Betriebshelfer sind Retter in der Not

Rund 13 000 Stunden Betriebshilfe im Jahr

Betriebshelfer springen ein, wenn ein Notfall auf einem Betrieb vorliegt. Was die Einsatzgründe sind, wie die Vermittlung abläuft und was den vielseitigen Beruf des Betriebshelfers ausmacht, darüber informiert Uwe Roth, Geschäftsführer der Betriebs- und Haushaltshilfe Hessen GmbH, im nachfolgenden Interview.

Uwe Roth, Geschäftsführer der Betriebs- und Haushaltshilfe Hessen GmbH.

Foto: Becker

LW: Herr Roth, was bietet die Betriebs- und Haushaltshilfe Hessen (BHH) GmbH?

Uwe Roth: Wir haben einen Pool von ausgebildeten Landwirten und Landwirtinnen, die alle bei uns in Festanstellung arbeiten. Im Not- oder Bedarfsfall können wir, sofern verfügbar, schnell und unbürokratisch Betriebshelfer oder Betriebshelferinnen auf Betriebe in Hessen und in benachbarte Bundesländer schicken. Dringend notwendige Arbeiten, wie Versorgung der Tiere, Futterbeschaffung, Aussaat, Erntearbeiten, eben alles, was in diesem Moment für die Fortführung des Betriebes notwendig ist, wird ausgeführt.

LW: Wer kann die Betriebshilfe anfordern?

Roth: Alle landwirtschaftlichen Unternehmer oder mitarbeitende Ehe- beziehungsweise eingetragene Lebenspartner als Versicherte der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau, kurz SVLFG. Aber auch ein von der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft anerkannter Unfall kann zum Anspruch auf Betriebshilfe führen. In dem Moment muss man nicht bei der SVLFG versichert sein.

LW: Welche Umstände auf Betrieben führen dazu, dass Betriebshilfe notwendig wird?

Roth: Betriebe benötigen die Betriebshilfe, wenn zum Beispiel ein Krankenhausaufenthalt ansteht oder bei einer ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit. Auch Rehamaßnahmen, Mutterschutz oder ein Todesfall sind Gründe, warum Betriebshilfe angefordert wird.

LW: Was sind typische Betriebe, die einen Betriebshelfer anfordern?

Roth: Meist sind es familiengeführte landwirtschaftliche Betriebe ohne Fremdarbeitskräfte.

LW: An wen muss man sich wenden, damit ein Betriebshelfereinsatz bewilligt wird?

Roth: Ansprechpartner für den Einsatz sind in Hessen die Geschäftsstellen der Kreisbauernverbände oder der Wasser- und Bodenverbände sowie der Maschinenringe. Die Anträge können, egal aus welchem Bundesland man kommt, auch auf der Internetseite der SVLFG heruntergeladen werden.

LW: Wie schnell kommt dann ein Betriebshelfer zum Einsatz?

Roth: Das ist unterschiedlich, manchmal, zum Beispiel bei Unfällen, kommt der Betriebshelfer innerhalb von ein bis zwei Tagen zum Einsatz, wenn Tiere versorgt werden müssen und niemand anderes kurzfristig zur Verfügung steht.

Bei Einsätzen, wie geplante Operationen, Reha oder Mutterschutz, ist es sinnvoll, schon längerfristig zunächst bei der

SVLFG nachzufragen, ob ein Betriebshelfer zur Verfügung steht. Falls von dort kein Betriebshelfer gestellt werden kann, werden die Betriebe an die BHH Hessen GmbH weiterverwiesen.

LW: Wie lange ist der Betriebshelfer in der Regel auf einem Betrieb?

Roth: Meist dauern solche Einsätze vier bis sechs Wochen. Es kann aber, meist bei Arbeitsunfällen oder längeren Krankenhausaufenthalten, zu längeren Einsätzen kommen, die dann mehrere Monate dauern.

Auch während der 14-wöchigen Mutterschutzzeit kann ein Anspruch auf Betriebshilfe bestehen.

Bei einem Todesfall haben die Hinterbliebenen über den Zeitraum von zwei Jahren Anspruch auf zwölf Monate Betriebshilfe, wenn der Betrieb versicherungspflichtig weitergeführt wird.

LW: Wie kommen Familie und Betriebshelfer Ihrer Erfahrung nach miteinander zurecht?

Roth: In der Regel sind die Betriebe froh, kurzfristig qualifizierte Hilfe zu bekommen, damit der Betrieb weiterlaufen kann. Sie arbeiten zusammen mit der Familie, essen oft auch zusammen und wenn der Einsatzort mal etwas weiter weg ist, übernachten die Betriebshelfer auch auf den Betrieben, da entsteht natürlich Nähe. Das kann gut und schlecht zugleich sein. Kommen beide Parteien nicht miteinander klar, werden sehr kurzfristig Betriebshelfer oder Betriebshelferinnen und Einsatzbetrieb getauscht. Niemand ist dazu verdammt, etwas auszuhalten, was einem nicht gefällt.

LW: Wie war das Miteinander während der Corona-Pandemie? Gab es da weniger Einsätze?

Roth: Ja, bedingt durch Absagen von geplanten Operationen oder Rehamaßnahmen waren es etwas weniger. Aber auch unter den erschwerten Bedingungen, wie Maske tragen, sich regelmäßig testen und Abstand halten, konnten Einsätze gut durchgeführt werden. Die Übernachtungsmöglichkeiten auf den Höfen haben die Betriebshelfer individuell mit den Familien abgesprochen.

LW: Was tun die betroffenen Familien an den Wochenenden, wenn der Betriebshelfer frei hat?

Roth: Der Einsatz auf den Betrieben beschränkt sich auf 40 Stunden pro Woche.

Hier wird davon ausgegangen, dass in der Familie Helfer gefunden werden, die bei den allernotwendigsten Arbeiten, wie zum Beispiel melken und füttern, unterstützen. In Ausnahmefällen kann auch bei der SVLFG für einige Stunden am Wochenende Betriebshilfe beantragt und gewährt werden. Dies sind dann aber von den Betrieben selbst beschaffte Helfer, beispielsweise Nachbarn, Freunde oder Bekannte. Unsere Betriebshelfer sind nur von Montag bis Freitag im Einsatz.

LW: Wer bezahlt die Betriebshilfe? Entstehen für die SVLFG- oder Berufsgenossenschaftsversicherten Kosten?

Roth: In den meisten Fällen werden die Kosten für die Betriebshelfer komplett übernommen. In manchen Fällen, zum Beispiel BG-Unfälle, kann es sein, dass die SVLFG den Betrieben einen Eigenanteil in Rechnung stellt. Ob und in welcher Höhe ein Eigenanteil gezahlt werden muss, kann bei der SVLFG bei Antragstellung erfragt werden.

LW: Wie hoch ist die Anfrage nach Betriebshelfern bei Ihnen?

Roth: Da Unfälle und kurzfristige Erkrankungen nicht planbar sind, kann man das pauschal nicht beantworten. Im Schnitt leisten wir, vorausgesetzt wir haben genügend Mitarbeiter, circa 13 000 Stunden Betriebshilfe im Jahr. Die Nachfrage ist auf alle Fälle sehr groß und wir müssen den Einsatzbetrieben viel zu oft absagen, weil wir keine Kollegen/Kolleginnen haben, die den Einsatz ausführen können. Das heißt, wir sind ständig auf der Suche nach qualifizierten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen!

LW: Aufgrund des Personalmangels können gar nicht alle Anfragen bedient werden?

Roth: Weder wir von der BBH GmbH noch die SVLFG haben ausreichend Betriebshelfer, um alle Einsatzanfragen abzudecken. Wir brauchen dringend Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für diese abwechslungsreiche Arbeit.

LW: Wer als Betriebshelfer einsteigen will: Was sind die Voraussetzungen?

Roth: Grundsätzlich muss eine landwirtschaftliche oder vergleichbare Ausbildung abgeschlossen sein. Berufserfahrung ist toll, aber kein Muss. Auch Berufseinsteiger haben bei uns eine gute Chance, sich in vielen Bereichen weiterzubilden.

Alternativ wird auch eine mehrjährige (mindestens fünf Jahre) Berufserfahrung in der Landwirtschaft durch Arbeitszeugnisse anerkannt.

Auch – nicht ausgebildete – selbstständige Landwirte und Landwirtinnen, die über mehrere Jahre einen eigenen Hof führen oder geführt haben, können als Betriebshelfer beziehungsweise -helferin anerkannt werden.

Der Betriebshelfer, m-w-d, sollte neugierig darauf sein, andere Betriebe und Betriebszweige kennenzulernen, Spaß daran haben, anderen Menschen zu helfen und ein bisschen soziale Kompetenz sollte jeder haben, schließlich kommt man zur Unterstützung in einer Notsituation auf einen Betrieb. Übrigens: Wer als Betriebshelfer einsteigen will, muss natürlich nicht in Hessen wohnen. Gerade jemand, der in einem Nachbarbundesland nahe der hessischen Landesgrenze wohnt, hätte keine weiten Wege für einen Einsatz.

Linktipps

Weitere Infos finden Inte­ressierte unter betriebshilfe-hessen.de sowie unter svlfg.de/betriebshilfe-....

LW: Was sind aus Ihrer Sicht die Anreize, als Betriebshelfer zu arbeiten?

Roth: Wir zahlen weit über Tarif. Außerdem haben unsere Mitarbeiter, die in Vollzeit arbeiten, eine 40-Stunden-Woche und arbeiten nur von Montag bis Freitag. Die Wochenenden sind also frei. Wer in Vollzeit arbeitet, hat 26 Tage Urlaub im Jahr. Wir bieten Weiterbildungsmöglichkeiten und jährlich einen Weiterbildungstag. Im letzten Jahr haben wir zum Beispiel ein ADAC-Schleppertraining durchgeführt. Es besteht außerdem die Möglichkeit der Teilzeitarbeit. Die Arbeitskleidung wird gestellt.

LW: An wen können sich Interessierte für die Arbeit als Betriebshelfer wenden beziehungsweise die Familien, die auf ihrem Hof einen Betriebshelfer benötigen?

Roth: Interessierte wenden sich an 06172 7106-133 oder an 0160 90534046. Sie können auch per E-Mail an betriebshilfe@agrinet.de Kontakt aufnehmen (siehe Linktipps).

Die Fragen stellte Stephanie Lehmkühler – LW 31/2023