Das Kartoffellegen nicht am Kalender ausrichten
Was ist beim Kauf von Pflanzkartoffeln zu beachten?
Der Anbau von Kartoffeln hat sich oft in spezialisierten Profibetrieben etabliert. Diese erwarten einwandfreies Pflanzgut. Meistens wird solches geliefert. Worauf bereits bei der Anlieferung geachtet werden sollte, wie mit dem Pflanzgut nach der Lieferung zu verfahren ist und welche Mängel eine Reklamation rechtfertigen, erklärt Willi Thiel von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Anerkennungsstelle für Saat- und Pflanzgut.
Mit der Neufassung der Pflanzkartoffelverordnung kommen auf die Pflanzgutwirtschaft neue Herausforderungen, aber auch neue Chancen hinzu. Dazu gehören einerseits, dass im Virusbereich nur noch zwischen krank und gesund unterschieden wird, was zum einen eine gewisse Verschärfung der Virusnorm mit sich bringt, aber zum anderen auch eine weitere Verbesserung der Pflanzgutqualität bedingt. Die Qualität der Pflanzgutknollen soll durch die Hinzunahme von weiteren Parametern wie die Beurteilung auf Rhizoctonia-Sklerotien (Rhizoctoniapocken), Pulverschorf und turgorschwaches Knollenmaterial (schrumpelige Knollen) weiter gefördert werden. Der Pflanzgutkäufer kann sich freuen, weil der hohe Qualitätsstandard von deutschem Pflanzgut durch diese gesetzlichen Vorgaben noch weiter unterstützt und gefördert wird. Der Käufer ist aber auch selbst gefordert, durch einen sachgemäßen Umgang mit dem gekauften Pflanzgut, die Qualität des Produkts zu erhalten. In diesem Sinne soll dieser Leitfaden auch einen Beitrag leisten, berechtigte Forderungen zu unterstützen und überzogene Forderungen zu minimieren.Was ist beim Empfang der Kartoffeln zu beachten?
Die Pflanzkartoffeln werden teilweise in Jutesäcken (25 oder 50 kg) geliefert, mittlerweile aber auch häufig in Big Bags (bis 1250 kg), oder auch lose in Kisten, oder lose im LKW, angedient. Neben dem Prüfen der Dokumente ermöglicht eine erste Inaugenscheinnahme vor dem Entladen einen ersten allgemeinen Eindruck.
Kontrolle der Dokumente
- Ist die Ware korrekt verschlossen, ist ein Etikett vorhanden, sind die Behältnisse in Ordnung (keine beschädigten Behältnisse)?
- Ist das Transportmittel sauber?
- Stimmen die Angaben auf dem Lieferschein, dem Begleitschein, auf der Rechnung und dem Etikett überein?
Folgende Angaben sollten vorliegen:
- Lieferdatum/Verladedatum
- Liefermenge (evtl. Wiegekarte)
- Sortenbezeichnung, Kategorie (Basis, Z), Klasse (Basis: S, SE, E; Z: A, B)
- Anerkennungsnummer Sortierung
- Kennzeichen des Transportmittels (zum BeispielMotorwagen, Anhänger)
- Lieferant Unterschrift
- Etikett
Allgemeiner Eindruck der Beschaffenheit der Ware; zu achten ist vor der Entladung auf:
- Fremdgeruch (und Fremdgeschmack)
- abnorme Feuchtigkeit an den Knollen
- Keime
- Einhaltung der angegebenen Größensortierung (Grenzwerte siehe Anlage 5 PflKartV)
- dunkle Ware oder anhaftende Erde können Mängel verdecken Beimengungen
Dazu sind auch einzelne Säcke zu öffnen und möglichst auch aus einer Tiefe bis 40 cm Knollen zu entnehmen. Gleiches gilt bei lose angelieferter Ware. Die entnommenen Knollen sind dann genau anzuschauen und einige Knollen durchzuschneiden. Entsteht hier der Eindruck, dass in größerem Ausmaß Mängel vorhanden sind, dann sollte eine Reklamation eingeleitet werden (siehe hinten). Sind die gelieferten Pflanzkartoffeln augenscheinlich in Ordnung, kann die Entladung beginnen beziehungsweise fortgesetzt werden.
Lagerung und Behandlung gelieferter Pflanzkartoffeln
Je nach Verwendungszweck, ob die Kartoffeln in Keimstimmung gebracht oder vorgekeimt werden sollen oder nicht, sind die gelieferten Knollen in geeigneten Räumlichkeiten vorzubereiten beziehungsweise zu lagern. Denn Kartoffeln atmen und brauchen dafür ausreichend Sauerstoff. Deshalb sind sie möglichst schnell nach der Anlieferung aus den Jutesäcken zum Beispiel in Großkisten zu entleeren. Big Bags sind nur dann für eine längere Zwischenlagerung geeignet, wenn sie ausreichende Lüftungsschlitze aufweisen. Gleichzeitig sollte in den Räumlichkeiten eine gleichmäßige Temperatur herrschen, um Kondensation an den Pflanzkartoffeln zu vermeiden. Nicht zu vergessen ist, dass Kartoffeln selbst Wärme produzieren und so regelmäßig ein Luftaustausch auch zum Kühlen erforderlich ist.
Auf einen Blick
Geliefertes Pflanzgut sofort kontrollieren und vorhandene Mängel sachgerecht ansprechen und realistisch einstufen. Bei Reklamationen Berliner Vereinbarung (BV) beachten:
- gütliche Einigung zwischen den Parteien ist meist erstrebenswert
- ist keine gütliche Einigung möglich: Rügefristen bei Mängelarten (offene, verdeckte, geheime Mängel) sind wichtig; Schadensminderungspflicht beachten; Sachverständiger ist zu benennen; Benennungsstelle: Deutscher Kartoffelhandelsverband, Berlin
Angeforderte Gutachten sind gebührenpflichtig. Mögliche Rechte/Ansprüche bei begründeter Bemängelung: Annahmeverweigerung; Ersatzlieferung; Schadensersatz, wenn Nacherfüllung nicht möglich oder Ersatz vergeblicher Aufwendungen. In der BV sind privatrechtliche Belange Gegenstand. Öffentlich-rechtliche Aspekte werden zum Beispiel durch die Pflanzkartoffelanerkennung im Rahmen der Pflanzkartoffelverordnung (PflKart -V) durch die Anerkennungsstellen in Deutschland wahrgenommen. Deshalb sind die Anerkennungsstellen oder die regionalen Landwirtschaftsämter nicht die richtigen Stellen in Reklamationsfragen. Zu berücksichtigen ist, dass bei unberechtigten Reklamationen, die über ein entsprechendes Sachverständigengutachten zurückgewiesen werden, die nicht unerheblichen Begutachtungsgebühren beim Reklamierenden verbleiben.
ThielGezielte Vorbereitung des Pflanzgutes
Rechtzeitig vor dem Legen sollte man sich aber auch Gedanken über eine gezielte Vorbereitung des Pflanzgutes machen. Spezialisierte Frühkartoffelanbauer stellen ihr Pflanzgut bereits sehr früh in Vorkeimkisten auf, um über eine möglichst sortenspezifische Temperatur- und Lichtführung in besonders hergerichteten Vorkeimräumen die Ausbildung stabiler Lichtkeime zu fördern. Aber auch das Pflanzgut für die Haupternte sollte gezielt vorbereitet werden. Das Pflanzgut sollte rechtzeitig vor dem geplanten Pflanztermin bezogen werden, um ausreichend Zeit für eine optimale Vorbereitung zu haben. Hier bietet sich das Keimstimmen des Pflanzgutes an. Dazu werden die Pflanzknollen gezielt für einige Tage durch Zufuhr von Warmluft erwärmt (innerhalb von zwei bis drei Tagen Knollentemperatur 12 bis 15° C anstreben) oder nach draußen in die Sonne gestellt. Mit kalten Temperaturen kann die Wachstumsgeschwindigkeit der Keime verlangsamt, aber nicht mehr gestoppt werden. Ziel sind stecknadelkopfgroße Keime. Deshalb sollte bei der Zeitplanung neben der langjährigen Erfahrung auch immer die Wetterbedingungen des aktuellen Frühjahrs mit berücksichtigt werden. Das Kartoffellegen ist nicht am Kalender, sondern an der Feuchtigkeit, Temperatur und Struktur des jeweiligen Bodens auszurichten.
Knollen sollten wie rohe Eier behandelt werden
Als wasserreiches, vegetatives Pflanzenorgan sind Kartoffeln allgemein sehr empfindlich, was Verletzungen betrifft und sollten wie rohe Eier behandelt werden. Jede Verletzung, jede Beschädigung stellt eine potenzielle Eintrittspforte für pilzliche und bakterielle Schaderreger dar und davon gibt es eine Vielzahl, die die Kartoffeln heimsuchen können. Deshalb sollten auch die Pflanzkartoffeln beim Befüllen der Legemaschinen möglichst schonend und über geringe Fallhöhen in den Bunker gelangen. Wenn Kartoffeln auf Kartoffeln fallen, sind 1 m Fallhöhe das Maximum, während beim Auftreffen auf den Blechboden des Legemaschinenbunkers schon mehr als 25 cm zu viel sind.
Die Kartoffelknolle lebt, sie atmet. Schließlich sollen aus den vorhandenen Seitensprossen, gemeinhin „Augen“ genannt, kräftige Pflanzenstängel und Wurzeln hervorgehen. Die Kartoffelknolle ist also ständigen Veränderungen im Laufe der Zeit unterworfen. Feststeht, dass die Qualität der Knollen im Laufe der Zeit nie besser wird. Es geht also darum, diese Prozesse der Veränderungen so schonend wie möglich zu gestalten. Feststeht weiterhin, dass Mängel, die bei diesem Produkt naturgemäß vorhanden sein können, nicht im Laufe der Zeit verschwinden. Gerade bei unsachgemäßer Behandlung und Zwischenlagerung können auch Welkeprozesse stark gefördert werden. Deshalb muss der Käufer die gekaufte Ware umgehend kontrollieren und, wenn er den Eindruck gewinnt, dass das Maß an zulässigen Mängeln überschritten ist, auch unverzüglich reagieren und entsprechende Schritte einleiten. Dazu ist aber es erforderlich, dass alle Beteiligten, also Verkäufer und Käufer, mit Augenmaß und Sachlichkeit vorhandene Mängel einordnen und bewerten können. Überzogene Forderungen sind hier genauso wenig hilfreich, wie schlechtes Reklamationsmanagement.
Sonderfall geschrumpelte Knollen (shrivelled tubers)
Dieser neue Parameter resultiert aus der seit Jahren geführten Diskussion rund um die Thematik „Silberschorf“. Seitdem nahezu sämtliche Speiseware nur noch gewaschen angeboten wird, tritt scheinbar immer mehr Silberschorf auf. Diese pilzliche Erkrankung, die häufig während der Lagerung zunimmt, führt im Laufe der Zeit durch die gegebene Verletzung der äußeren Schichten der Schale (Epidermis) zu einer Erhöhung der natürlichen Wasserabgabe und kann damit Turgeszenzverluste der Knolle mit Welkeerscheinungen begünstigen.
Davon können natürlich auch Pflanzkartoffeln betroffen sein, wobei ein gewisser Wasserverlust der Kartoffel auch bei optimaler Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsführung im Lager auch ohne Erkrankungen normal ist, da die Knolle lebt und später auch keimen soll. Nachgewiesen ist auch, dass ein massiver Silberschorfbefall an den „Kartoffelaugen“ Triebkraft und Keimfähigkeit negativ beeinflusst und zwar umso gravierender, je stärker der Befall ausgeprägt ist und insbesondere je mehr Augen betroffen sind. Den Silberschorfbefall direkt berücksichtigen allerdings weder die EU-Richtlinien noch die PflKartV. Hier wurde als leicht sichtbares Kriterium „Schrumpelung“ gewählt. Die Eignung dieses Kriteriums als Gradmesser für eine mehr oder weniger stark beeinträchtigte Triebkraft und Keimfähigkeit ist nur äußerst eingeschränkt gegeben, da es bestenfalls nur einen sehr losen Zusammenhang gibt, der wissenschaftlich und aus Erfahrungswerten heraus nicht fundiert belegt werden kann. Dies möge sich auch der Käufer bei Reklamationen wegen verschrumpelter Knollen sehr genau vor Augen führen.
Anerkennung bezieht sich auf Verladezeitraum
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch noch darauf, dass in der Pflanzkartoffelverordnung gerade bei diesem Kriterium auch ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass die Angaben für die Anerkennung sich auf den Zeitpunkt der Beschaffenheitsprüfung- hier Bonitur auf weitere Knollenkrankheiten, und äußere Mängel bezieht. Diese erfolgt zeitnah zur Verladung. Dem Aufbereiter können keine Gewährleistungen abverlangt werden, für von ihm nicht zu verantwortende und beeinflussbare Veränderungen des Knollenmaterials hinsichtlich der Turgeszenz, die sich im Laufe der Handelswege oder der Zwischenlagerung im Laufe von mehreren bis vielen Wochen ergeben können, insbesondere wenn zwischenzeitlich unzweckmäßige Handhabungen des Materials zum Tragen kommen. Weiterhin zeigt die Erfahrung, dass gesunde Knollen auch mit Welkeerscheinungen meist noch über eine hinreichende Triebkraft und Keimfähigkeit verfügen. Bei konsequenter Herangehensweise hätte der Gesetzesgeber als Grenzwert einen zu definierenden Besatz der Knollenoberfläche für Silberschorf in Analogie zu Kartoffelschorf oder Rhizoctoniapocken festlegen sollen. Damit wäre eher eine Beziehung Krankheitsbefall/Minderung der Keimfähigkeit gegeben.
Reklamation bei Kartoffelpflanzgut

Foto: Tschentscher, lwk
Ablauf bei Reklamationen von Pflanzkartoffeln
Zeigen die Pflanzkartoffeln Mängel in einem Umfang, der zur Reklamation Anlass gibt, ist es außerordentlich wichtig, dass sachgerecht vorgegangen wird, damit die Reklamation erfolgreich sein kann. Der erste Schritt ist immer, dass der Verkäufer informiert wird, damit sich dieser vor Ort einen Eindruck verschaffen kann. Ist keine gütliche Einigung möglich, sollte konsequent der Weg nach BV, wie im Folgenden beschrieben wird, beschritten werden. In den BV werden verschiedene Mängelarten, nämlich offene, versteckte und geheime (verborgene) Mängel unterschieden: Offene Mängel sind Mängel der Güte und Beschaffenheit der Ware, die bis zu etwa 40 cm Ladungstiefe bei sorgfältiger Prüfung oder durch Schnittprobe sofort erkennbar sind. Derartige Mängel sind im Regelfall vor der Entladung zu rügen.
Verdeckte Mängel sind Mängel der Güte und Beschaffenheit, die sich erst im Laufe der Entladung in den unteren Schichten von mehr als etwa 40 cm zeigen oder dort wesentlich stärker auftreten. Bei loser Ware und Beanstandungen muss sich diese noch auf dem Transportmittel befinden. Geheime Mängel (verborgene Mängel) sind bei Pflanzkartoffeln Mängel der Sortenechtheit, Sortenreinheit, Gesundheit, Keimfähigkeit, soweit diese vom Verkäufer zu vertreten sind, die sich erst im Winterlager, bei der Vorkeimung oder während des Wachstums im Feldbestand feststellen lassen. Kommt es zur Rüge, müssen bestimmte Fristen eingehalten werden. Mängel müssen umgehend und geheime Mängel sofort nach erkennbar werden, gerügt werden. Die Ware sollte also bereits bei der Anlieferung gründlich in Augenschein genommen werden. Bei begründeter Bemängelung kann die Annahme verweigert werden, eine Ersatzlieferung gefordert oder in bestimmten Fällen auch Schadensersatz geltend gemacht werden.
Sachverständige und Begutachtung
Ein Gutachten kann nur nach Benennung eines Sachverständigen durch die Benennungsstelle durchgeführt werden. Eine Befangenheit des Gutachters muss ausgeschlossen werden können. Die Details zur Begutachtung, zu Probenmengen, zu relevanten, rügefähigen Mängeln und deren Grenzwerte sind in den BV niedergelegt und sind dem Sachverständigen bekannt. Hinzuweisen ist darauf, dass auftretende Mängel, die sich im Rahmen der gesetzlichen Grenzwerte bewegen, ohne Minderung toleriert werden müssen. Überdies bleiben leichte Mängel unberücksichtigt. Erst wenn die Grenzwerte überschritten werden, kann Minderung verlangt werden oder bei deutlichen Überschreitungen der Werte, die Ware geweigert werden. Beispiel Trockenfäule: Knollen mit Anzeichen von Trockenfäule (nicht verwechseln mit Nassfäule) werden, unabhängig vom Ausmaß und vom Erreger (Braunfäule, Hartfäule oder Weißfäule, Schüsselkrankheit), erfasst und gewogen. Bis zu einem Gewichtsanteil von 0,5 Prozent wären diese zu tolerieren (Nassfäule 0,2 Prozent). Erst bei mehr als 0,5 Prozent trockenfaulen Knollen kann eine Minderung geltend gemacht werden und bei mehr als 6 Prozent trockenfaulen Knollen (Nassfäule über 4 Prozent) kann das Pflanzgut geweigert werden.
Benennungsstelle und Gebühren
Benennungsstelle für Kartoffelsachverständige ist der „Deutsche Kartoffelhandelsverband“ in Berlin, also nicht die Kammern oder Landesanstalten (Deutscher Kartoffelhandelsverband DKHV, Schumannstr. 5, 10117 Berlin, 030/664058-51, Fax: -53, E-Mail: info@dkhv.org). Die Anforderung einschließlich Benennung eines Gutachters ist mit Gebühren belegt, die sich aus einer Begutachtungsgebühr (180 Euro), Zeitvergütung (45 Euro/h), Fahrtkosten (0,30 Euro/km) und der Benennungsgebühr (90 Euro) zusammensetzt. Die Kosten trägt zunächst der Auftraggeber des Gutachtens. Er erhält die Rechnung vom Sachverständigen für das Gutachten und von der Benennungsstelle für die Benennung des Sachverständigen. Wie üblich hat letztlich derjenige die Gebühren zu tragen, der in einem gegebenenfalls folgenden Schiedsgerichtsverfahren unterliegt. Auch vor diesem Hintergrund sollte eine Reklamation mit eingeforderter Begutachtung unbedingt fundiert sein.
– LW 9/2017