Hoffen auf „kleine Ausgabe“ des Milchtisches in Hessen

Tagung „Landwirtschaft im Gespräch“ zum Hessentag

Während des Hessentages führte am Montagabend das hessische Landwirt­schaftsministerium (HMUKLV) die Diskussionsveran­staltung „Landwirtschaft im Gespräch“ in Merkenbach durch. Staatssekretärin Dr. Beatrix Tappeser, der Präsident des Hessischen Bauernverban­des, Karsten Schmal und Hans-Jürgen Müller von der Vereini­gung ökologischer Landbau in Hessen diskutierten mit 100 Landwirten im Bürgerhaus über Wege in der Agrarpolitik, um den Betrieben in ihrer mittlerweile seit über zwei Jahren andauernden Krise zu helfen.

Podiumsdiskussion zum Landwirtschaftsabend beim Hessentag in Herborn, von rechts: Hessens Bauernpräsident Karsten Schmal (HBV), Staatssekre­tärin Dr. Beatrix Tappeser (HMUKLV) und Hans-Jürgen Müller, Sprecher der Vereinigung Ökologischer Landbau in Hessen (VÖL).

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Vor der Diskussion gab es Beiträge der Podiumsteilnehmer. Dr. Beatrix Tappeser sprach über Ziele, welche die schwarz-grüne Koalition nach den zweieinhalb Jahren Regierung in Hessen auf den Weg gebracht habe, wie den Zukunftspakt „Hessische Landwirtschaft“ zum Erhalt der bäuerlichen Familienbetriebe, den Runden Tisch zum Tierwohl oder die Eiweißinitiative, um weniger Soja zu importieren.

Schwerpunk legte sie auf die Milch: Bei der Agrarminister­kon­ferenz im April sei be­schlos­sen worden, auf freiwilliger Basis zwischen Erzeugern und Molkereien eine Mengenrückführung in der Anlieferung zu erreichen. Sei das erfolglos, müsse Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt eine Regelung zur Reduzierung erarbeiten. Für den 8. Juni werde zu einem „kleinen Milchtisch“ in Hessen geladen, an dem sich die Akteure mit Vertretern der Poli­tik, des Berufsstandes, der Molkereien und des Handels zusammensetzen.

Karsten Schmal, Präsident des Hessischen Bauernverbandes (HBV), selbst Milcherzeuger in Waldeck meinte, über die Existenznot der Milchbauern werde zwar berichtet. Aber diese Krise betreffe fast alle Tierhalter. So dramatisch die Lage bei Milch derzeit sei, festzustellen sei aber, dass im Moment der Preisverfall nicht nur bei der Milch, sondern in allen Sparten „linear durchgereicht“ werde. Mit der Folge: „Die Ferkelerzeuger sterben leise“, warnte der HBV-Präsident.

Ursache sei die Spanne zwischen den Erzeugerpreisen und den an der Laden­theke: Sie habe sich auf Kosten der Landwirte vergrößert. Er ergänzte: „In dieser Lage erlaubt das Wirtschaftsministerium sogar die Fusion von Tengelmann und Edeka.“

Sonntag geht der Hessentag 2016 mit einem großen Umzug zu Ende.

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In Gesprächen mit Vertretern der Nahrungsindustrie und den Lebensmittelket­ten falle auf, dass in diesem Geschäft immer weniger Bereitschaft sei, mit Erzeugern auf Augenhöhe zu handeln und sagte „Wir sind der Meinung, dass sich das ändern soll.“

Seiner Einschätzung nach betrifft die Krise am Milchmarkt die Großbetriebe in Ostdeutschland noch stärker, als die Famili­enbetriebe in Hessen „Ich denke, dass die kleinen Betriebe diese Krise am ehesten überstehen. Die ersten Betriebe, die aussteigen, sind Lohnarbeitsbetriebe, die jede AK bezahlen müssen.“

Menge reduzieren, aber wie?

Um zu besseren Preisen zu kom­men, hält Schmal nur zwei Wege für realistisch. Zum einen, den Export zu verstärken, zum Beispiel nach Afrika. Zum anderen die Mengenreduzierung beim Erzeuger. Das sei schwierig: als Landwirt will er den eigenverantwortlich arbeitenden Betriebsleitern ihr Tun nicht vorschreiben. Also kann er sich dies nur für auslaufende Betriebe vorstellen. Aber wohin dann mit den Kühen? Gehen sie auf einen anderen Betrieb, geben sie weiter Milch. „Ich warne aber vor einer Abschlachtprämie – diese Diskussion halten wir Landwirte in der Gesellschaft nicht aus“, konstatierte der HBV-Chef.

Eine Mengenreduzierung auf freiwilliger Basis ist seiner Meinung nach nur euro­paweit möglich. Schmal appellierte an die Landesregierung, den Betrieben an Standorten in Mittelgebirgslagen zu helfen. Bei im Bundesvergleich nur circa 0,5 Großvieh­einheiten/ha in Hessen, hält er es für nötig, dass hier die Milch­erzeugung gerade in den Grünlandregionen bleiben sollte.

An der Landwirtschaft hängen viele Arbeitsplätze

In Bezug auf die Anliegen der Landwirte waren sich Schmal und ein Landwirt im Saal schnell einig, welcher meinte: „Opel wurde ge­holfen, die Banken wurden gerettet, aber uns Bauern will man nicht helfen.“ Schmal: „Das Verhältnis ist nicht da, wir werden von den Politikern nicht so gehört, wie es sein müsste. Die Autoindustrie bekommt Milliarden auf Zuruf, aber Landwirte gerade mal 100 Mio. Eu­ro. Aber an der Landwirtschaft hängen durch die ihr vor- und nachgelagerten Branchen sehr viele Arbeitsplätze in Deutschland.“

Hans-Jürgen Müller, Sprecher der Vereinigung Ökologischer Landbau in Hessen (VÖL), sprach über eine „noch nie da ge­wesenen Preisdif­ferenz zwischen Bio-Milch und konventioneller Milch.“ Ökomilchbauern erhielten zurzeit etwa 49 Cent je Liter. Der Biomarkt habe zwar noch etwas Po­tenzial, jedoch sei bei vielen Molkereien die Verarbeitungsschiene für Ökomilch ausgereizt, so dass sie kaum noch Lieferanten aufnehmen. Trotz des auf den ersten Blick hohen Auszahlungspreises für Ökomilch, solle man beachten, dass dieser auch dort gerade nur ein auskömmlicher Preis sei: „Auch die Umstellung auf Öko muss gut überlegt sein. Nicht jeder Ökobetrieb ist erfolgreich.“

Müller kritisierte eine zu hohe Bürokratie, besonders im Ökosektor. So würden in Hessen jedes Jahr zusätzlich zu den bereits vielen Kontrollen in den Ökobetrieben etwa 90 weitere Betriebe durch die WiBank eingelost. „Es reicht uns langsam an Kontrollen“, so Müller.

Moe – LW 21/2016