Auch die Winter-Braugerste litt unter dem vielen Regen

Landessortenversuche und Empfehlungen Herbst 2016

Wintergerste wird überwiegend zu Futterzwecken angebaut, dennoch hat regional auch die Winterbraugerste eine gewisse Bedeutung. Bundesweit gehen Schätzungen von einem Anteil von etwa 10 Prozent Winterbraugerste am gesamten Braugerstenmarkt aus. Die Nachfrage unterliegt jedoch in Abhängigkeit von der Versorgung mit hochwertiger Sommerbraugerste jährlichen Schwankungen. Wie die Wintergerstensorten in den hessischen Landessortenversuchen abgeschnitten haben, beschreibt Gabriele Käufler vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH).

Die Züchter haben bei Winterbraugerste deutliche Qualitätsverbesserungen erreicht.

Foto: landpixel

Vor allem auf Standorten, die regelmäßig unter Frühsommertrockenheit leiden, oder in Wärmelagen mit hitzebedingt frühzeitiger Abreife bevorzugen einige Praktiker die Winterform anstelle von Sommerbraugerste. Die Winterform kann bereits im Herbst ausreichend vegetative Masse und ein gut entwickeltes Wurzelsystem bilden. Damit hat sie einen Entwicklungsvorsprung, der auch in trockenen Jahren hohe Erträge und vor allem gute Kornausbildung und Sortierungen ermöglicht. Dennoch bleibt die Winterbraugerste ein Spezialmarkt, der durch vorherige Abstimmung mit den Verarbeitern abgesichert wird. Insbesondere empfiehlt es sich, die gewünschten Sorten vorab zu klären, denn nicht alle Verarbeiter akzeptieren Winterbraugerste. Im Rahmen des amtlichen Versuchswesens wird in Hessen an drei Standorten Winterbraugersten in einem kleinen gesonderten Sortiment der Landessortenversuche (LSV) geprüft. Somit können die besonderen Anforderungen an die Produktionstechnik berücksichtigt werden. Die Bestandesführung zielt auf die Absicherung der Qualitäten bei gleichzeitiger Ausschöpfung des Ertragspotenzials ab. Im Unterschied zur Winterfuttergerste wird die zweite N-Gabe meist etwas angehoben, um die Ährenausbildung zu unterstützen. Auf die dritte N-Gabe wird verzichtet, denn das Ziel ist es, den gewünschten Rohproteingehalt von maximal 11,5 Prozent (optimal 10 bis 10,5Prozent) nicht zu überschreiten, aber dennoch gute Erträge und eine optimale Kornausbildung zu ermöglichen.

An drei Standorten in Hessen geprüft

Auch bei der Braugerste werden die Versuche in zwei Intensitätsstufen angelegt: Während in Stufe 1 nur eine reduzierte Wachstumsreglermenge und kein Fungizid gegeben wird, erfolgt in Stufe 2 die Behandlung mit ortsüblicher Intensität. Insgesamt wurde in der Stufe 2 ein Durchschnittsertrag von 85,6 dt/ha erreicht und damit der sehr gute Ertrag des Vorjahres nur um 0,7 dt/ha verfehlt (s. Tabelle 1). Insbesondere der Standort Griesheim lieferte dank der diesjährig sehr guten Wasserversorgung mit 86,1 dt/ha einen Spitzenertrag. In Friedberg und in Bad Hersfeld fielen die Erträge dagegen deutlich geringer aus als im Vorjahr. Während in der Schoss- und Blühphase neben etwas Mehltau und Rynchosporium kaum pilzliche Erkrankungen festzustellen waren, hat das Krankheitsgeschehen in der Kornfüllungsphase mit erheblichem Auftreten von unspezifischen Blattflecken und Ramularia vor allem in Friedberg und Bad Hersfeld viel Ertrag gekostet. Die Bestände waren schon bald nach der Blüte Anfang Juni beeinträchtigt und dann in kürzester Zeit zusammengebrochen. Insgesamt fiel der Ertrag durch die in Stufe 1 unterlassene Pflanzenschutzbehandlung im Mittel der Versuche um rund 17 dt/ha ab, in Friedberg waren es sogar fast 25 dt/ha Minderertrag.

Der Ertragsabstand zur zweizeiligen Winterfuttergerste lag in diesem Jahr bei 5,1 dt/ha, wobei in Griesheim 8,6 dt Differenz gemessen wurde. In Friedberg lagen diese beiden Sortenversuche ertraglich gleichauf. Langjährig liegt der Ertragsabstand allerdings bei rund 14 Dezitonnen, in Einzeljahren wurden mehr als 20 dt/ha zu Ungunsten der Braugerste ermittelt. Die Ertragsdifferenz sollte dem Anbauer durch eine höhere Vergütung der Braugerste ausgeglichen werden. Neben der langjährig geprüften Standardsorte Wintmalt wurden in diesem Anbaujahr drei weitere Sorten, darunter auch die mehrzeilige Winterbraugerste Etincel, an den drei hessischen LSV-Standorten geprüft. In den einzelnen Jahren werden von den Sorten, je nach Verlauf der Witterung, unterschiedliche Anpassungsreaktionen verlangt. Die mehrjährige Auswertung zeigt, wie die Sorten mit den verschiedenen Jahresbedingungen umgehen konnten (siehe Tabelle 2). Unter den feucht-kühlen Bedingungen des aktuellen Jahres war eine robuste Wurzelentwicklung und Vitalität, sowie später dann eine gute Krankheitstoleranz und Strohstabilität während der Abreife vorteilhaft.

Im Sortimentsergebnis hebt sich die mehrzeilige Etincel auch im zweiten Prüfjahr ertraglich klar von den Zweizeilern ab. Sie liegt rund 5 Prozent über dem Versuchsmittel und damit 7 Prozent über Wintmalt und KWS Liga. Während diese beiden Sorten eine recht gute Strohstabilität mitbringen, zeigt Etincel hier deutliche Mängel. Sie neigt überdurchschnittlich zum Halm- und Ährenknicken, was auch in den Versuchen sichtbar war. Gepaart mit der sehr frühen Reife muss hier mit Verlusten gerechnet werden, wenn nicht rechtzeitig beerntet werden kann. Die Blattgesundheit ist ähnlich wie bei KWS Liga mittel, aber bei Mehltau sind beide Sorten schwächer bewertet. Die erstjährig geprüfte Neuzulassung Rubinesse liegt ertraglich am Durchschnitt und damit in beiden Intensitätsstufen vor den etablierten Zweizeilern. Sie bringt im aktuellen Sortiment die beste Blattgesundheit mit. Wie auch in den Versuchen sichtbar war, liegt die Standfestigkeit auf mittlerem Niveau, bei Halm- und Ährenknicken ist sie etwas besser eingestuft. Während sowohl Wintmalt als auch KWS Liga in der Winterhärte gewisse Schwächen haben, bringt Etincel in diesem Merkmal leichte Vorteile mit. Die Winterhärte von Rubinesse ist noch nicht sicher einzuordnen.

Deutlich schwächere Kornausbildung in diesem Jahr

Die Qualitätsdaten aus dem aktuellen Erntejahr weichen erheblich von den Vorjahreswerten ab. Insgesamt zeigt sich eine deutlich schwächere Kornausbildung. Die Hektolitergewichte liegen in der Stufe 2 nur bei 64,1 kg, während im Vorjahr 71 kg gemessen wurden. Auch die Vollgersteanteile erreichen im Versuchsdurchschnitt nur 76,7 Prozent. Nur in Griesheim wird das Qualitätsziel von mindestens 90 Prozent im Mittel erreicht. Insgesamt zeigen Rubinesse und die mehrzeilige Etincel an allen Standorten schwächere Vollgersteanteile. Nur Wintmalt und KWS Liga erreichen in Griesheim über 95 Prozent Vollgerste. In der Auswertung der drei hessischen Standorte liegt Wintmalt vor KWS Liga. Die Rohproteingehalte überschreiten die Obergrenze von 11,5 Prozent sowohl in Friedberg als auch in Bad Hersfeld deutlich, nur in Griesheim bleiben alle Sorten unter diesem Wert. Geringere Erträge und lang anhaltende Stickstoffnachlieferung können als Erklärung dienen.

Sortenwahl mit dem Vermarktungspartner abstimmen

Das Ziel der Marktpartner ist die Erfassung von sortenreinen und ausreichend großen Partien mit einheitlicher Verarbeitungsqualität. Aufgrund der spezifischen Qualitätsanforderungen der Verarbeiter ist es daher ratsam, die Sortenwahl immer vorab mit den Vermarktungspartnern abzustimmen und ggfs. Vorverträge abzuschließen. Die langjährig im Markt eingeführte und qualitätsstarke Sorte Wintmalt ist im Marktwareanteil hoch bis sehr hoch eingestuft, der Rohproteingehalt ist niedrig. Diese Sorte reift etwas später ab, ist kurzstrohig und stabil im oberen Halmteil. Dennoch sollte die Standfestigkeit abgesichert und unbedingt auf Rhynchosporium- und Mehltaubefall geachtet werden. Sie ist in der Winterhärte unterdurchschnittlich und in ihrer Bedeutung rückläufig.

Die inzwischen mehrjährig geprüfte KWS Joy stand nicht mehr im aktuellen LSV, hat sich aber in den hessischen Versuchen als recht ertrags- und qualitätsstabil gezeigt. Sie wartet mit sehr geringen Rohproteingehalten sowie hohen Malzextraktgehalten auf. Vollgersteanteile und hl-Gewichte sind mittel bis hoch eingestuft. Auf ihre höhere Anfälligkeit für Rhynchosporium und Mehltau und die unterdurchschnittliche Winterhärte ist zu achten. Die mittelspät abreifende KWS Liga zeigt eine gute Strohstabilität, allerdings erhöhte Anfälligkeit für Mehltau und Netzflecken. Sie erzeugt gute Kornqualitäten mit hohem Vollgersteanteil und hl-Gewichten. Der Eiweißgehalt ist niedrig eingestuft und die Winterhärte ist ebenfalls etwas knapp.

Die mehrzeilige Etincel liefert nach zwei Prüfjahren die höchsten Erträge, allerdings bei unterdurchschnittlichen Vollgersteanteilen und insgesamt schwächerer Kornausbildung. Im Eiweißgehalt ist die Sorte etwas höher eingestuft, ihre Winterhärte ist mittel. Winterbraugerste bleibt derzeit ein überschaubares Marktsegment. Züchterisch wurde eine deutliche Verbesserung der Qualitätseigenschaften erreicht. Wenn die Mälzer und Brauer signalisieren, dass sie an dieser Ware interessiert sind, werden die Bemühungen der Anbauer, die besondere Produktionstechnik dieser Kultur zu optimieren, dauerhaft und erfolgreich sein. Eindeutige Bekenntnisse hinsichtlich der Verarbeiter und eine entsprechende preisliche Absicherung erleichtern die Entscheidung für diese Kultur.

 – LW 34/2016