Es kommt noch einiges auf die Landwirte zu

Neue und künftige rechtliche Regelungen für die Düngung

Nach jahrelangen, kontrovers geführten Diskussionen traten Anfang Mai 2017 das geänderte Düngegesetz (DüngG) und Anfang Juni 2017 die neue Düngeverordnung (DüV) in Kraft. Schließlich hat der Bundesrat am 24. November 2017, als letztem Baustein des Düngepakets, der Verordnung über den Umgang mit Nährstoffen im Betrieb und zur Änderung weiterer Vorschriften („Stoffstrombilanzverordnung“) zugestimmt. Der Frage, ob diese Regelungen zur Erreichung der festgelegten Umweltziele ausreichen, ist Prof. Franz Wiesler, LUFA Speyer, nachgegangen.

Vor allem die Tierhaltung soll einen hohen Beitrag zur Reduk­tion von Ammoniak-Emissionen leisten.

Foto: agrar-press

Die DüV ist ein wesentlicher Teil des deutschen Aktionsprogramms zur Umsetzung der Nitrat-Richtlinie. Deren Ziele, also der Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrate aus der Landwirtschaft, werden in Deutschland laut Nitratbericht des BMUB und des BMEL insgesamt nur ungenügend erreicht, wenn auch die Nitratbelastung je nach Region sehr unterschiedlich ist. Aufgrund der Nichteinhaltung der Ziele der Nitratrichtlinie hat die EU-Kommission 2016 eine Klageschrift gegen Deutschland beim Europäischen Gerichtshof eingereicht. Dies machte die Novellierung des Düngerechts dringend erforderlich.

Gleichstellung von Produktions- und Umweltzielen

Wesentliche Neuerungen im geänderten Düngegesetz betreffen die Ausweitung der Zweckbestimmung des Gesetzes, mit der Folge einer Gleichstellung von Produktions- und Umweltzielen im Düngerecht, die sukzessive Einführung der Stoffstrombilanzierung für tierhaltende Betriebe ab 2018, die Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen zum Datenabgleich der für die Ãœberwachung zuständigen Länderbehörden mit Erhebungen aus anderen Rechtsbereichen, die Einbeziehung der meisten organischen Dünger einschließlich der Gärreste in Ausbringungsobergrenzen für Stickstoff ‑ und schließlich die Schaffung eines bundesweit einheitlichen Rahmens zum Aufbau eines freiwilliges Qualitätssicherungssystem für Wirtschaftsdünger.

Die neue Düngeverordnung beinhaltet unter anderem die Präzisierung, Vereinheitlichung und Verbindlichkeit der Düngebedarfsermittlung, erhöhte Anforderungen an den betrieblichen Nährstoffvergleich (plausibilisierte Feld-Stallbilanzen in tierhaltenden Betrieben mit Wiederkäuern), eine Verminderung der Kontrollwerte des Nährstoffvergleichs, eine Ausweitung der Sperrzeiten und entsprechende Anforderungen an die Lagerkapazitäten für wirtschaftseigene Dünger und Gärrückstände, erhöhte Anforderungen an die Ausbringungstechnik, Einarbeitungsgebote für Dünger mit Ammoniakverlustrisiko und die Einführung der N-Obergrenze von 170 kg Gesamtstickstoff je Hektar und Jahr für alle organischen Düngemittel. Schließlich bestehen für die Betriebe zukünftig umfangreiche Aufzeichnungspflichten. Besondere Befugnisse werden an die Landesregierungen übertragen, so die Befugnis abweichende Vorschriften zu erlassen, und zwar für Gebiete von Grundwasserkörpern im schlechten chemischen Zustand beziehungsweise mit steigendem Trend der Nitratkonzentration ab mindestens drei Vierteln des Schwellenwertes für Nitrat beziehungsweise in Teilgebieten mit Überschreitungen von 50 mg/l Nitrat und für Gebiete, in denen im Einzugsgebiet langsam fließender oder stehender oberirdischer Gewässer eine Eutrophierung durch Phosphat nachgewiesen wurde.

Die Stoffstrombilanzverordnung verlangt den Betrieben viel ab

Die Stoffstrombilanzverordnung gilt ab dem 1. Januar 2018 für Betriebe mit mehr als 50 Großvieheinheiten bei einer Tierbesatzdichte von mehr als 2,5 Großvieheinheiten je Hektar oder für Betriebe mit mehr als 30 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche ebenfalls bei einer Tierbesatzdichte von mehr als 2,5 Großvieheinheiten/ha für viehhaltende Betriebe, denen im jeweiligen Bezugsjahr außerhalb des Betriebs anfallender Wirtschaftsdünger zugeführt wird, und für Betriebe, die eine Biogasanlage unterhalten und mit einem der oben genannten viehhaltenden Betriebe in einem funktionalen Zusammenhang stehen, wenn dem Betrieb im jeweiligen Bezugsjahr Wirtschaftsdünger aus diesem Betrieb oder sonst außerhalb des Betriebs anfallender Wirtschaftsdünger zugeführt wird. Ab 2023 gilt die Verordnung für die meisten Betriebe mit mehr als 20 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche oder mehr als 50 Großvieheinheiten je Betrieb. Kern der Stoffstrombilanzverordnung ist die Bilanzierung der dem Betrieb zugeführten Nährstoffmengen (N, P) mit Futtermitteln, Saat- und Pflanzgut, landwirtschaftlichen Nutztieren sowie der N-Bindung durch Leguminosen und der vom Betrieb abgegebenen Nährstoffmenge (N, P) mit pflanzlichen und tierischen Erzeugnissen, landwirtschaftlichen Nutztieren, Wirtschaftsdüngern sowie Saatgut. Für die Bewertung der so erstellten Bruttobilanz hat der Betrieb die Wahlmöglichkeit, die erstellte Bilanz entweder auf der Grundlage eines bundesweit einheitlichen Bilanzwertes in Höhe von 175 kg N je Hektar oder auf der Grundlage eines nach Anlage 4 der Stoffstrombilanzverordnung ermittelten Bilanzwertes, der die konkreten betrieblichen Verhältnisse berücksichtigt, zu bewerten. Das skizzierte Düngungspaket wird den meisten landwirtschaftlichen Betrieben erhebliche Anstrengungen zur Verminderung von Nährstoffverlusten in die Umwelt abverlangen. Es zielt dabei nicht nur auf eine Verminderung der Nährstoffeinträge in die Gewässer, sondern auch in die Atmosphäre, insbesondere in Form von Ammoniakemissionen ab. Forderungen von Seiten des Umweltschutzes sind jedoch viel breiter und sollen im Folgenden beispielhaft dargestellt werden.

Bisherige Zielwerte werden oft verfehlt

Politische Zielvorgaben finden sich in der „Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie“ der Bundesregierung aus dem Jahr 2016. Danach sollen die N-Ãœberschüsse/ha landwirtschaftlich genutzter Fläche in Deutschland bis zum Jahre 2030 auf 70 Kilogramm reduziert werden. Dadurch sollen die Emission von Luftschadstoffen (Ammoniak, Lachgas), die Nitratauswaschung in das Grundwasser, der Stickstoffeintrag über die Zuflüsse in Nord- und Ostsee und die Eutrophierung von Ökosystemen vermindert werden. In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass der ursprünglich für das Jahr 2010 angestrebte Zielwert von 80 Kilogramm pro Hektar nie erreicht wurde. Derzeit bewegt sich der N-Bilanzüberschuss der Landwirtschaft in Deutschland im Bereich von 95 Kilogramm pro Hektar und Jahr. Zusätzlich zur Reduktion der N-Austräge fordert die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie auch eine Verminderung der Phosphoreinträge in Fließgewässer. Diese stammen etwa zur Hälfte aus der Landwirtschaft. Phosphor ist neben der Belastung mit Nitrat einer der Gründe, warum es in Flüssen, Seen und Meeren zu einer Ãœberversorgung mit Nährstoffen kommt. Folgen davon sind Algenwachstum, Sauerstoffarmut bis hin zu Fischsterben oder dem Aufkommen giftiger Blaualgen. Daher wurde als Ziel für das Jahr 2030 festgelegt, dass die gewässertypischen Orientierungswerte, die in der Oberflächengewässerverordnung angegeben sind, an allen Messstellen eingehalten werden sollen. Derzeit wird dieses Ziel nur an etwa 35 Prozent der Messstellen erreicht. Da nach der neuen DüV selbst auf sehr hoch versorgten Böden noch ein Phosphatüberschuss von 10 Kilogramm pro Hektar und Jahr zugelassen ist, erscheint es eher unwahrscheinlich, dass dieses Ziel erreicht werden kann.

Stickstoffeinträge in die Umwelt sollen reduziert werden

Ähnlich wie die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie betont auch der „Erste Stickstoff-Bericht der Bundesregierung - Stickstoffeintrag in die Biosphäre“ aus dem Jahr 2017 die Erfordernis, die Stickstoffeinträge in die Umwelt zu reduzieren. Nach diesem Bericht trägt die Landwirtschaft zu einem Anteil von 63 Prozent an den Gesamtemissionen von reaktivem Stickstoff bei. Gefordert werden integrierte Umweltschutzmaßnahmen in den Bereichen Landwirtschaft, Ernährung, Energie und Verkehr unter Einbeziehung von Gesundheits- und Verbraucherschutz bis hin zur Bildungspolitik. Der Stickstoffbericht benennt also klar die Landwirtschaft als einen Hauptverursacher für Stickstoffemissionen, stellt aber gleichzeitig die gesamtgesellschaftliche Verantwortung zur Reduzierung dieser Emissionen heraus.

Die EU will konkrete Ergebnisse sehen

Neben den in der „Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie“ und dem „Stickstoff-Bericht der Bundesregierung“ formulierten, bislang jedoch rechtlich unverbindlichen Zielvorgaben werden in der EU-Nitrat-Richtlinie und der EU-Wasserrahmenrichtlinie konkrete und verbindliche Umweltziele formuliert. So ist Ziel der Nitrat-Richtlinie der Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrate aus der Landwirtschaft durch eine Reihe von Maßnahmen, für deren Umsetzung die Mitgliedstaaten zuständig sind. Diese Maßnahmen betreffen

  • die Ãœberwachung des Oberflächenwassers und des Grundwassers,
  • die Ausweisung gefährdeter Gebiete,
  • die Aufstellung von Regeln der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft,
  • die Annahme von Aktionsprogrammen und
  • die Annahme von Aktionsprogrammen und
  • die Bewertung der umgesetzten Maßnahmen.

Die Überprüfung des Aktionsprogramms der Nitratrichtlinie erfolgt in Deutschland mit Hilfe der in vierjährigem Abstand erscheinenden Nitratberichte, zuletzt im Jahre 2016. Es liegt auf der Hand, dass der in der jetzt gültigen DüV geschaffenen Rechtsrahmen nur dann Bestand haben wird, wenn der nächste Nitratbericht deutliche Verbesserungen der Grundwassersituation aufzeigen wird. Insbesondere die in der Stoffstrombilanzverordnung vorgesehene großzügige Bewertung von Stickstoffbilanzüberschüssen haben zu erheblichen Zweifeln aus dem Bereich der Agrarwissenschaften geführt, dass so die Umweltziele für das Grundwasser erreicht werden können.

Ammoniakemissionen als besondere Herausforderung

Besonders hohe Anforderungen an die Landwirtschaft stellt die neue EU NEC-Richtlinie, die nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe festlegt. Nach dieser Richtlinie muss Deutschland die Ammoniakemissionen bezogen auf das Jahr 2005 ab dem Jahr 2020 um 5 Prozent, ab dem Jahr 2030 um 29 Prozent senken. Da die Landwirtschaft zu über 90 Prozent Verursacher der Ammoniakemissionen ist, wird sie fast ausschließlich diese Reduktion bewerkstelligen müssen. Da wiederum mindestens 75 Prozent der Ammoniakemissionen aus der Tierhaltung stammen (Stall, Lagerung und Ausbringung von wirtschaftseigenen Düngern) und höchsten 25 Prozent aus der Mineraldüngung (insbesondere Harnstoff) werden die in der neuen Düngeverordnung vorgeschriebenen Maßnahmen nicht ausreichen, um die Minderung der Emissionen zu erreichen. Es ist davon auszugehen, dass weitergehende Maßnahmen, wie die Einarbeitung von organischen Düngern spätestens eine Stunde nach Aufbringungsbeginn umgesetzt werden müssen. Neben der DüV soll auch die novellierte TA-Luft dazu beitragen, die Ammoniakemissionen, durch Vorgaben zur Abluftreinigung zu reduzieren. Dessen ungeachtet gehen seriöse Schätzungen davon aus, dass ohne eine Abstockung der Tierbestände in Deutschland die umzusetzenden Reduktionen der Ammoniakemissionen in Deutschland nicht erreicht werden.

Fazit: Die jetzige DüV dürfte nur ein Zwischenschritt sein

Mit den neuen Regelungen zur Düngung wird ein besserer Ausgleich zwischen den Zielen der Pflanzenernährung und des nachhaltigen Umgangs mit Nährstoffen angestrebt. Es wird davon ausgegangen, dass diese zu einer deutlichen Verminderung unerwünschter Umweltwirkungen durch die Landwirtschaft beitragen können, wenn sie konsequent umgesetzt werden. Die großzügige Bewertung von N-Bilanzüberschüssen im Rahmen der Stoffstrombilanz, wenig ambitionierte Regelungen zur P-Düngung auf sehr hoch versorgten Böden und hohe Anforderungen an die Verminderung der Ammoniakemissionen stellen jedoch die Erreichung von Umweltzielen zumindest teilweise in Frage. Langfristig erfordert eine gleichermaßen produktive wie umweltverträgliche Landbewirtschaftung die Etablierung von integrierten Nährstoffmanagementsystemen, die über das Düngerecht hinausgehende Maßnahmen (z.B. Fruchtfolge, Sortenwahl, Fütterung) zur Verbesserung der Nährstoffeffizienz zusammenführen.

 – LW 49/2017