Insekten, sondern fungieren auch in den Wintermonaten als Deckung, beispielsweise für Niederwild. Um die Strukturvielfalt und Blühaspekte in dieser Blühstreifenvariante zu erhalten, wird eine Pflege (mähen oder mulchen im Spätsommer) empfohlen. Damit noch genügend Rückzugsmöglichkeiten für die Wintermonate erhalten bleiben, sollten dabei jedoch maximal 50 bis 70 Prozent der Flächen gepflegt werden.

Einjährige Blühmischungen, weisen zwar meist ein höheres Blühangebot auf, müssen allerdings jährlich neu eingesät werden; dadurch können sie andererseits nach Bedarf mit der Fruchtfolge rotieren. Sowohl für die mehrjährigen, als auch für die einjährigen Blühstreifen gibt es in Rheinland-Pfalz über das EULLa Programm „Saum- und Bandstrukturen im Ackerbau“ Möglichkeiten zur Förderung. Natürlich ist auch die Anlage ohne jegliche Förderung oder als Greening-Maßnahme möglich. Welche Variante der Betrieb umsetzt, wird gemeinsam mit dem Beratungsteam erörtert.

Tierische Landschaftspfleger auf unwegsamem Grünland

Aber nicht nur auf Ackerflächen gibt es inzwischen zahlreiche Möglichkeiten, die Biodiversität zu steigern und Artenvielfalt zu fördern, auch auf den Grünlandflächen sind rheinland-pfälzische Landwirte für den Naturschutz aktiv. Häufig sind es die feuchten Bachtäler oder steile, unebene Flächen, die nur eingeschränkt oder auch gar nicht mit Maschinen zu befahren sind und daher mit Hilfe von tierischen Landschaftspflegern offengehalten werden. Schwarzkopfschafe, Merinoschafe, Burenziegen, Tauernschecken, Highland- oder Galloway-Rinder, Taurusrinder oder Konik-Pferde – die Liste der der tierischen Landschaftspfleger ist lang und bietet somit ausreichend Möglichkeiten, die geeignete Tierart für den eigenen Betrieb zu finden.

Ergänzt um ein individuelles Beweidungskonzept mit geringen Besatzdichten, leisten die Tiere einen wichtigen Beitrag zur Offenhaltung der Kulturlandschaft. Wertvolle, extensiv genutzte Grünlandstandorte können somit ausgeweitet werden. Denn ohne dieses Engagement würden immer mehr Flächen, auf denen eine maschinelle Bewirtschaftung nicht möglich ist, verbuschen oder brach fallen.

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken setzen die Partnerbetriebe Naturschutz sogar an den Steil- und Steilsthängen an Rhein und Mosel immer mehr Schafe und Ziegen zur Offenhaltung ein. Einige Betriebe haben sich auch komplett auf die Bewirtschaftung dieser schwer zugänglichen Flächen spezialisiert. So auch ein Wanderschäfer im Landkreis Cochem-Zell, der dort seit dem Frühjahr 2019 mit 250 Fuchsschafen unterwegs ist, um Biotopflächen, Weinbergsbrachen und unbewirtschaftete Flächen freizuhalten.

Maßnahmen auf extensivem Grünland

Einen Beitrag für den Naturschutz leisten die Landwirte/innen nicht nur auf den schwer zu bewirtschaftenden Flächen. Auch Flächen, die überwiegend gemäht werden, sind bei extensiver Bewirtschaftung – maximal zwei Schnitte pro Jahr und wenig bis gar keine Düngung – wertvolle Hotspots für die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft. Dort findet man unter anderem Pflanzen, wie den kleinen und großen Wiesenknopf, Margeriten, Glockenblumen, Schafgarbe, oder Besonderheiten wie Orchideen. Sie bieten Lebensraum für Heuschrecken, Tagfalter und blütenbesuchende Insekten.

Um diese wertvollen Lebensräume zu erhalten, ist es manchmal in einem Beratungsgespräch zum Partnerbetrieb Naturschutzberatung bereits ausreichend, auf diese Besonderheiten hinzuweisen. Nur wenn Landwirte und Winzer die „Schätze auf ihren eigenen Flächen“ kennen, können sie diese erhalten und weiter fördern.

Daraufhin hat beispielsweise auch ein Landwirt auf einer Fläche (siehe Foto unten) in der Pfalz seine Be­wirtschaftung angepasst: Ein Teil der Fläche (rechts im Bild) bleibt bei der Mahd zunächst stehen. Dort wächst die Futterpflanze für einen seltenen Schmetterling, weshalb dieser Flächenabschnitt erst später gemäht wird. Durch das EULLa Programm „Vertragsnaturschutz Grünland – Artenreiches Grünland mit dem Zusatzmodul Teilflächenbewirtschaftung“, wird diese Leistung für den Naturschutz honoriert.

Futterflächen gestaffelt abmähen

Die hier beschriebene Teilflächenbewirtschaftung auf einer Einzelfläche lässt sich auch auf die gesamten Grünlandflächen im Betrieb übertragen. Durch eine gestaffelte Grünlandmahd, sind immer wieder an unterschiedlichen Standorten Futterpflanzen für blütenbesuchenden Insekten vorhanden, ohne dass alles zeitgleich gemäht wird.

Darüber hinaus kann in Regionen, in denen nur wenige Grünlandflächen vorzufinden sind, durch die Umwandlung von Ackerland in Grünland oder artenreiches Grünland die Biodiversität gesteigert werden. Auch dafür gibt es entsprechende Förderprogramme in Rheinland-Pfalz. Die ausführlichen Programmvorgaben können unter www.agrarumwelt.rlp.de nachgelesen werden.

Auch Obstbau- und Rebflächen sind geeignete Standorte

Partnerbetrieb Naturschutz können nicht nur Betriebe werden, die Ackerland oder Grünlandflächen bewirtschaften. Ebenso ist der Obstbau und Weinbau in diesem Beratungskonzept von Bedeutung. Besonders in den Bewerbungsverfahren 2017 und 2019 haben sich zahlreiche Winzer und Winterinnen beworben. Denn gerade Rebflächen, egal ob in Rheinhessen, der Pfalz oder an den Steilhängen der Mosel sind ein wertvoller und sehr vielfältiger Lebensraum für außergewöhnliche, wildlebende Tiere und Pflanzen. Hier wachsen beispielsweise seltene Moose und Flechten. Außerdem sind Mauereidechsen und einige Wildbienen in den Weinbergen zu Hause.

Naturschutzfachliche Highlights erkennen und schützen

Schafen und Ziegen gelingt es selbst schwer zugängliche Flächen freizuhalten. Hier sind die Tiere im Landkreis Daun im Einsatz.

Foto: Weber

Nicht selten sind es in den Weinbergsflächen im wahrsten Sinne des Wortes die Kleinigkeiten, wie beispielsweise das Zwerggras (Mibora minima), die sich als naturschutzfachliches Highlight des Betriebes herausstellen. Ohnehin ist das Bewusstsein über die Notwendigkeit gesunder Böden zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität, ganz besonders bei den Partnerbetrieben Naturschutz spürbar.

Vor diesem Hintergrund werden auch Themen wie Bodenpflege und die Wahl einer geeigneten Rebzeilenbegrünung immer häufiger zum Bestandteil des Beratungsdialogs. Denn auch durch die Anlage einer artenreiche Herbst-/Winterbegrünungen oder Dauerbegrünungen in den Weinbergen, kann ein Mehrwert sowohl für den Naturschutz als auch den Weinbau geschaffen werden.

Dies gilt ebenso für die Vorgewende und Randbereiche der Weinberge. Nicht überall muss dazu zwangsläufig eine Saatgutmischung ausgebracht werden. Es ist ebenso wichtig, die am Standort natürlich vorkommende Wildflora zu fördern, indem beispielsweise nur jede zweite Gasse mit einer Begrünungsmischung eingesät wird. Somit kann sich in den anderen Gassen die natürliche Standortflora entfalten, und typische Weinbergsgeophyten (=Zwiebelgewächse) wie Weinbergstulpen, Doldiger Milchstern und Weinbergs-Traubenhyazinthen treten in Erscheinung.

Obstflächen bieten verschiedene Lebensräume

Eine weitere Besonderheit für die Artenvielfalt sind neben den Weinbauflächen die Obstanlagen und Streuobstwiesen die nur noch in wenigen Regionen von Rheinland-Pfalz die Landschaft prägen. Daher ist es umso bedeutsamer, diese weiterhin zu erhalten. Besonders wenn die Flächen rund um die Obstanlagen jährlich bewirtschaftet werden und sich somit die Umgebung ständig verändert, sind die Obstflächen ein beständiger Rückzugsort für viele Arten.

Obstflächen bieten verschiedene Lebensräume auf engem Raum, da sie Säume, Wiesen, offene Bereiche und Bäume vereinen. Die „Partnerbetriebe Naturschutz“ fördern diesen abwechslungsreichen Lebensraum zusätzlich durch die Anlage von heimischen Wildkräutern in den Fahrgassen, das Pflanzen von Kleinsträuchern am Anfang und Ende der Baumreihen oder das Anbringen von Nisthilfen für Wildbienen und Vögel.

Das rheinland-pfälzische Projekt „Partnerbetrieb Naturschutz“ ist ein Beratungskonzept wie es vielfältiger nicht sein könnte. Es lebt durch die Individualität der Betriebe und die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Betrieben und Beratern. Denn meist ist es der Blick von außen auf die eigene Betriebsstruktur, der die Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter in ihrer täglichen Arbeit bestärkt, die naturschutzfachlichen Besonderheiten in den Fokus rückt und ihr Engagement in und mit der Natur würdigt.

Weitere Informationen zum „Partnerbetrieb Naturschutz“ gibt es unter www.partnerbetrieb-natursch....

Katharina Metternich, Koordination Partnerbetrieb Naturschutz, DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück – LW 49/2020