Agrarscouts im Dialog mit den Besuchern
Landwirte führten über den Erlebnisbauernhof auf der Grünen Woche
Wer könnte besser über das Leben und Arbeiten auf einem Bauernhof berichten als die Landwirte selbst? Genau das haben 100 sogenannte Agrarscouts auf dem Erlebnisbauernhof auf der Grünen Woche getan.
Die Agrarscouts sind überwiegend aktive Landwirte, fast alle davon Tierhalter. Sie ermöglichten in Führungen und persönlichen Gesprächen auf dem Erlebnisbauernhof einen authentischen Blick in ihre Welt. Sie kamen aus ganz Deutschland. Das LW hat zwei von ihnen nach ihren Erlebnissen während der Grünen Woche in Berlin befragt.
LW: Was hat Sie motiviert, sich als Agrarscout zu bewerben?
Zwei Agrarscouts
- Agrarbetriebswirtin Lena Hennig arbeitet auf dem Amt für Umwelt, Naturschutz und ländlicher Raum des Main-Kinzig-Kreis. Zusätzlich arbeitet sie regelmäßig auf dem Ferkelerzeuger-Betrieb ihres Lebensgefährten in Großenlüder im Landkreis Fulda mit.
- Diplom-Agraringenieur Manuel Schneider aus Niedergründau bewirtschaftet mit seiner Familie den Friedrichshof, auf dem Milchkühe gehalten werden und eine Biogasanlage betrieben wird.
Lena Hennig: Die Landwirtschaft und besonders die Ferkelerzeugung ist in den letzten Jahren immer wieder in die Kritik geraten. Ich beschäftige mich schon länger mit dem Thema Öffentlichkeitsarbeit in der Landwirtschaft. Ich habe eine eigene Homepage gestaltet, die einen ehrlichen Blick in unseren Stall ermöglicht (www.danzucht-faust.jimdo.com). Auf dieser Seite habe ich auch einen Stall-Blog initiiert. Bloggerin, ein Modewort, das mir bei den städtischen Besuchern der Grünen Woche viel positive Resonanz brachte. Ich denke es ist an der Zeit, dass wir aufhören zu verschweigen, was wir hinter unseren Stalltüren machen. Mit mehr Transparenz haben wir die Möglichkeit, negativen Berichten ein Stück weit vorzubeugen, ohne immer in eine Abwehrhaltung gehen zu müssen.
Manuel Schneider: Die Motivation für meine Teilnahme bei den Agrarscouts ist, den Verbrauchern die Landwirtschaft zu zeigen, wie sie wirklich ist. Und nicht das Bild, das verschiedene Interessengruppen darstellen müssen, um an Spendengelder oder Wählerstimmen zu kommen. Schon seit längerer Zeit informieren wir mit Hilfe einer Homepage und einer Facebookseite über Landwirtschaft und den Alltag in unserem Betrieb. Dies sorgte im Ort für mehr Verständnis und informiert die Bürger über die Jahresabläufe in einem landwirtschaftlichen Betrieb.
LW: Wie sind Sie auf den Einsatz vorbereitet worden?
Hennig: Am Tag vor meinem Einsatz auf der Grünen Woche wurde eine Gruppe von zehn Agrarscouts in einem Kommunikationsseminar geschult. In diesem Seminar haben wir wichtige rhetorische Tipps zum Umgang mit verschiedenen Besuchern der Messe an die Hand bekommen.
Schneider: Hauptthema war, mit Konfliktsituationen richtig umgehen zu können. Zum Beispiel, wie man reagieren kann, wenn man aggressiv gefragt wird.
LW: Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Hennig: Unsere Aufgabe war, uns sichtbar auf dem Erlebnisbauernhof zu verteilen. Ich habe mich hauptsächlich am Schweinemobil aufgehalten, eine gute Plattform, um mit Besuchern ins Gespräch zu kommen. Ich hätte es nie für möglich gehalten, aber aus viel anfänglicher Skepsis unserer konventionellen Schweinehaltung gegenüber, wurde nach meinen Erläuterungen viel positives Umdenken. Der Großteil der Besucher kam noch nie mit einem modernen MastÂschweiÂneÂstall und unserer Arbeit in Berührung. Themen waren: artgerechte Tierhaltung, Schwänze kupieren und Spaltenböden. Ich denke schon, dass einige Besucher mit einer positiveren Einstellung das Mobil verlassen haben.
Schneider: Ich habe durchweg positive Erfahrungen gemacht. In allen Altersgruppen waren die Menschen sehr interessiert. Vom Schüler der Grundschule bis zum Veganer konnte man mit allen ruhige Gespräche führen. Es gab viele Fragen nach Enthornung, Weidehaltung, Fütterung und einige fragten auch, ob die Kühe wirklich so gehalten werden, wie es hier dargestellt wird. Als ich es mit ja beantwortet habe, fragten mich die BeÂsucher, warum es dann in der Presse immer wieder so schlecht dargestellt wird.
LW: Können Sie diese Erfahrungen im Arbeitsalltag nutzen?
Hennig: Die Arbeit als Agrarscout hat mir sehr viel gebracht. Nach dem Messeinsatz habe ich ein paar wesentliche Inhalte auf unserer Homepage verändert und an die Bedürfnisse der Verbraucher angepasst. Ich hoffe sehr, dass die Arbeit der Agrarscouts weitergehen wird und dass wir weitere Einsatzmöglichkeiten bekommen. Die Agrarscouts geben der Landwirtschaft ein Gesicht.
Schneider: Ich habe einen Einblick in die Denkweise der Menschen bekommen, die nicht täglich mit der Landwirtschaft zu tun haben. Die Erfahrungen haben mir dabei geholfen zu verstehen, warum manche Menschen eventuell schlecht über die Landwirtschaft denken.
ibs – LW 4/2016