Abdrift vermeiden heißt Ärger vermeiden

Belastung von Öko-Flächen durch Pflanzenschutzmittel

Immer wieder wird beklagt, dass auf Öko-Flächen Effekte von dort nicht zulässigen Pflanzenschutzmitteln erkennbar werden oder dass bei Kontrollen Rückstände von Pflanzenschutzmittel- (PSM-) Wirkstoffen nachgewiesen werden. Für Öko-Anbauer kann dies zu erheblichen Problemen führen, denn die Regelungen der Öko-VO sehen dann entsprechende Maßnahmen vor.

Schadwirkungen infolge ungenauer Gestängeführung: Zuerst wurde das Getreide am Rand mit dem Rapsherbizid überspritzt; später wurde der Raps vom Getreideherbizid am Rand erwischt.

Foto: Koch

Für Ökobetriebe ist dabei relevant, dass nicht nur sichtbare Schäden, wie oft durch Herbizide verursacht, gravierende Folgen haben sondern schon der Nachweis unzulässiger Rückstände. Von diesem Problem können auch Gemüseproduzenten ein Lied singen, denn auch dort sind Erzeugnisse mit PSM-Rückständen nicht mehr vermarktbar.

Nun gilt in Deutschland das Verursacherprinzip. Das heißt, wer einen anderen schädigt, muss für den Schaden aufkommen. Allerdings kommt es in solchen Fällen häufig zu Streit und rechtlichen Auseinandersetzungen, oft unter Einbeziehung von Sachverständige und Versicherungen. Denn die nachbarschaftlichen Verhältnisse in der Agrarlandschaft sind vielfältig, weil die unterschiedlichsten Kulturen nebeneinander angebaut werden.

Ursachen von Kontaminationen können insbesondere sein:

  • Ãœberspritzen infolge fehlerhafter Geräteführung
  • Direkte Abdrift während der Applikation
  • Verflüchtigung von Wirkstoffen nach der Applikation und Sedimentation auf Nachbarflächen

Was können Öko-Bauer und PSM-Anwender tun?

In jedem Fall ist der Kontakt mit den Nachbarn ein wesentlicher Schritt. Während geringfüge Abdrift auf ein konventionell bebautes Feld meist keinerlei (finanzielle) Probleme verursacht, sollte der Öko-Bauer seine konventionell arbeitenden Berufskollegen über seine Situation informieren und mit ihnen die Problematik ansprechen. Besondere Vorsicht auf beiden Seiten der Feldgrenzen ist sicher der beste Weg, beispielsweise durch das Anlegen von Pufferstreifen

Eine Ursache der Kontamination mit Pflanzenschutzmittelwirkstoffen ist direkte Abdrift während der Behandlung. Hier sind in den vergangenen Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen worden, wie etwa die Einführung abdriftmindernder Düsen. Diese technischen Entwicklungen wurden zunächst auf Grund von Anforderungen zur Vermeidung von PSM-Einträgen in Gewässer und Saumstrukturen im Rahmen der Zulassung von PSM eingeführt und durchgesetzt und sind als bußgeldbewehrte Anwendungsbestimmungen (NW- und NT-Auflagen) allgemein bekannt. Sie stehen praktisch in jeder Gebrauchsanleitung.

Ein wichtiger Schritt zur Vermeidung direkter Abdrift ist also die Verwendung abdriftmindernder Düsen im geeigneten Druckbereich. Genaue Hinweise hierzu findet man auf der Internetseite des JKI (www.jki.bund.de/) oder des DLR Rheinhessen-Nahe Hunsrück (www.pflanzenschutz.rlp.de -> Applikationstechnik). Dort findet man das Kurzverzeichnis Verlustmindernde Düsen, Hinweise zu Randdüsen, Dosierrechner und zahlreiche Beiträge zu Düsen, Belagsbildung und Vieles mehr.

Nicht über die Feldgrenze spritzen

Ganz wichtig ist bei Feldspritzgeräten die Gestängeführung, insbesondere die Gestängehöhe. Die Abdriftminderung wird nämlich nur erreicht, wenn die Düsen 50 cm über dem Bestand geführt werden. 10 cm mehr bedeuten bereits die Verdoppelung der Abdriftgefahr! Natürlich ist die Windrichtung entscheidend. Der Anwender sollte beachten, dass die Witterungsbedingungen heute an zahlreichen Orten dokumentiert werden und dass dies auch rückwirkend nachvollziehbar ist.

Gestängeführung bedeutet auch, dass die Fahrgassen richtig angelegt sind, sonst kommt es vor, dass das Gestänge über die Feldgrenze in das Nachbarfeld ragt und dort ein Streifen mitgespritzt wird. Man muss stets beachten, dass der Spritzfächer einer 110°-Flachstrahldüse bei 50 cm Höhe immerhin 1,40 m breit wird, also 70 cm zur Seite reicht. Dieser Effekt wird noch verstärkt, wenn ein hoher Bestand behandelt wird (Getreide oder Raps) und der Nachbarbestand noch niedrig ist (Gemüse, Rüben).

Verflüchtigung von Wirkstoffen

Ein anderes, wirkstoffspezifische Problem kann entstehen, wenn Wirkstoffe nach der Applikation auf Grund bestimmter Witterungsbedingungen verflüchtigen und mit der Luftbewegung verfrachtet werden. Hier ist zum Beispiel Clomazone zu nennen, das bei entsprechender Wirkstoffkonzentration zu Blattaufhellungen führen kann. Entsprechende spezifische Anwendungsbestimmungen wurden hier von der Zulassungsbehörde festgesetzt.

Verflüchtigung tritt auf bei warmen Temperaturen, insbesondere auch, wenn der Boden sich erwärmt. Bei windstiller Witterung kann dann die „Wirkstoffwolke“ seitlich verfrachtet werden, wodurch Pflanzen auf benachbarten Flächen dann dieser Wolke ausgesetzt sind. Dieser Prozess ist sehr komplex und tritt bei etwas Wind nicht auf, weil sich die Wolke rasch verdünnt und verwirbelt wird. Dieser Effekt beginnt also nach der Applikation und ist nicht allein auf die zum Zeitpunkt der Applikation herrschenden Witterungbedingungen zurückzuführen.

All diese Zusammenhänge zeigen auch, dass es im Schadensfall auf zeitnahe und möglichst umfassende Dokumentation des Geschehens ankommt. Sowohl die geometrische Lage der Flächen zueinander als auch Windrichtung, Windstärke sowie Uhrzeit der Applikation und die verwendete Technik sind ebenso von Bedeutung, wie das Pflanzenschutzmittel, die Aufwandmenge und die Wasseraufwandmenge.

Wenngleich hier eher die Applikation mit Feldspritzgeräten angesprochen wurde, gelten die Aussagen auch für die Nachbarschaft zu Obstanlagen oder Rebflächen. Abdrift ist dort wegen der dort ein gesetzten Sprühgeräte zumindest ein noch wichtigeres Thema.

Deshalb muss Abdrift vermieden werden:

  • Bußgeldbewehrte Anwendungsbestimmungen (NW- und NT-Auflagen)
  • Abdriftsichere Applikation ist heute Voraussetzung für die Pflanzenschutzmittel-Zulassung
  • Abdrift bedeutet für den Anwender Verlust von Produkt, das gekauft und bezahlt wurde, aber nicht zur Wirkung beiträgt
  • Image verbessern bei Kunden, Touristen, Nachbarn,
  • Abdrift in Wohngebiete vermeiden
  • Kontamination von Nachbarkulturen: Schadensersatzforderungen z.B. bei Rückständen an Erntegut für den Frischverzehr oder an Bio-Produkten
  • Äußere Geräteverschmutzung ist mit grobtropfigen Düsen geringer
  • Zum Schutz von Umstehenden und Anwohnern sind entsprechend der Zulassungsregelungen bei der Applikation von Flächenkulturen mindestens 1 m und bei der Applikation von Raumkulturen mindestens 3 m Abstand einzuhalten.

Einvernehmliche Lösungen suchen

Diese Information ist keine rechtlich verbindliche Aussage, und oft ist es erforderlich, die Versicherung zu informieren und Sachverständige hinzuzuziehen. Denn oft ist ein Schaden erst nach einiger Zeit zu beziffern. Auch können im Einzelfall noch andere Faktoren relevant sein, wie etwa Zertifizierungen oder Produktionsregeln oder Auswirkungen im Folgejahr. Auch ging es hier eher um Zusammenhänge beim Einsatz von Feldspritzgeräten. Bei der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln mit Sprühgeräten in hohen Kulturen sind weitere Aspekte relevant, die in einem anderen Beitrag zusammengestellt werden sollen.

Schließlich sollten Nachbarn unbedingt eine Lösung gemeinsam finden. Streitigkeiten vor Gericht sind oft unbefriedigend für alle Beteiligten. Deshalb sei hier noch mal das Motto des Hessischen Bauernverbandes genannt. Es lautet: „Seid einig“.

Dr. Heribert Koch, Bingen – LW 16/2015