Herbstzeitlose entwertet artenreiches Extensivgrünland

Die Giftpflanze naturverträglich zurückdrängen

Wenn im Herbst die rosa-violetten Blüten der Herbstzeitlosen erscheinen, ist dies nicht für alle ein Grund zur Freude. Viele Landwirte haben schon seit längerem mit einem großen Problem zu kämpfen: Durch die giftigen Bestandteile der Herbstzeitlosen im Heu kann dieses nicht mehr verfüttert oder verkauft werden. Sind große Flächen betroffen, wird das schnell zum wirtschaftlichen Problem.

Beschädigte Samenkapsel nach Mulchschnitt.

Foto: Bauer

Nicht nur für die Landwirte stellt das vermehrte Auftreten der hochgiftigen Herbstzeitlose ein Problem dar. Können nämlich die extensiv be­wirtschaft­eten Wiesen nicht weiter für die Heumahd genutzt werden, geht der artenreiche Lebensraum „Extensivgrünland“ mehr und mehr verloren – mit fatalen Konsequenzen für die Artenvielfalt.

Projekt Landwirtschaft und Naturschutz in der Kinzigaue

Vor diesem Hintergrund hat sich unter der Leitung der Gesellschaft für Naturschutz und Auenentwicklung (GNA e.V.) ein großes Projektbündnis aus Landwirten, dem Kreisbauernverband Main-Kinzig, dem Amt für Umwelt, Naturschutz und länd­lichen Raum (MKK), dem Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen, dem Gebietsagrarausschuss und den Kommunen Erlensee, Rodenbach, Lan­genselbold, Hasselroth und Gründau gebildet. Gefördert wird das Projekt vom Land Hessen über das Hessische Programm für Agrarumweltund Landschaftspflegemaßnahmen (HALM). Das Projektgebiet erstreckt sich entlang der Kinzigaue von Er­lensee bis Gründau-Rothenbergen und somit über eine Gesamtfläche von rund 600 ha. Weitere Unterstützung erfährt das Projekt durch die Deutsche Bun-desstiftung Umwelt (DBU). Die Förderung der Stiftung ermöglicht eine umfassende wissenschaftliche Be- gleitung des Projekts. So wird jährlich durch pflanzensoziologische Aufnahmen die Artenzusammen­setzung erfasst und dokumentiert. Dadurch können Änderungen in der Artenzusammensetzung, die sich durch die geänderten Bewirtschaftungsvarianten ergeben – wie zum Beispiel die Verschiebung des Mahdzeitpunktes – ermittelt werden. Dies er­möglicht eine Bewertung der Be­wirtschaftungsvarianten hinsichtlich ihrer Auswirkung auf die botanische Artenvielfalt.

Effekte verschiedener Rückdrängungsvarianten

Auch die Anlage eines Versuchsfeldes konnte durch die Förderung realisiert werden. Die kleinflächige Versuchsanordnung gewährleistet die genaue Beobachtung der Effekte verschiedener Rückdrängungsvarianten auf einzelne Herbstzeitlose-Pflanzen. Das Projekt soll die akuten Anfor­derungen der landwirtschaftlichen Produktion mit den naturschutzfachlichen Zielsetzungen für Grünland als Lebensraum unzähliger Tier- und Pflanzenarten verbinden. Insbeson­dere gilt es, langfristig zu gewähr­leisten, dass das naturschutzfachlich wertvolle Wiesenland durch die landwirtschaftliche Nutzung erhalten bleibt. Dazu ist zu sichern, dass die Landwirtschaft auch in Zukunft die Möglichkeit hat, ihre ökonomischen Interessen zu wahren.

Wiesenbrüterschutz durch variable Mahdmuster

Im Fokus des Naturschutzes stehen vor allem wiesenbrütende Vogelarten, wie Kiebitz und Bekassine, aber auch Amphibien und Insekten. Gerade der moderne Wiesenbrüterschutz benötigt variable Mahdmuster in der Fläche und über die Zeit, um in der Brutzeit immer wieder Brut-, Nahrungs- und Rückzugsräume anzubieten. Durch die Mulchschnitte, die zur Rückdrängung der Herbstzeitlosen empfohlen werden, entstehen genau solche Muster. Projektbegleitend werden zudem Nahrungsbiotope wie flache Tümpel angelegt und störende Gehölzbarrieren beseitigt – ohne landwirtschaftlich genutzte Fläche zu tangieren.

Photosynthese-Hemmung als Erfolgsrezept

Die Fläche vor der Mulchmaßnahme.

Foto: Bauer

Die Herbstzeitlose soll auf den Grünlandflächen durch verschiedene Bewirtschaftungsvarianten, wie frühe Mulchschnitte und Mahdtermine beziehungsweiseSilageschnitte, naturverträglich zurückgedrängt werden. Bei Betrachtung des Lebenszyklus der Herbstzeitlosen wird deutlich, dass ein früher Schnitt bei einer Blattlänge von rund 25 cm den Bestand schwächen kann. Die Pflanze muss Energie aufwenden, um im Frühjahr Blätter und Samenkapseln aus dem Boden an die Oberfläche zu bringen. Die Nährstoffreserven sind dann in den oberirdischen Pflanzenteilen gebunden. Die entstehende Tochterknolle lagert zu diesem Zeitpunkt kaum neue Reservestoffe ein, die Mutterknolle ist ausgezehrt. Werden die Blätter dann abgeschnitten oder beschädigt, hat die Herbstzeitlose keine Möglichkeit Photosynthese durchzuführen, um ihre Stärkereserven zu erneuern. Ist der Schnittzeitpunkt richtig gewählt, werden in der gleichen Vegetationsperiode auch keine neuen Blätter mehr ausgebildet. Durch die Auszehrung wird zudem die vegetative Vermehrung beeinträchtigt. Zum Zeitpunkt der Heumahd im Juni sind die Flächen dann frei von Herbstzeitlosen. Der „zweite“ Aufwuchs fällt abhängig von der Witterung unterschiedlich hoch aus, kann jedoch problemlos verfüttert beziehungsweisevermarktet werden.

Konzepte zur Bewirtschaftung

Frontmulcher-Einsatz.

Die Bekämpfung der Herbstzeitlosen empfiehlt sich ab einer Dichte von zwei Pflanzen/m². Ist dieser Wert deutlich überschritten und sind große Bereiche der Wiesenfläche betroffen, sollte ein früher Mulchschnitt durchgeführt werden. Ist der Aufwuchs noch verwertbar, eine Rückdrängung aber trotzdem sinnvoll, um eine weitere Ausbreitung zu vermeiden, ist ein Silageschnitt geeignet. Nach Möglichkeit sollte Ende April/Anfang Mai gemulcht werden. Sowohl bei der Mahd als auch beim Mulchschnitt ist es von Vorteil, wenn die Samenkapsel zum Zeitpunkt des Schnittes bereits ausgebildet ist und von der Maschine erfasst wird, was eine Reifung und spätere Verbreitung der Samen verhindert. Die erarbeiteten Bewirtschaftungsvarianten kommen großflächig im gesamten Projektgebiet zum Einsatz, je nach Verteilung und Dichte der Herbstzeitlosen auf den Flächen und nach Absprache mit dem jeweiligen Bewirtschafter. Die Auswahl und Entwicklung der Bewirtschaftungsvarianten erfolgte hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Herbstzeitlose und der möglichen Auswirkungen auf die Artenvielfalt und -zusammensetzung. Nach Auswertung der Herbstzeitlosen-Kartierungen im Frühjahr und Herbst eines jeden Jahres kann die Bewirtschaftung bei Bedarf angepasst werden.

Erste Maßnahmen zeigen Erfolge

Die Bearbeitungsfläche zeigt keine Blüten mehr.

Im Frühjahr 2016 sind die ersten Rückdrängungsmaßnahmen auf den Projektflächen erprobt worden. Anfang Mai erfolgten Mulchschnitte auf Flächen mit hoher Herbstzeitlosen-Dichte. Die Samenkapseln waren zu diesem Zeitpunkt bereits gerade so weit nach oben geschoben, dass sie mit abgetrennt beziehungsweiseso stark beschädigt wurden, dass die Samenreifung nicht stattfinden konnte. Diese Flächen wiesen im Herbst 2016, im Vergleich zum Herbst 2015, wenige bis keine Herbstzeitlosen-Blüten mehr auf. Da ohne die Blüten auch keine Bestäubung erfolgen kann, werden diese Pflanzen im nächsten Frühjahr keine Samenkapseln ausbringen können, was eine generative Ausbreitung und Vermehrung der Pflanze verhindert. Auch das Ausreißen der Blätter auf einer weniger belasteten Fläche zeigte eine ähnliche Reduzierung der Blütenzahl.

Leitfaden zur Rückdrängung als Ziel

Das Projekt ist auf eine Dauer von sechs Jahren angelegt, um umfang­reiche Erkenntnisse über die Wirkung der verschiedenen Rückdrängungsmaßnahmen auf die Herbstzeitlose, aber auch auf die Artenvielfalt und -zusammensetzung zu erhalten. Nach einer Evaluation fließen die Ergeb­nisse in einen Leitfaden, der betroffenen Landwirten auch außerhalb des Main-Kinzig-Kreises zur Verfügung gestellt wird.

 – LW 11/2017