Milchkrise und kein Ende: Gemeinsam Lösungen finden

„Milchgespräch auf dem Futtertisch“ in Ronneburg

„Wir müssen es schaffen, dass der Erzeuger nicht der Verlierer ist“. Diese Worte von Karsten Schmal, dem Präsidenten des Hessischen Bauernverbandes (HBV), verdeutlichen die Problematik, die der Anlass zu einem „Milchgespräch auf dem Futtertisch – Wie finden wir gemeinsam aus der Krise?“ waren.

Über 100 Landwirte kamen zur gemeinsam durchgeführten Veranstaltung des Regionalbauernverbandes Wetterau-Frankfurt mit den Kreisbauernver­bänden Hochtaunus und Main-Kinzig „Milchgespräch auf dem Futtertisch“ auf zum Betrieb Schmidt GbR in Ronneburg.

Foto: Dr. Heiko Habermann

Aufgrund der aktuellen Milchkrise luden der Regionalbauernverband Wetterau-Frankfurt und die Kreisbauernverbände Hochtaunus und Main-Kinzig ihre Mitglieder in der vergangenen Woche auf den Milchviehbetrieb der Schmidt GbR von Reiner und Helga Schmidt in Ronneburg-Neuwiedermuß ein, um einerseits über die derzeitige Markt­situation zu informieren und andererseits die Möglichkeit der Diskussion zu bieten. Neben der Milchreferentin des HBV, Katrin Hess, und dem Präsidenten des HBV, Karsten Schmal, waren auch Vertreter der Molke­reien des Verbandsgebietes eingeladen.

Entwicklung des Marktes hängt von vielen Faktoren ab

Andrea Rahn-Farr, Vorsitzende RBV Wetterau-Frankfurt und Bruno Wörner, Vorsitzender KBV Main-Kinzig, eröffneten die Veranstaltung vor zahlreichen Teilnehmern aus dem Berufsstand. HBV-Referentin Hess erläuterte die aktuelle Situation auf dem Milchmarkt. Nach dem schwachen Start ins Jahr 2016 durch starken Wettbewerb und weitere Preisrückgänge, insbesondere durch die abgeschlossenen Kontrakte mit dem Lebensmitteleinzelhandel (LEH), befinden sich die Erzeugerpreise für Milch aktuell auf einem sehr niedrigen Niveau von circa 20 bis 21 Cent je Liter Milch. Jedoch zeichnete sich im Juni eine Stabi­lisierung an den europäischen Produktmärkten ab, zwar auf sehr niedrigem Niveau, aber mit leicht steigender Tendenz. Die weltweite Nachfrage nach Milchprodukten scheint sich zu erholen und die Preisentwicklung auf dem Spotmarkt von 15 Cent Anfang Mai auf derzeit 23 bis 25 Cent gibt Anlass zur Hoffnung. Dennoch sei eine kurzfristige Besserung der Lage nicht in Sicht, weil die Ab­schlüsse mit dem LEH den Milchpreis derzeit noch auf niedrigem Nive­au halten würden. Erholung beim Milchgeld sei nicht vor dem letzten Quartal 2016 in Sicht, wenn die nächsten Kontrakt­ver­hand­lungen anstehen.

Position der Molkereien bei Preisverhandlungen stärken

Frank Hammen, Vorstandsmitglied der Hochwald-Molkerei, machte den Milchviehhaltern Mut „Ein Silberstreif am Horizont ist sichtbar“. Bei Hochwald sei durchaus bekannt, dass die Betriebe nicht viel länger durchhalten können und schnelle Lösungen dringend brauchen. Die Hochwald-Molkerei sehe Verbesserungsansätze durch die Nutzung von Synergieeffekten zwischen Molkereien, damit diese sich besser aufstellen können und so bessere Preise für ihre Lieferanten erzielen können. Er hoffe auf die nächsten Preisverhandlungen mit dem LEH, denn diesem seien die Kostenstrukturen bewusst. „Wir könnten viel, wenn wir zusammenstünden“, ein Zitat nach Schiller, beschreibt treffend die Kernaussagen des Vortrages von Frank Hammen.

Landesregierung hilft mit erhöhter Ausgleichszulage

HBV-Präsident Karsten Schmal (l.) und Frank Hammen, Milcherzeuger aus Wehrheim und Vorstandsmitglied bei Hochwald.

Foto: Miriam Bienau

HBV-Präsident Schmal stellte das Positionspapier des HBV zur Bewältigung der Markt- und Preiskrise vor. „Man muss Optimist sein“ und damit sprach er sicher jedem der etwa 110 an­we­senden Landwirte aus der Seele. Er forderte die Milchviehhalter auf, an einem Strang zu ziehen, denn nur mit einer einheitlichen Stimme könne man bei der Politik etwas bewirken. Zudem begrüßte er die zusätzlichen finanziellen Mittel der Hessischen Landesregierung, die als einziges Bundesland weitere Hilfen zugesagt hat. Hessen möchte die Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete in diesem Jahr deutlich erhöhen und teilweise noch im Juli 2016 auszahlen. Circa 70 Prozent der hessischen Milcherzeuger können davon profitieren. Dennoch sei der HBV selbstverständlich weiter aktiv, um auch denjenigen Be­trieben, die nicht in den benachteiligten Gebieten liegen und genauso wie ihre Kollegen mit der derzeitigen Situation zu kämpfen haben, bessere politische Rahmenbedingungen und Unterstützung zukommen zu lassen. Es gebe viele Baustellen, um die Milchkrise zu bewältigen: Die Molkereien sollten Verhandlungen mit dem LEH vorantreiben, um die Spanne zwischen Erzeuger- und Ver­brau­cher­prei­sen zu Gunsten der Erzeuger zu verändern. Zudem müssten die bestehenden Kontrakte neu verhandelt werden, um eine sofortige Wirkung auf die Milchpreise zu erzielen.

Phasen niedriger Preise besser überbrücken

Die Politik sei gefordert, die Rahmenbedingungen der Landwirtschaft zu verbessern und die vielfältigen Leistungen der Landwirtschaft anzuerkennen – diese bestünden nicht nur in der Produktion hochwertiger Lebensmittel, sondern auch im Erhalt der Kulturlandschaft. Beides gebe es nicht zum „Nulltarif.“ Ein Verkauf der hochwertigen Lebensmittel unter Einstandspreis dürfe nicht erlaubt sein. Auch die Landwirte selbst sollten aktiv werden und ihre Betriebe so aufstellen, dass sie Krisen meistern können, Preistäler und Hochphasen werde es auch in Zukunft geben. Zudem müssten sie authentisch in der Öffentlichkeit auftreten, um negativen Be­richten gegenüber zu treten. In der Diskussion wurden die Sorgen und Ängste der Milcherzeuger deutlich. Vor allem die gemeinsame Milchvermarktung in den Molkereigenossenschaften, die 70 Prozent der deutschen Milchmenge verarbeiten und verkaufen, stand im Zentrum der Gespräche. Konstruktive Vorschläge wurden gemacht, wie man die Lieferbeziehungen umgestalten könnte. In vielen Beiträgen richtete sich der Fokus auf den Verbraucher. Nur, wenn er erkenne, welche hochwertigen Lebensmittel durch die Landwir­te in Hessen produziert werden, könne sich etwas ändern. Die Vorsitzenden Rahn-Farr und Wörner hoben hervor, dass der Bauernverband stets ein offe­nes Ohr für die Probleme seiner Mitglieder habe. Die Betriebe erhielten bestmögliche Unterstützung seitens der Geschäftsstellen des Regionalbauernverbandes Wetterau-Frankfurt am Main sowie des Kreisbauernverbandes Main-Kinzig. Nach der durchweg sachlichen und offenen Diskussion saßen die Landwirte noch lange Zeit beisammen und führten die Gespräche zum Thema miteinander lebhaft weiter. Viele nahmen die Erkenntnis mit, dass es eine einfache Lösung in der aktuellen Milchpreiskrise nicht gibt. Der Berufsstand dränge aber auf mehrere Bausteine im Markt sowie in der Politik, um zu einer Entspannung der Lage beizutragen.

Bienau, hbv – LW 27/2016