Brennpunkt Resistenzentwicklung

Bei Ramularia und Cercospora droht die absolute Feldresistenz

Im Rahmen des Pflanzenschutztages Rheinland-Pfalz Mitte Januar am DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück in Bad Kreuznach ging Dr. Friedrich Felsenstein von der Firma Epilogic auf die Entwicklung der Resistenzen bei Pilzen ein.

Dr. Friedrich Felsenstein.

Foto: Setzepfand

Felsenstein untersucht bundesweit die Resistenzentwicklung von Pilzen. Unterschieden wird zwischen zwei Arten der Resistenzbildung. Einmal die qualitative Anpassung der Pilze durch eine Mutation, sie kennzeichnet sich durch eine sprunghafte Resistenzreaktion. Diese qualitative Resistenz tritt bei Strobilurinen und SDHis, den Carboxamiden auf.

Zur Wirksamkeit von Strobilurinen in Weizen stellte er fest: Liegen bereits resistente Isolate der Mutation G143A von mehr als 50 Prozent vor dem Fungizideinsatz vor, dann ist der Krankheitsschutz der entsprechenden Wirkstoffe gegen Weizenmehltau oder Septoria nur noch gering bis unbedeutend. Liegen keine G143A-Isolate vor, dann wirken die Strobilurine sehr gut gegen den Weizenbraunrost.

Gravierende Veränderung bei Cercospora

Als aktuellen Brennpunkt der Resistenzentwicklung sieht Felsenstein die Wirksamkeit der Strobilurine in Zuckerrüben bei Cercospora. „Noch vor wenigen Jahren war das kein Thema, nun ist eine gravierende Veränderung zu beobachten, die neue Lösungen erzwingt“, konstatierte Felsenstein. Die regionalen Unterschiede seien jedoch groß.

So lag die Strobi-G143A-Resistenzbildung bei Cercospora im Jahr 2017 in Brandenburg noch bei unter 20 Prozent, in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt bei 35 Prozent, in Sachsen bei 50 Prozent, in Bayern bei 60 Prozent und in Nordrhein-Westfalen sogar bei 80 Prozent, sodass dort heute keine Wirkung mehr erzielt werden könne.

Brennpunkt bei Netzflecken in Gerste

Einen weiteren Brennpunkt sieht Felsenstein bei Netzflecken in Gerste. Die Häufigkeit der F129L-Isolate im süddeutschen Raum liege zwischen 0 und 70 Prozent. Bei Werten über 50 Prozent sei eine potenzielle Wirkungseinschränkung gegeben, wobei Pyraclostrobin bei der noch verbleibenden Wirksamkeit deutlich besser einzuschätzen sei als Fluoxastrobin oder Azoxystrobin.

Bei einer Untersuchung der Strobilurin/Qol-Resistenz von Netzflecken an Gerste in Rheinland-Pfalz im Jahr 2017 wurden nur bei Ober-Flörsheim 20 Prozent resistente Isolate gefunden. „Insgesamt sieht es hier noch recht positiv aus“, fasste Felsenstein zusammen.

Anders sehe es bei der SDHI oder Carboxamid-Resistenz aus. In Weizen sind derzeit bei den wichtigen Schaderregern Septoria oder den Rostkrankheiten keine besorgniserregenden Entwicklungen im süddeutschen Raum zu verzeichnen. Bei Septoria ist die Resistenzbildung gegenüber SDHIs bekannt, konzentriere sich aber derzeit überwiegend auf Irland, UK oder die Niederlande.

Dynamische Entwicklung bei Netzflecken und Ramularia

Anders bei Gerste: Bei den wichtigen Schaderregern Netzflecken sowie Ramularia sei eine intensive Resistenzentwicklung gegen die SDHIs zu beobachten. „Ãœberraschend ist die Höhe des Anpassungsgrades und auch die Geschwindigkeit, mit der sich die Anpassung vollzieht“, sagte Felsenstein. Für den süddeutschen Raum gebe es derzeit ein sehr inhomogenes aufgefächertes Bild. „Wir stecken mitten in einer dynamischen Entwicklung, in der die untersuchten Stichproben von 0 bis knapp 100 Prozent an Resistenz reichen. Alles ist möglich“, zeigte sich Felsenstein überzeugt.

Nur die Proben von Rheinland-Pfalz betrachtend, zeige sich die Situation nicht klar. Es gebe kleinräumige Unterschiede, im Allgemeinen sei aber noch eine gute SDHI-Wirksamkeit gegen die Netzflecken an Gerste zu erwarten, sagte Felsenstein.

Quantitative Resistenz verläuft schleichend

Bei der zweiten Art der Resistenzbildung, der quantitativen Anpassung, sind schrittweise Änderungen zu beobachten. Es sind viele Mutationen des Pilzes notwendig, weshalb der Vorgang schleichend ist und die Wirkung mal schlechter, mal besser ist. Hier gilt der mittlere Resistenzfaktor (MRF) als Maß, dieser ist abhängig von der aktuellen Wirkstoffempfindlichkeit der untersuchten Proben im Verhältnis zur unselektierten Ausgangsempfindlichkeit.

Als Beispiel nannte Felsenstein die Sensitivität von Cercospora in Zuckerrüben gegenüber Epoxiconazol. In Sachsen-Anhalt liege der MRF-Wert bei 7, in Niedersachsen bei knapp 10, in Sachsen und Bayern bei etwas über 10 und in Nordrhein-Westfalen bei 17. Die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft bewerte MRF-Werte unter 10 als geringer Wirkungsverlust, bei Werten über 30 sei bei Epoxiconazol bereits eine starke Wirkungseinschränkung zu erwarten. MRF-Werte über 30 seien in jedem der eben erwähnten Bundesländer aufgetreten.

Auch Azole sind betroffen

Ein weiterer Brennpunkt liege in Gerste gegenüber Azolen, die zur Bekämpfung von Ramularia eingesetzt werden. Ramularia nehme eine absolute Ausnahmestellung ein, denn es würden sehr hohe Resistenzfaktoren erreicht, die bis hin zur Unwirksamkeit des betreffenden Wirkstoffes reichen. Der Erreger könne neben der quantitativen Anpassung auch qualitativ reagieren und eine Mutation „einbauen“, welche zu absoluter Feldresistenz führt.

„Das kennt man von keinem anderen Pathogen gegenüber Azolderivaten“, so der Referent. Diese Entwicklung laufe derzeit parallel zur SDHI-Resistenz in Süddeutschland ab und trage zu einer überaus problematischen Gesamtsituation bei. Felsenstein betonte: „Noch ist die Lage sehr inhomogen, und alles ist möglich.“

zep – LW 5/2019