Wie sieht die Zukunft des Pflanzenschutzes aus?

Pflanzenschutztag griff hochaktuelle Themen auf

Nicht weniger als die Zukunft des Pflanzenschutzmittel-Einsatzes stand auf dem Programm des 56. Pflanzenschutztages Rheinland-Pfalz in Bad Kreuznach. Neben dem Bienenschutz standen Fragen zur Gewässerreinhaltung, zu Resistenzentwicklungen und zum biologischen Pflanzenschutz auf der Tagesordnung

Dr. Klaus Wallner: Ohne Imker wäre die Honigbiene auch gefährdet.

Foto: Becker

„Neue Anforderungen im Zulassungsverfahren und was erwartet uns bei den Substitutionskandidaten Neonikotinoide und Glyphosat“, lautete der Titel des ersten Vortrages von Dr. Achim Gathmann von der Bundesanstalt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Er informierte über das Prinzip der vergleichenden Bewertung von Pflanzenschutzmitteln, das in der EU im Jahr 2009 eingeführt wurde. Demnach sollen Wirkstoffe, die zwar alle gesetzlichen Anforderungen erfüllen, aber ungünstigere Stoffeigenschaften hinsichtlich Gesundheit und Umwelt aufweisen, als „zu ersetzende Wirkstoffe“ deklariert werden. Pflanzenschutzmittel mit solchen Substitutionskandidaten dürfen seitdem nur zugelassen werden, wenn es keine wirtschaftlichen und praktikablen Alternativen gibt, die deutlich sicherer für Mensch und Umwelt sind. Diese Abwägung werde nicht pauschal und EU-weit für die jeweiligen Wirkstoffe vorgenommen, sondern für einzelne Handelsprodukte in den jeweiligen Mitgliedstaaten. „Die Liste mit Substitutionskandidaten ist lang und in Deutschland stecken fast alle Wirkstoffe noch in Stufe eins des Verfahrens“, so Gathmann. Insgesamt müssten vier Stufen durchlaufen werden, die Prüfungen verschiedener Stellen beinhalten – beteiligt seien hier das Landwirtschaftsministerium, das Julius-Kühn-Institut (JKI), das Institut für Risikobewertung (BfR) sowie das Umweltbundesamt (UBA). Bisher sind die Erfahrungen mit dem Bewertungssystem noch gering, da noch kein Mittel das Verfahren bis zum Ende durchlaufen hat“, so der Referent. Einige seien aber schon nach Stufe eins positiv bewertet worden, da keine Substitution möglich gewesen sei.

Hinsichtlich der Neonikotinoide seien im Zusammenhang mit Honigbienen Vergiftungen nachgewiesen worden, was zu deutlichen Einschränkungen beim Einsatz geführt habe: Sie dürfen nur noch von beruflichen Anwendern eingesetzt werden; im Getreide sowie in Raps sind keine Spritzungen und keine Saatgut- oder Bodenbehandlungen zugelassen. Eine weitere Zulassung werde durch neue Anforderungen der EU, beispielsweise durch die in Ausarbeitung befindlichen Dokumente zum Bienenschutz, schwieriger. Gleiches gelte für Glyphosat; auch hierfür wurden seitens der EU bereits Sonderbestimmungen zum Einsatz erlassen und weitere Maßnahmen der Mitgliedsländer zur Risikobegrenzung gefordert. Ob und wie es für den Wirkstoff nach der jetzt erteilten Zulassung für weitere fünf Jahre weitergehen wird, vermochte der Referent nicht zu sagen.

„Zulassungsstau ist rechtswidrig“

Ãœber die schleppende Bearbeitung von Zulassungen beklagte sich auch Dr. Jochen Schneider von der Bayer AG. In Deutschland hake es gewaltig bei der Umsetzung des EU-Regelwerks für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln. Ein Audit im Auftrag der Europäischen Kommission habe gezeigt, dass die festgelegten Fristen von den deutschen Behörden nicht eingehalten werden. „Es gibt einen regelrechten Zulassungsstau, der sich mittelfristig noch verschärfen wird, da in der EU zahlreiche Wirkstoffe zur Wiedergenehmigung anstehen. Die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln hat sich zu einem Nadelöhr und damit zu einem Wettbewerbsnachteil für deutsche Landwirte entwickelt“, so Schneider. Neben Bayer hätten auch andere Pflanzenschutzunternehmen mittlerweile Klagen gegen die Zulassungs­behörden beispielsweise wegen Untätigkeit, wegen Nicht-übernahme der zonalen Bewertung oder auf Schadensersatz eingereicht. Kritik übte er auch an realitätsfernen Prüfanforderungen, die beispielsweise nach dem in Arbeit befindlichen „Bee Guidance Document“ gefordert würden: „Jeder einzelne Feldversuch hätte demnach einen Flächenbedarf von 44 800 Hektar beziehungsweise 448 Quadratkilometern.“

In vielen Fällen kann Glyphosat ersetzt werden

Prof. Johannes Jehle fordert ein gesellschaftliches Umsteuern.

Dr. Horst-Henning Steinmann untersuchte, welche ökologischen und wirtschaftlichen Auswirkungen ein Glyphosat-Verzicht auf die Betriebe hätte. „Unsere Auswertungen zeigen, dass die Substitution von Glyphosat durch zusätzliche Bodenbearbeitungsmaßnahmen nicht in jedem Fall teurer war. In fast allen Varianten konnte unter günstigen Voraussetzungen die mechanische Unkrautbekämpfung zu einem betriebswirtschaftlich identischen Ergebnis führen – zum Beispiel wenn durch eine einmalige zusätzliche Bodenbearbeitung eine Wirkungsäquivalenz zu Glyphosat erzielt wurde.“ Standort, Witterung und Anbaupraxis seien wichtige Einflussfaktoren für die ökonomischen Konsequenzen eines Verzichtes auf Glyphosat. Schwierig sei aber der ersatzlose Wegfall bei der Sikkation, wenn eine anschließende kostenintensive Trocknung des Erntegutes die Folge war. Steinmann machte deutlich, dass bisher flankierende Maßnahmen zum Glyphosat-Einsatz oft fehlten und das Mittel deshalb zu sehr im Vordergrund stehe.

Auch im privaten Bereich fehlen die Blühpflanzen

„Eine große Vielfalt an blühenden Pflanzen ist die Basis für Artenvielfalt bei den Bienen; denn neben der Honigbiene gibt es noch zahlreiche Arten von Wildbienen in Deutschland, wovon allerdings über die Hälfte als bedroht gilt“, eröffnete Dr. Klaus Wallner, Universität Hohenheim, seine Ausführungen zum Bienenschutz. Viele dieser Wildbienen seien Spezialisten und über ihr Vorkommen und die Lebensbedingungen zum Teil nur wenig bekannt. „Viele Bestäuber haben Probleme damit, große Distanzen zwischen geeigneten Brutplätzen und ihren bevorzugten Nahrungspflanzen zu überwinden. Bienen können große Ackerschläge mit Getreide oder auch für sie uninteressantes, blütenloses Grünland, wie es heute durch die Silagewirtschaft oft angetroffen werden kann, überfliegen und die Stöcke werden von den Imkern je nach Blütentracht in der Landschaft versetzt. Ohne die Honigwirtschaft wäre die Honigbiene bei uns auch stark gefährdet – sie ist es aber ganz entgegen immer wieder propagierten Schreckensmeldungen nicht“, machte Dr. Wallner klar.

Die Vergrasung der Kulturlandschaft

Viele andere Insekten seien aber nachweislich stark in ihrem Bestand zurückgegangen und die Ursachen dafür müssten identifiziert werden. Ursache ist Wallners Ansicht nach die allgemein schwindende Blütenpflanzen-Flora. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft habe hier einen großen Anteil. Die Fruchtfolgen seien Arten-ärmer und die Flächen immer größer geworden und auch das Grünland sei keine Nahrungsgrundlage mehr für bestäubende Insekten. „Insgesamt kann man, wenn man die Getreide- und artenarmen Grünlandflächen zusammen betrachtet von einer Vergrasung der Landschaft sprechen“, so Wallner. Hinzu kämen immer weniger Blütenpflanzen sowohl im öffentlichen Raum als auch in Privatgärten. „Selbst Streuobstwiesen an den Ortsrändern werden heute oft von den Besitzern mit Rasentraktoren regelmäßig abgemäht und fallen als natur­nahe Flächen für Insekten aus.

Bienen: Pflanzenschutz wird überbewertet

Dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln werde dagegen eine Verantwortung zugesprochen, die er nicht habe. Allerdings seien B1-Neonikotinoide auch in kleinen Mengen hoch bienengefährlich. Bei deren Einsatz dürfe man keine Fehler machen! Wallner klassifizierte verschiedene Ackerkulturen hinsichtlich des Pflanzenschutz-Gefahrenpotenzials für Bienen folgendermaßen: Relevant für die Gefährdung sei einerseits die Attraktivität, also die Bereitstellung von Pollen, Nektar, Honigtau oder Gutationstropfen, andererseits die zeitliche Überschneidung der Aussaat (Staubent­wicklung), Blüte oder auch der Begleitvegetation, die Bienen in den Bestand ziehen könnte, mit der Aktivität der Bienenvölker. So ergebe sich für Zuckerrüben, Gemüse und Winterraps kein Risiko für Bienen; bei Sommergetreide und Mais allerdings ein hohes beziehungsweise sehr hohes Risiko, mit Pflanzenschutzmitteln in Berührung zu kommen. Als Gegenmaßnahmen brachte der Experte weite Blühflächen in Form von Greening-Maßnahmen, Biotopvernetzung und dem Bauernhof als Bienenbiotop ins Gespräch. Auch die Möglichkeit, in der Fahrspur gezielt Blütenpflanzen anzulegen, sei eine interessante Variante, die ihm ein Landwirt vorgestellt habe.

Gewässerbelastungen im Auge behalten

Dr. Bernd Augustin untersuchte die Wirkung von Feindpflanzen auf Kartoffelzystennematoden.

Ãœber die Belastung von Grund- und Oberflächenwasser mit Metaboliten (Abbauprodukten) von Metazachlor informierten Dr. Michaele Engel und Wolfgang Paul vom Landesamt für Umwelt und Geologie. Die Grundsatzfrage, ob es in Rheinland-Pfalz ein Problem mit Pflanzenschutzmitteln und deren relevanten Metaboliten im Grundwasser gibt, beantwortete Wolfgang Paul klar mit „nein“. Entsprechende Untersuchungen zeigten aber auch, so Dr. Engel, dass in Oberflächengewässern regelmäßig Abbauprodukte von Metazachlor und auch Chlorizadon gefunden werden, und das durchaus in umweltrelevanten Konzentrationen. Allerdings differierten die Ergebnisse sehr stark und seien vor allem in kleineren Gewässern auffällig. Bisher gebe es aber keine Vorgaben hinsichtlich der Grenzwerte in Oberflächengewässern.

Ertragszuwächse gehen zum Großteil in die Tonne

Prof. Johannes Jehle vom Julius-Kühn-Institut stellte die heutige Landbewirtschaftung insgesamt auf den Prüfstand und mit der Aussage „die Landwirtschaft ist nicht nachhaltig, denn sonst würden nicht so viele Betriebe keinen Nachfolger finden“ insgesamt in Frage. Dies sei allerdings kein von der Landwirtschaft, sondern von der Gesellschaft verursachter Befund. Ein Symptom sei die ungeheure Verschwendung von Nahrungsmitteln. „Der Ertragszuwachs der letzten Jahre in der Landwirtschaft geht in den ihr folgenden Produktions-, Vermarktungs- und Verbrauchsstufen voll in die Tonne“, beklagte Jehle. Im Bereich der Landwirtschaft müsse vor allem der Pflanzenschutz neu gedacht werden. Denn künftig würden weniger Wirkstoffe für immer mehr Indikationslücken sorgen und immer größere Schwierigkeiten im Resistenzmanagement auftreten. „In Zukunft werden traditionelle Methoden und neue Techniken zum Einsatz kommen müssen, um dieser Probleme Herr zu werden.“ Außerdem müssten vorbeugende, nicht chemische Maßnahmen wieder stärker in den Vordergrund rücken. „Vielleicht war die Feuerwehr einfach zu gut, so dass der Brandschutz etwas vernachlässigt wurde“, veranschaulichte der Referent seine Einschätzung.

Zur Grundsatzfrage, ob biologischer Pflanzenschutz den chemischen ersetzen könnte, machte er klar: „Es gibt kein entweder oder, sondern nur ein sowohl als auch.“ Biologische Verfahren seien sehr selektiv und erforderten sehr genaue Kenntnisse über Schaderreger und deren Gegenspieler – oft seien auch die Wirkungsgrade geringer. Außerdem bestehe eine Anwendungslücke bei der Unkrautbekämpfung. Er forderte weitere gesetzliche Maßnahmen, um die Wirtschaftlichkeit biologischer Verfahren sowohl für die Anwender als auch für die Produzenten zu stärken.

Feindpflanzen gegen Kartoffelzystennematoden

Im letzten Vortrag des Tages stellte Dr. Bernd Augustin vom DRL Rheinhessen-Nahe-Hunsrück Untersuchungen zu Kartoffelzystennematoden vor. Im Rahmen eines dreijährigen „Gemeinschaftsprojektes zur Erhaltung und Förderung eines zukunftsfähigen Frühkartoffelanbaus in Rheinland-Pfalz“ der Erzeugergemeinschaft „Pfälzer Grumbeer“ und des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum in Bad Kreuznach wurden zwischen 2014 und 2016 Maßnahmen zur Reduzierung von Kartoffelzystennematoden in Feld und Gewächshausversuchen untersucht. Solanum sisymbriifolium, eine effektive Feindpflanze für Kartoffelzystennematoden habe in den Untersuchungen eine reduzierende Wirkung zwischen 60 und 90 Prozent erreicht und damit in einer vergleichbaren Größenordnung wie eine resistente Sorte oder ein Nematizid.

„Die Kultivierung von S. sisymbriifolium ist allerdings eine echte pflanzenbauliche Herausforderung. Aufgrund der hohen Frostempfindlichkeit ist eine späte Aussaat erforderlich. Eine Verfrühung mit Folie oder Vlies ist nicht möglich. Neben einer angepassten Sätechnik ist Bewässerung für die Etablierung des Bestandes unabdingbar“, so Augustin. Aufgrund der sehr langsamen Jugendentwicklung und der damit verbunden geringen Konkurrenzkraft, sei der Einsatz von Bodenherbiziden unerlässlich. Während Phytophtora kein Problem darstelle, müssten Kartoffelkäfer-Maßnahmen fest eingeplant werden. Die Praxisrelevanz der Biofumigation Anbau von Pflanzen, die bei ihrem Abbau Wirkstoffe im Boden bilden, wurde im Rahmen des Projektes ebenfalls überprüft. „Im Gegensatz zum Feldanbau von solchen Glucosinolat-haltigen Kreuzblütlern ermöglicht die Einarbeitung von Senfmehl eine Realisierung in einer sehr kurzen Zeitspanne innerhalb der Fruchtfolge. Es kann gezielt in einer Phase mit günstiger Bodentemperatur und Bodenfeuchtigkeit ausgebracht und eingearbeitet werden“, zeigte Augustin auf. Trotz einer hohen Aufwandmengen (8 t Senfmehl/ha) und zusätzlicher Abdeckung mit gasdichter Folie wurden sehr heterogene Ergebnisse erzielt, die meist deutlich unter denen von S. sisybriifolium lagen.

KB – LW 3/2018