Die Notwendigkeit wird nicht immer gleich erkannt

Späte Unkrautbekämpfung im Getreide

Als „späte“ Herbizidanwendung wird in diesem Beitrag der Zeitraum nach dem 2-Knotenstadium bis kurz vor dem Ährenschieben angesehen. Notwendig werden solche Anwendungen, wenn Erstbehandlungen nicht ausreichende Wirksamkeiten entwickeln. Peter Weißer vom DLR Westerwald-Osteifel, Montabaur, erläutert Ursachen und Möglichkeiten später Bekämpfungsmaßnahmen gegen Unkräuter und Ungräser.

In der Praxis kommt es immer wieder zu der Notwendigkeit einer späten Herbizidan-wendung im Getreide.

Foto: agrer-press

Die Gründe für eine nicht ausreichende Wirkung der Erstbehandlung können falsche Terminierung, ungünstige Witterungsverhältnisse bei der Anwendung beziehungsweise in deren Nachfolge oder ein enorm großer Unkrautdruck sein. Sowohl enge Fruchtfolgen ohne ausreichenden Wechsel zwischen Winter- und Sommerkulturen als auch die veränderte Bodenbearbeitung dürften eine Rolle spielen. Die Ursachen für eine erforderliche Spätbehandlung können demnach vielfältig sein. In der Praxis kommt es immer wieder zu der Notwendigkeit einer späten Herbizidanwendung im Getreide.

Klettenlabkraut, Stiefmütterchen oder Kamille in Frühsaaten

Relativ häufig sind solche Szenarien nach einer erfolgten Herbstbehandlung in besonders früh gesätem Wintergetreide anzutreffen. Typischer Weise sind es Klettenlabkraut, Stiefmütterchen oder gelegentlich Kamille, die nach dem Einsatz von Bodenherbiziden im Herbst nach der Saat, im Frühjahr zunächst nicht gleich bemerkt und später nachbehandelt werden müssen.

Ähnliche Situationen ergeben sich bei lückigen Beständen, hervorgerufen durch Frostschäden (Auswinterung) oder schwierigen Aussaatbedingungen wie beispielsweise in den Herbsten 2013 und teilweise 2014. Solche Flächen können nur wenig Konkurrenzkraft Unkräutern gegenüber ausüben. Im weiteren Verlauf des Frühjahrs entstehen in diesen Lücken verstärkt spezielle Wärme liebende Unkräuter, welche man eigentlich nur aus Sommerkulturen kennt. Ebenso kommen zu späte Frühjahrsbehandlungen, besonders nach milden Wintern, als eine klassische Ursache für Spätbehandlungen in Frage.

Auch im Sommergetreide kommt es gelegentlich zur Notwendigkeit einer Nachbehandlung. Darüber hinaus gibt es einige Wurzelunkräuter wie etwa die Ackerkratzdistel, die erst relativ spät ein bekämpfungsfähiges Stadium erreichen (mindestens 20 bis 30 cm Wuchshöhe). Ertragsminderung, Ernteerschwernis, Anreicherung des Samenpotenzials im Boden beziehungsweise die Verbreitung von Wurzelorganen sind die Folge.

Besonders schwierig wird es, wenn durch Gewitter, Starkregen oder Sturm Lager auftritt. Dann ist eine vorhandene Restverunkrautung sehr schnell in der Lage, die Bestände zu überwuchern und die Ernte völlig zu gefährden.

Maßnahmen nicht verpassen

Die Notwendigkeit einer Nachbehandlung wird nicht immer gleich erkannt. Nach einer Erstbehandlung gelangt das Thema Unkrautbekämpfung gedanklich in den Hintergrund, es fehlt im Zuge des Alltags und anderer anstehender Frühjahrsarbeiten die Sensitivität für das Thema. Dies führt dazu, dass im Wintergetreide kleine „Ãœberlebende“ einer erfolgten Herbstbehandlung oder Nachkeimer aus einem milden Winter oder Frühjahr leicht übersehen werden. Oft sind sie ungleichmäßig verteilt über der Fläche anzutreffen. Durch die Wüchsigkeit im Frühjahr entstehen schnell große Unkrautpflanzen. Die Bekämpfungsmöglichkeit beziehungsweise der Bekämpfungserfolg wird

dadurch erschwert. Dies können Klettenlabkraut, Kamillen, Ackerstiefmütterchen, Ehrenpreisarten oder Storchschnabelarten sein.

Flughafer erobert die Winterungen

Typische Frühjahrs- oder Wärmekeimer sind Weißer Gänsefuß, Melde, Windenknöterich, Acker- und Zaunwinde sowie Ackersenf, Wicke und Hirtentäschelkraut. Ebenso Wärme liebend ist der spät keimende Flughafer, zudem läuft er oft in mehreren Wellen auf. Immer häufiger müssen auch Behandlungen gegen Windhalm oder Ackerfuchsschwanz wiederholt werden. In einigen Bereichen ist auch die Ackerkratzdistel ein zunehmendes Problem.

Während die Ackerkratzdistel durch die Zunahme der pfluglosen Bewirtschaftung profitiert, waren es beim Flughafer vor allem die erheblichen Auswinterungen der letzten Jahre. Die Auswinterungen im Frühjahr 2012 und in wesentlich geringerem Ausmaß im Frühjahr 2013 führten zu lückigen Beständen und in deren Folge kam es zu erhöhtem Flughaferbesatz.

Verstärkt wurde der Effekt durch eine Reihe von vorangegangenen warmen Frühjahrsperioden. Das Samenpotenzial des Flughafers und vieler weiterer Ungräser und Unkräuter hat sich dabei deutlich erhöht. Flughafer ist seit einigen Jahren zunehmend auch in Wintergetreide (und Winterraps) anzutreffen.

Wirkungsschwerpunkte in der späten Schossphase

Die Tabelle 1 zeigt die Wirkungsschwerpunkte der einzelnen Herbizide für eine Behandlung in der späten Schossphase des Getreides. Die Auswahl der möglichen Pflanzenschutzmittel ist für Wintergetreide deutlich größer als für Sommergetreide. Je später die Behandlung erfolgt, desto größer ist der bereits erfolgte Schaden und umso unsicherer ist die Wirkung auf die meisten Unkräuter.

Dies gilt gleichermaßen bei der Bekämpfung von Windhalm und Ackerfuchsschwanz. Trespen lassen sich in diese Entwicklungsphase nicht mehr wirksam bekämpfen. Tabelle 2 erläutert Bezug nehmend auf die Tabelle 1 die wichtigsten Entwicklungsstadien nach BBCH-Code.

Nur im Notfall: Glyphosat zur Ernteerleichterung

Der Einsatz von Glyphosat zur Sikkation sollte der absolute Ausnahmefall sein. Ist eine starke Verunkrautung nicht mehr in den Griff zu bekommen und tritt eventuell zusätzlich Lager auf, so kann ab der der Vollreife (BBCH 89) in allen Getreidearten mit Glyphosat-Totalherbiziden die Erntefähigkeit herbeigeführt werden. Wegen der möglichen Keimhemmung ist dies bei Saat- und Braugetreide nicht möglich.

Derzeit befinden sich eine große Anzahl unterschiedlicher Glyhposat-Herbizide im Angebot des Handels. Bei den Zulassungen und Parallelimporten ist darauf zu achten, dass zur Vorerntebehandlung nur Glyphosat-Herbizide ohne die Anwendungsauflagen VV207, VV208 beziehungsweise VV214, welche die Verfütterung des behandelten Ernteguts untersagen, eingesetzt werden. Die Wartezeit einiger Glyhposat-Produkte beträgt dabei nur sieben Tage. Realistischer weise muss aber mit einer Wirkungsdauer von etwa 14 Tagen gerechnet werden bis eine spürbare Eintrocknung der Bestände und Unkräuter eintritt.

 – LW 18/2015