Hitzewelle endete mit Millionenschäden

In Hessen und in der Pfalz 15 000 Hektar von Unwettern betroffen

Hagelschloßen bis zur Größe von Hühnereiern sowie schwere Orkanböen und ein Tornado haben zum Ende der jüngsten Hitzewelle in der Landwirtschaft zu enormen Schäden in Millionenhöhe geführt. Vor allem am Sonntag, 5. Juli, und Dienstag, 7. Juli, traf es die Bezirksdirektionen Gießen und Alzey besonders hart. Innerhalb von nur wenigen Stunden gingen hier über 1000 Schadenmeldungen ein. Das entspricht rund 5000 geschädigten Feldstücken mit einer Gesamtfläche von über 15 000 Hektar und damit der Hälfte der angemeldeten Fläche des Jahres.

Raps-Hagelschaden mit Sachverständigem Helmut Hahn (Lahntal).

Foto: Jürgen Schuldig-Fritsch

In Hessen sind die höchsten Schäden im Norden zu verzeichnen, hier vor allem in einem Korridor zwischen Korbach und Hofgeismar mit deutlichem Schwerpunkt in den Orten Volkmarsen und Wolfhagen.

Hessen: Alle Kulturen betroffen, bis hin zu Totalschäden

Ausläufer des Unwetters richteten auch im Großraum Marburg (Gladenbach und Lahntal) heftige Schäden an. Eine weitere Gewitterlinie zog von Bad Soden-Salmünster über Fulda bis Eiterfeld und Tann in der Rhön.

Geschädigt wurden so gut wie alle angebauten Ackerkulturen: Getreide, Raps, Mais, Zuckerrüben und Kartoffeln. Aufgrund des vermehrten Anbaus von Hülsenfrüchten wurden auch vielfach Ackerbohnen, Erbsen und zum Teil Sojabohnen zerstört. In einigen Gebieten waren auch Kohl und Kürbis betroffen.

Der neue Bezirksdirektor in Gießen, Jürgen Schuldig-Fritsch, musste im ersten Jahr direkt seine Feuertaufe bestehen. Er sorgte dafür, dass die ersten Sachverständigen bereits am Montagvormittag – wenige Stunden nach dem Unwetter – vor Ort waren, um zuerst druschreife Bestände von Wintergerste zu begutachten. So konnten alle Feldstücke mit Wintergerste direkt vor dem Mähdrescher noch bewertet werden. Da die Sachverständigen auch am Samstag und zum Teil am Sonntag im Einsatz sind, werden bis Ende dieser Woche auch alle anderen Kulturen reguliert werden können. Die festgestellten Schadenquoten reichen von wenigen Prozent bis hin zu Totalschäden.

Tornado in Rheinhessen

Nordhessen: Hagelschaden im Mais.

Foto: Jürgen Schuldig-Fritsch

Drei Gewitterzellen, die im Abstand von jeweils zwei Stunden von Ludwigshafen über Mannheim bis nach Höchst im Odenwald zogen, richteten im Gebiet der Bezirksdirektion Alzey die schwersten Schäden der letzten Woche an. Die beiden Schwerpunkte der Schadenmeldungen sind der Raum Otterstadt/Waldsee zwischen Speyer und Ludwigshafen sowie das

Gebiet nördlich von Groß-Umstadt.

Ein kleinerer Schadenstrich geht von Göllheim in der Nordpfalz über Framersheim in Rheinhessen bis in den Süden von Mainz (s. nächste Seite). In diesem Strich sind vor allem Sturmschäden zu verzeichnen, die von Secufarm 3 gedeckt sind. Allerdings war im Gefolge des Tornados, der in Framersheim wütete, auch kleinräumig kräftiger Hagel dabei.

Druschreife Bestände wurden vorrangig begutachtet

Neben den klassischen Ackerbaukulturen wurden hier auch Reben und Rebschulen getroffen, so dass im Einzelfall Schadensummen bis zu einer Viertelmillion Euro zu verzeichnen waren.

Auch Bezirksdirektor Dr. Heinzbert Hurtmanns konnte sicherstellen, dass druschreife Bestände vorrangig begutachtet wurden, um die Erntearbeiten nicht zu verzögern. In Hessen und Rheinland-Pfalz sind zurzeit rund 50 Sachverständigenkommissionen im Einsatz.

Auch in den anderen Bundesländern wüteten Unwetter

Ging man Anfang Juli noch davon aus, mit einem blauen Auge davon gekommen zu sein, zeigt sich einige Tage nach den Unwettern ein anderes Bild: Allein für die Bezirksdirektionen Gießen und Alzey rechnet die Vereinigte Hagel bislang mit einer Entschädigungssumme von mindestens 10 Mio. Euro. Auch in den anderen Bundesländern wüteten die Unwetter Anfang Juli. Besonders schwer getroffen wurden die „klassischen“ Schadengebiete in Baden-Württemberg und Bayern sowie die Bezirksdirektionen Münster und Berlin.

Aufräumarbeiten im rheinhessischen Framersheim

Vergangenen Dienstag flogen in Framersheim innerhalb weniger Minuten Dachziegel wie Blätter durch die Gegend, Bäume sind abgebrochen, Dachstühle eingestürzt, und ein hoher Sachschaden entstand an Gebäuden und Fahrzeugen. Zum Glück wurde keiner der knapp 1 600 Bewohner verletzt. Die Windhose zerstörte auch an das Dorf grenzende Weinberge und Äcker sowie eine Rebschule (großes Foto rechts von Dr. Hurtmanns), die in einer bestimmten Schneise lagen.

Über eine Woche nach dem Unwetter sind die Bewohner von Framersheim weiterhin mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Gutachter und Sachverständige der Versicherungen geben sich die Klinken in die Hand und es gibt nur wenige Bewohner, die verschont blieben. Das Bild links wurde der Redaktion von Hedda Hinkel zugeschickt, der Frau des Vizepräsidenten des rheinhessischen Weinbauverbandes. Das kleine Bild wurde von einem Feuerwehrmann gemacht auf der Fahrt zum Einsatzort Framersheim. Auch in Waldsee, Otterstadt und Schifferstadt wurden schwere Unwetter mit Sachschäden gemeldet. Dr. Heribert Hurtmanns von der Bezirksdirektion Alzey der Vereinigten Hagelversicherung teilte mit, dass mit dem 12. Juni, dem Hagelzug von Rockenhausen nach Bad Kreuznach, nun rund 500 Betriebe mit Schäden im Verbandesgebiet BWV RLP Süd zu verzeichnen sind. Fünf bis sechs Millionen Euro Entschädigung werden bisher ausgezahlt.

LW

Entschädigung beträgt knapp 50 Millionen Euro

Insgesamt beträgt die Entschädigung, die in Deutschland bis heute berechnet wurde, knapp 50 Millionen Euro. Für die Experten der Versicherung ist der Witterungsverlauf der nächsten Wochen entscheidend: Denn die meisten Kulturen stehen unmittelbar vor der Reife und sind jetzt am stärksten gefährdet. Bei Raps beispielsweise reicht ein leichter Hagelschauer, um die Schoten aufzubrechen und die Saat unwiederbringlich zu vernichten.

Daniel Rittershaus, Vereinigte Hagelversicherung, Gießen – LW 29/2015