Bevölkerung versorgen und viele weitere Wünsche an die Bauern
Versammlung des KBV Marburg-Kirchhain-Biedenkopf
Von Landwirten wird der Spagat zwischen den Erfordernissen zur Nahrungsmittelversorgung und den Ansprüchen am Umweltschutz gefordert. Um dieses Thema ging es beim Gastvortrag auf der JahresÂmitgliederversammlung des Kreisbauernverbandes Marburg-Kirchhain-Biedenkopf (KBV) am vergangenen Samstag in Weimar-Roth.

Foto: Manfred Schubert
Unter der Überschrift „Ackerbau in Hessen: Nachhaltigkeit nach Wunsch“ ging er auch auf Themen wie Düngeverordnung, Pflanzenschutz, Biodiversität und Nahrungsmittelversorgung ein. Zuvor widmete er sich der Landwirtschaft im Fokus der öffentlichen Diskussion. Druck auf die Landwirtschaft werde von vielen Seiten ausgeübt: Tierschützer, NGOs, Kirche, Medien, von Seiten des Gesetzgebers durch immer neue Vorschriften und mehr Bürokratie, vom Markt mit niedrigen Erzeugerpreisen.
Ohne Pflanzenschutzmittel geht es „leider“ nicht
In Deutschland und Europa herrsche der Eindruck vor, es gebe Nahrungsmittel in Hülle und Fülle. Weltweit würden aber 795 Mio. Menschen hungern. Auch in Deutschland liege eine Hungersnot infolge von Pflanzenkrankheiten erst 100 Jahre zurück: der berüchtigte Steckrübenwinter 1916/17, als durch die von einem Pilz hervorgerufene Kraut- und Knollenfäule die Kartoffelernte ausfiel und etwa 72 0000 Menschen verhungerten. Diese Krankheit habe auch im verregneten Sommer 2016 die Kartoffeln bedroht, nur Pflanzenschutzmittel hätten die Ernte auch von Getreide und Raps sichern können, während es Riesenprobleme im Bioanbau gegeben habe. „Ich predige kein Heil im Pflanzenschutz, sondern es geht darum, ob wir das, was wir tun, rechtfertigen können“, betonte Kunz.
Die Menschen wollen gesund bleiben und sich gesund ernähren, wenn sie krank werden, vertrauen sie auf Medizin. Pflanzen und Tiere dürften aber nicht krank werden, niemand rede von Pflanzenmedizin, sondern von Gift und Pestiziden, verdeutlichte der HBV-Vizepräsident.
Als „postfaktische Stellvertreter-Diskussion“ bezeichnete er jene um Glyphosat, das von der europäischen Chemikalienagentur in die gleiche Gefährdungsstufe wie Holzstaub eingeordnet werde. Und niemand wolle das Sägen von Holz verbieten. Man wolle sich aber gegen die Sikkation, die Abreifebeschleunigung von Getreide mittels Pflanzenschutzmitteln, einsetzen, diese habe mit Nachhaltigkeit nichts zu tun, sagte Kunz.
In Bezug auf die geplante Reform der Düngeverordnung verwies Kunz auf Erfahrungen mit Restriktionen in Dänemark. Mit der Folge, dass es dort keinen Qualitätsweizen mehr gebe. Inzwischen sei man auf dem Weg zur Umkehr. Es sei nicht nachhaltig, die Bodenfruchtbarkeit in Gefahr zu bringen, warnte Kunz. Unter Verweis auf die guten Weizenerträge in Deutschland, 8,12 t je ha waren es 2014 (EU-Durchschnitt: 5,68 t/ha, USA: 2,95 t/ha), sprach Kunz von einer Verantwortung Deutschlands für die Welternährung. Wegen der Beschaffenheit von Böden und Klima könne man mehr als in den meisten anderen Regionen produzieren, zugleich sei vielen das Bewusstsein für die Wertigkeit des Bodens abhanden gekommen, kritisierte er Verbrauch und Vernichtung von landwirtschaftlichen Flächen.
„Ist der grundsätzliche Auftrag der Landwirtschaft, die Ernährung zu sichern, überhaupt noch vertretbar?“, fragte er und verwies auf die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg, die in Erfüllung des Auftrages zu Überschüssen und immer leistungsfähigeren Betrieben führte. „Zuerst wollte man satt werden bei der Gründung der EU, darum ist das landwirtschaftliche Budget so groß. Nun geht es darum, zu erklären, was wir tun, wie wir es tun und warum wir es tun. Wir handeln nachhaltig, weil Landwirte Pflanzen ernähren, Pflanzen schützen und Menschen ernähren“, unterstrich Kunz.
Landwirte kümmern sich um Biodiversität
Der Deutsche Bauernverband habe 200 000 Euro für die Öffentlichkeitsarbeit bereitgestellt, darüber würden mittelständische Unternehmen nur lachen. „Wir stehen mit unseren Betrieben im Mittelpunkt und sind selbst die besten Öffentlichkeitsarbeiter“, so Kunz und nannte Großplakate als ein Beispiel. Auch mit dem Einsatz für Biodiversität, wie durch Anlage von Blühstreifen, könne man öffentlich punkten: „Das ist unser Thema, wir machen Biodiversität, alle anderen reden nur davon.“ Er ergänzte: „Der belebte Oberboden hat durch unsere Arbeit in den vergangenen Jahren um 25 Prozent zugenommen. Das hat keine Generation vor uns geschafft.“ Stolz sei sie auf ihre Arbeit und fühle sich gerade jetzt, wenn eine neue Vegetationsperiode beginnt, besonders mit ihrem Beruf verbunden, hatte KBV-Vorsitzende Karin Lölkes zu Beginn der Versammlung betont. „Bauer sein ist die schönste Aufgabe der Welt“, machte sie den Kollegen Mut trotz aller Erschwernisse. Dazu bringe ungebremster Regulierungswahn die Betriebe in Existenznöte, Erzeugerpreise unter Wert und Vorschriftengängelei brächten einen Betrieb nach dem anderen zum Aufgeben. „Trotzdem stehen die meisten Bauern noch fest zu ihrem Beruf und üben ihn mit Hingabe aus“, sagte sie.
Mehr Sensibilität für die Anliegen der Landwirte
Lölkes fasste die Aktivitäten des KBV im vergangenen Jahr zusammen, das aus wirtschaftlicher Sicht sehr schwierig, am drückendsten in den nur noch 146 Milchviehbetrieben im Landkreis, gewesen sei. Man habe in Gesprächen mit allen großen Kreditinstituten der Region um mehr Sensibilität für die Schwierigkeiten der Betriebe gebeten.
Geschäftsführer Heinz-Hermann Nau-Bingel informieÂrte über den KBV. Die 2 043 Mitglieder bearbeiten 39 140 ha. Der OrÂganisationsgrad sei mit 88 Prozent der Betriebe stabil.
Erwin Boland ist Nachfolger von Reiner Nau
Satzungsgemäß war ein Drittel des Vorstandes zu wählen. Karin Lölkes würdigte ihren ausscheidenden Stellvertreter Reiner Nau, der nach 24 Jahren nicht wieder für den Vorstand kandidierte. Neuer stellvertretender Vorsitzender ist Erwin Boland aus Himmelsberg. Als Vorstandsmitglieder bestätigt wurden Stefan Gruß aus Niederklein und Matthias Pitzer aus Bottenhorn, neu dabei ist Kreislandwirt Frank Staubitz aus Caldern.