Erträge und Qualitäten auf gutem Niveau
Landessortenversuche Wintergerste 2022/2023
Nicht nur das Wetter, sondern auch die Ernteergebnisse der Wintergerste fielen im aktuellen Anbaujahr sehr heterogen und standortspezifisch aus. Gerade das vergangene Frühjahr beanspruchte die Kultur aufgrund ihrer Empfindlichkeit gegenüber Staunässe und ungünstiger Bodenstrukturen sichtbar. Dennoch konnten in den hessischen Landessortenversuchen (LSV) mitunter sehr gute Leistungen beobachtet werden. Wie die aktuellen Sorten unter den diesjährigen Bedingungen abschnitten, zeigen die Ergebnisse der LSV Wintergerste.

Foto: Lauer
Nach ersten Einschätzungen des statistischen Bundesamtes (Destatis 2023) betrug die Anbaufläche in Hessen im vergangen Jahr 65 800 ha. Im Vergleich zum Vorjahr ist dies eine Erweiterung der von rund 5 000 ha. Die langjährige Flächenentwicklung zeigt aber nach wie vor einen leicht rückläufigen Trend der Anbaufläche. Ähnliches ist auch auf Bundeseben zu beobachten. Unter den Getreidearten bleibt die Gerste trotzdem weiterhin das zweitwichtigste Getreide in Hessen, wenn auch der Umfang der Winterweizenanbaufläche mehr als doppelt so groß ist. Der Schwerpunkt im Anbau liegt bei der Winterform, sodass etwa dreiviertel aller Gerstenbestände in Hessen im Herbst ausgesät werden.
Entscheidungen für die Herbstaussaat
Für die Herbstaussaat kommen in Hessen (im Gegensatz zu manch anderen Bundesländern) sowohl zwei- als auch mehrzeilige Sorten in Frage. Diese Entscheidung ist regions- und betriebsspezifisch zu treffen. Klassischerweise ist in Hessen ein „Nord-Süd-Gefälle“ festzustellen. Während im Norden die mehrzeilige Form Vorteile bringt, sind in Südhessen vorrangig zweizeilige Gersten zu bevorzugen.
Grundsätzlich gilt: je kühler und wasserreicher der Standort ist, desto besser eignen sich mehrzeilige Sorten. Bei Trockenheit und Hitzestress sollte sich auf die besseren Kornqualitäten der zweizeiligen Sorten fokussiert werden, um die Mindestqualitäten für eine entsprechende Vermarktung abzusichern. In den weitesten Teilen von Hessen sind dadurch beide Formen anbauwürdig, sodass betriebsindividuell in Abhängigkeit des Standortes entschieden werden muss.
Mehr- und Zweizeilige in getrennten Sortimenten
Um diese Entscheidung zu unterstützen, erfolgt die Prüfung der mehr- und zweizeiligen Sorten in Hessen in zwei getrennten, umfangreichen Sortimenten. Insgesamt stehen sechs Prüforte zur Verfügung. Aufgrund der regional unterschiedlichen Bedeutung werden für die Höhenlagen (Versuchsstandort Korbach) nur mehrzeilige, für die Wärmelagen (Versuchsstandort Griesheim) nur zweizeilige Sorten geprüft. In den Regionen der Versuchsstandorte Friedberg, Marburg, Bad Hersfeld und Fritzlar können beide Formen in Frage kommen, weshalb für die Mittellagen beide Sortimente beurteilt werden. Für einen Vergleich zwischen den beiden Gerstentypen ist grundsätzlich in jedem Sortiment eine Sorte der anderen Gerstenform mitgeführt. Im Versuchsjahr 2022/23 wurden insgesamt 18 mehrzeilige und 14 zweizeilige Wintergerstensorten in den LSV geprüft.
Ziel der jährlichen LSV ist es, die Leistung neu zugelassener Sorten anhand der Leistung bewährter Sorten unter den entsprechenden regionalen Anbaubedingungen zu messen. Zur Ernte 2023 wurden fünf beziehungsweise vier neue Sortenkandidaten in die Sortimente aufgenommen. Die Entscheidung darüber basiert auf den vorherigen Leistungen in den Wertprüfungen des Bundessortenamtes. Da die finale Entscheidung über eine Zulassung der Sorte erst im Frühjahr des Folgejahres fällt, müssen vielversprechende Zulassungskandidaten bereits vorab in die LSV aufgenommen werden.
Auffällig in diesem Jahr ist, dass ein Großteil der neuaufgenommenen Sorten keine Zulassung durch das Bundessortenamt im Nachgang erhielt. Da die Sorten jedoch über eine Zulassung in einem anderen EU-Land verfügen und damit vertriebsfähig sind, werden die Ergebnisse zur Ernte 2023 dennoch veröffentlicht. Allerdings ist eine Weiterprüfung der Sorten dadurch nicht gewährleistet.
Für eine fundierte Aussage über Ertrags- und Qualitätsleistung sowie agronomischer Eigenschaften, muss eine Sorte mindestens drei Jahre geprüft werden. Gerade Ertragsstabilität ist bei den aktuell jährlich stark schwankenden Witterungsbedingungen ein überaus wichtiges Kriterium für einen sicheren Anbau. Hier zeigen Sorten deutliche Unterschiede, schlichtweg bedingt durch sortenspezifische Krankheits- und Lageranfälligkeiten. Um dies zu erfassen, werden alle Sorten in den LSV unter einheitlichen Bedingungen (Bodeneigenschaften, Nährstoffversorgung, Saatstärke, etc.) geprüft.
Lediglich die Pflanzenschutzintensität wird zur Bewertung der Standfestigkeit und gesundheitlichen Ausstattung variiert. Unter reduzierten Bedingungen, wird die Leistung der Sorten ohne Fungizid und mit maximal 50 Prozent der optimalen Wachstumsreglermenge erfasst. Auftretende Pflanzenkrankheiten oder Standfestigkeitsprobleme können so unmittelbar den Sorteneigenschaften in Verbindung mit dem Standort zugerechnet werden. Das tatsächliche Leistungspotenzial einer Sorte lässt sich in der optimierten Behandlungsvariante abbilden, bei der die Sorten standortüblich mit Fungiziden und Wachstumsreglern behandelt werden. Neben der Ermittlung des Kornertrags erfolgt nach Ernte die Analyse der Qualitätsparameter Rohproteingehalt, Hektolitergewicht und Tausendkornmasse.
Cecilia Hüppe, Fachinformation Pflanzenbau, LLH – LW 32/2023