Ländlicher Raum braucht Arbeit, Mobilität und Landwirtschaft

Hessisches Kabinett tagte in Korbach-Helmscheid

Ein klares Bekenntnis zur Landwirtschaft, ebenso wie zum ländlichen Raum, gab Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier mit dem Besuch seines Kabinettes am Montag in Korbach-Helmscheid. Die Landesregierung tagte im Kuhstall-Café des Betrie­bes der Familie Reinhard Bürger-Grebe. Im Anschluss wurde der mit Milcherzeugung, Biogasanlage und einem landtechnischen Lohnunternehmen breit aufgestellte landwirtschaftliche Betrieb besichtigt.

Gruppenbild der Teilnehmer der Kabinettssitzung auf dem Betrieb Bürger-Grebe mit Landesvater Volker Bouffier in der Bildmitte.

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Die Landesregierung wolle die ländlichen Regionen stärker fördern, so Bouffier. Im Korbacher Raum werde besonders deutlich, wie „Weltfirmen“ der Industrie und eine erfol­greiche Landwirtschaft gemeinsam der ganzen Re­gion wichtige Impulse geben. Die Landesregierung unterstütze die Wirtschafts- und Innovationskraft des ländlichen Raums durch den Ausbau der Breitbandinfrastruktur, den Ausbau der In­frastruktur und Bahnhöfen, sagte der Ministerpräsident.

Landwirtschaft in der Wertschöpfungs­kette stärken

Karsten Schmal, Präsident des Hessischen Bauernverbandes (HBV) informierte über die Landwirtschaft in der gastgebenden Region Waldeck-Frankenberg. Der Landkreis sei in Hessen der flächengrößte Kreis und stark von Landwirtschaft geprägt. Es handele sich um eine benachteiligte Region. 42 Prozent der Fläche, insgesamt rund 70 000 ha, werden landwirtschaft­lich genutzt. Hier wird in Hessen die meiste Milch produziert. Die Landwirtschaft sei von engagierten Betriebsleitern geprägt, die ihre Betriebe zukunftsfähig halten wollten, so der HBV-Präsident. Der Betrieb Bürger-Grebe sei ein Beispiel dafür, wie sich Hessens Landwirtschaft in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten fortentwickelt habe, stellte Schmal heraus.

„In Hessen bewirtschaften 16 300 Betriebe eine Fläche von 767 500 ha und damit rund ein Drittel der Landesfläche Hessens“, fügte Bouffier hinzu und sagte: „Die Landwirtschaft versorgt uns mit Lebensmitteln und sichert auch unsere Lebensgrundlagen.“ Innerhalb der Wert­­schöpfungs­kette müsse die Position der Erzeuger der Landwirtschaft gestärkt werden. Das sieht Hessens Landwirtschaftsministerin Priska Hinz als eine weitere wichtige Aufgabe für die Landwirtschaft in Hessen an. Dazu sollen auch Verarbeitungsstrukturen in der Region geschaffen und gefördert werden.

Fünfjahresvertrag mit der „Gutes aus Hessen“ GmbH

Um die Vermarktung hessischer Agrarprodukte zu fördern, hat die Ressortchefin einen weiteren Fünf­ahresvertrag mit der Marketinggesellschaft „Gutes aus Hessen“ unterschrieben. Dieser startet am 1. Januar 2018. Die Marketinggesellschaft stelle seit mehr als 25 Jahren ein wichtiges Instrument für Hessens Land- und Ernährungswirtschaft dar. Der Vertrag gelte für konventionelle und ökologische Betriebe und umfasse ein Volumen von circa 8 Mio. Euro. Hiervon sollen 1,45 Mio. Euro auf 2018 und je 1,65 Mio. Euro auf die folgenden Jahre entfallen.

Unterschiede zwischen den Regionen werden größer

Das Leben auf dem Land solle attraktiv bleiben. Dafür gelte es, rechtzeitig die Weichen zu stellen. So geht eine Bevölkerungsprognose des Landes davon aus, dass Hessen im Jahr 2030 insgesamt mehr Einwohner hat, als heute. Allerdings werden die regiona­len Unterschiede in der Bevölkerungsentwicklung größer, erwartet Bouffier. Ballungsräume wie das Rhein-Main-Gebiet oder Kassel würden wachsen, hingegen würden die ländlich geprägten Räume in Nord- und Osthessen deutlich schrumpfen.

Für den Landkreis Waldeck-Frankenberg wird demnach bis 2030 ein Verlust an Einwohnern von knapp fünf Prozent erwartet. Dort wohnen derzeit 85 Menschen auf einem Quadratkilometer, im Frankfurter Raum seien es fast 3 000 je Quadratkilometer „Wir können den Trend nicht stoppen, tragen aber mit vielen Maßnahmen zur Stärkung des ländlichen Raums bei“, konstatierte der Ministerpräsident.

Öffentliche Verkehrsmittel im ländlichen Raum wichtig

Um den ländlichen Raum attraktiv zu halten, müsse die Mobilität im ländlichen Raum aufrechterhalten werden, meinte Hessens Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir. Berufliche Chancen und Mobili­tät vor Ort seien Voraussetzung dafür, um mehr Arbeitsplätze aus Ballungsräumen in die ländlichen Regionen zu verlagern. Hessen investiere in den nächsten zwei Jahren 134 Mio. Euro für Landstraßen im ländlichen Raum. Auch ging Al-Wazir auf den Hessentag 2018 in Korbach ein. Um immer mehr Bahnstationen barrierefrei auszubauen, beteiligt sich Hessen an der Fi­nanzierung. 31 Stationen im ländlichen Raum sollen für 32 Mio. Euro modernisiert werden. Das bedeute Mittel in Höhe von 16 Mio. Euro vom Land Hessen und sei so viel wie in keinem ande­ren Bundesland. Konzepte für Verbesserungen im öffentlichen Personenverkehr erarbeitet ein Fachzentrum der Verkehrsverbände NVV und RMV, das dafür vom Land 200 000 Euro jährlich erhalte, sagte Al-Wazir.

Pressekonferenz nach der Kabinettssitzung im Kuhstall, von links: Landwirt­schafts­ministerin Priska Hinz, Ministerpräsident Volker Bouffier, HBV-Präsident Karsten Schmal und Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir.

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Arbeit zu den Menschen bringen

Konzepte, um die Arbeit in den ländlichen Raum zu bringen sind wichtig, um eine weitere wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen, da die Ballungsräume an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Diesen Ansatz wolle die Landesregierung in Zukunft verstärkt fördern, sagte der Ministerpräsident.  Ein Beispiel, um sichere und attraktive Arbeitsplätze aus den Ballungszentren in ländlichere Regionen zu verlagern, habe das Finanzministerium um Dr. Thomas Schäfer gemacht, berichtete Bouffier. Aufgaben werden an Ämter außerhalb der Ballungszentren abgegeben. So werden 200 Arbeitsplätze im kommenden Jahr auf das Land verlagert bei Finanzämtern von Fritzlar bis Bensheim, von Limburg bis in den Vogelsberg. „Wir setzen mit dem Pilotprojekt ein Zeichen und prüfen, ob sich das Modell ausweiten lässt“, so Bouffier.

Ideen umsetzen und Einkommen ermöglichen

Der gastgebende Betrieb der Familie Bürger-Grebe ist ein Beispiel dafür, wie Ideen umgesetzt werden, um zusätzliche Ein­kommensquellen zu erschließen. Beide Kinder haben das Ziel, den Betrieb fortzuführen. Es werden 230 Kühe gehalten, der Herdendurchschnitt liegt bei rund 10 000 kg/Jahr. Der Betrieb wird in der fünften Generation von der Familie bewirtschaftet. Derzeit sind die ersten Bauarbeiten für eine Erweiterung des Milchviehstalles auf eine Herde von 400 Kühen angelaufen. Der Betrieb ist breit aufgestellt und wird gemeinsam von Landwirtschaftsmeister Reinhard Bürger-Grebe und Ehefrau Christine und ihren Kindern Christina (28) und Tobias (25) und mit zwei Auszubildenden, einem Angestellten und mehreren Aushilfs­kräften bewirtschaftet. Eine 75-kW-Biogasanlage und ein landtechnisches Lohnunternehmen gehören zum Betrieb.

Bei der Fahrt nach Waldeck wurde deutlich, dass in Nordhessen infolge des verregneten August 2017 noch etwa ein Viertel des Winterweizens bisher nicht geerntet werden konnte.

Moe – LW 34/2017