Landwirtschaft und Jagd erfordern gegenseitiges Verständnis

Richtsätze zur Regulierung von Wildschäden 2014/15

Landwirte und Jagdpächter nutzen die gleichen Flächen. Der Landwirt hat das Ziel, seine Flächen zu bewirtschaften, möglichst wenig Wildschaden zu haben und als Mitglied der Jagdgenossenschaft einen angemessenen Betrag als Jagdpacht für die eingebrachten Flächen zu bekommen.

Bei zu hohen Wildschäden im Jagdrevier kann das Problem nur gemeinsam von Jagdpächter, Jagdgenossenschaft und Landwirten gelöst werden.

Foto: Michael Breuer

Die Jagdpächter verfolgen das Ziel, den Jagdbezirk zu nutzen, in dem eine entsprechende Wilddichte und Wildvielfalt vorhanden ist, dann ist er auch bereit, eine angemessene Pacht für das Jagdrevier zu bezahlen. Eine gute Strecke kann einen höheren Wildschadensdruck bewirken. Hier wird deutlich, dass Landwirte und Jagdpächter konkurrierende Ziele verfolgen. Wenn der Zielerreichungsgrad des einen ansteigt, sinkt der des anderen und umgekehrt.

Die Lösung des Problems liegt im gegenseitigen Verständnis und dem gemeinsamen Ziel, Wildschäden zu verhüten und Entschädigungsleistungen über „gütliche Einigungen“ zu vereinbaren.

Im §1 des Bundesjagdgesetzes (BJG) wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass mit dem Jagdrecht auch die Pflicht zur Hege verbunden ist. §1 (2) führt dazu aus: „Die Hege hat zum Ziel die Erhaltung eines den landwirtschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepassten artenreichen und gesunden Wildbestandes sowie die Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlage. Die Hege muss so durchgeführt werden, dass Beeinträchtigungen einer ordnungsgemäßen land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Nutzung, insbesondere Wildschäden, möglichst vermieden werden.“

Der zweite Satz im § 1 Abs. 2 weist darauf hin, dass die Hege so durchgeführt werden soll, dass Beeinträchtigungen der ordnungsgemäßen land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Nutzung in Folge von Wildschäden nicht entstehen sollen. Was ist zu tun, wenn ein Jagdpächter seinen Verpflichtungen gemäß § 1 BJG nicht nachkommt?

Schwarzwild auf angemessene Bestände halten

Bei Rot- und Rehwild existieren vorgegebene Abschusspläne, die je nach Wildschadensituation durch die Untere Jagdbehörde angepasst werden können. Für das Schwarzwild, die größten Schadensverursacher auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen, gibt es solche Vorgaben nicht. Jagdfachliche Gründe wie beispielsweise, dass sich Schwarzwildbestände in einem Revier sehr schnell verändern und der Jagdpächter an einen Abschussplan gebunden wäre und nicht situativ kurzfristig auf das aktuelle Schwarzwildvorkommen reagieren könnte, sprechen dagegen. Sollte ein Jagdpächter im Hinblick auf seine Hegeverpflichtung der Bestandsregulierung beim Schwarzwild nicht nachkommen und dadurch eine „ordnungsgemäße Landwirtschaft“ nicht mehr möglich sein, dann könnte auch hier die Untere Jagdbehörde Zwangsbejagungsmaßnahmen anordnen. Solche Zwangsmaßnahmen sind bei Schwarzwild aber nur schwer begründbar und dem Autor ist auch kein Fall bekannt, dass eine solche Zwangsbejagung für Schwarzwild schon einmal angeordnet worden wäre. Ist ein Revier von hohen Wildschäden betroffen, so kann das Problem nur gemeinsam von Jagdpächter, Jagdgenossenschaft und Landwirten gelöst werden. Sehr hohe Schwarzwildbestände sind nicht nur dem Pächter anzulasten, sondern ebenso den sich verändernden Klima- und Anbaubedingungen. Zum Beispiel weniger kalte Win­ter, häufigere Mastjahre, ausgedehnte Naturverjüngungsflächen in den Wäldern und große Ackerschläge mit Raps, Getreide sowie Mais bieten dem Schwarzwild ganzjährig ideale Voraussetzung für Deckung und ein reichhaltiges Futterangebot.

Dr. Günther Lißmann – LW 38/2014