Umweltmaßnahmen sollen praxistauglicher werden

Erfahrungen aus dem F.R.A.N.Z.-Projekt in Heidesheim

Das Dialog- und Demonstrationsprojekt F.R.A.N.Z. hat sich zum Ziel gesetzt, Naturschutzmaßnahmen zu entwickeln und zu erproben, welche die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft erhalten und erhöhen sowie wirtschaftlich tragfähig und praxistauglich sind. Im LW-Gebiet nimmt Tobias Diehl mit seinem Betrieb im rheinhessischen Heidesheim am Projekt teil. Der Landwirt stellt seine bisherigen Erfahrungen im Gespräch mit dem LW dar.

Blühende Vorgewende aus verschiedenen Kleearten bietet neben dem Umweltaspekt auch weitere Vorteile: leichte Anlage und Pflege sowie eine mehrjährige Nutzbarkeit.

Foto: Diehl

Das F.R.A.N.Z.-Projekt (Für Ressourcen, Agrarwirtschaft & Naturschutz mit Zukunft) wird von der Umweltstiftung Michael Otto und dem Deutschen Bauernverband geleitet. Wissenschaftlich begleitet wird es durch die Thünen-Institute für Lebensverhältnisse in ländlichen Räumen, Betriebswirtschaft und Biodiversität sowie der Georg-August-Universität Göttingen und dem Michael-Otto-Institut im NABU. In den Projektregionen betreuen und beraten Landesbauernverbände und deren Kulturlandschaftsstiftungen vor Ort die zehn bundesweit verteilten Demonstrationsbetriebe. Das Projekt ist im Jahr 2017 gestartet und auf zehn Jahre angelegt.

Gründe für die Teilnahme

Tobias Diehl wurde 2016 von der Stiftung zur Förderung der Kulturlandschaft Rheinland-Pfalz angefragt, ob er als Demonstrationsbetrieb am F.R.A. N.Z.-Projekt teilnehmen wolle. „Wir passten genau in das Suchschema, da wir als Gemischtbetrieb mit Ackerbau, Wein- und Obstbau einen für die Region typischen Betrieb darstellten. Außerdem hatten wir an noch keinen Agrarumwelt-Programmen teilgenommen, was ebenfalls Voraussetzung war.“ Letzteres wurde von den Projektträgern gefordert, um auch die Schwierigkeiten beim Einstieg in solche Maßnahmen untersuchen zu können.

Diehl bewirtschaftet rund 270 ha Ackerland, das mit einer weiten Fruchtfolge aus Weizen, Winter- und Sommergerste, Triticale, Zuckerrüben, Raps und Erbsen bestellt wird. Außerdem werden auf 8 ha Obst und 13 ha Wein angebaut. Die Maßnahmen im Rahmen des Projektes fanden fast alle auf den Ackerflächen statt, eine auch im Obstbau.

Umweltförderung muss in die Betriebsabläufe passen

„Die Ziele des Projektes haben mir gleich zugesagt, denn viele Umweltmaßnahmen werden deshalb nicht in Anspruch genommen, weil sie nicht in die Abläufe der Landwirtschaft passen, praxisferne Förderung bringt aber nichts. Weil im F.R.A.N.Z.- Projekt der Bauernverband Mitinitiator ist und die Ergebnisse die Chance haben, in die Gesetzgebung oder die Ausgestaltung von Förderprogrammen einzugehen, habe ich gerne zugesagt.“

Außerdem sei, ganz im Sinne der Praxisnähe, ein finanzieller Ausgleich zugesagt worden, und zwar in Höhe der entstandenen Kosten. „So bleibt das Risiko für die Mitarbeit im Projekt nicht beim Betrieb hängen“, so Diehl zu seinen Beweggründen. Zusätzlich habe ihm gefallen, dass die Projektteile im Dialog auf Augenhöhe mit Naturschützern erarbeitet werden. „Das hat beiden Seiten geholfen, die Gegenseite besser zu verstehen und die Wirksamkeit der Maßnahmen zu verbessern.“

Im Folgenden werden die einzelnen Maßnahmen am Betrieb Diehl vorgestellt - vor allem auch die Ergebnisse und Erfahrungen des Landwirts.

Anlage von Blühflächen

Die Blühflächen wurden so wie in den Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM) üblich angelegt. Hier hat sich schnell gezeigt, dass es sehr aufwändig ist, jedes Jahr die Flächen neu anzulegen.

Aufwändig ist vor allem das Wieder-in-Bewirtschaftung-Nehmen der alten Blühstreifen, da auf den Flächen ein hohes Samen- und damit „Unkraut“-Potenzial liegt, das ja im Anbau dann wieder kontraproduktiv ist. „Daher werden aus diesen Erfahrungen heraus die Blühflächen bei uns nur noch mehrjährig angelegt.“ Diese Erfahrungen hätten auch bestätigt, dass Blühflächen nur auf „sauberen“ Schlägen angelegt werden sollten.

Blühendes Vorgewende

Eine interessante Maßnahme stellen blühende Vorgewende dar; am Betrieb Diehl werden hierbei verschiedene Kleearten ausgesät. Das bietet neben dem Umweltaspekt auch weitere Vorteile: leichte Anlage und Pflege sowie eine mehrjährige Nutzbarkeit. Das Interessante ist auch, dass die Fläche befahren werden darf, was bei Blühstreifen strengstens verboten ist und zu Sanktionen führt. „Wir müssen diese Flächen nur alle paar Jahre neu anlegen. Diese Maßnahme ist daher sehr gut in die Praxis übertragbar“, so Diehl.

Erbsenfenster sind aufwändig

Auch die Anlage von 40 x 40 m großen Erbsenfenstern wird in Heidesheim geprüft. Sie sollen Feldvögeln und Insekten Deckung und Nahrung bieten. Damit diese Flächen möglichst wenig vom Fuchs und anderen nicht fliegenden Prädatoren aufgesucht werden, sollen die Fenster im Schlag und nicht am Rand liegen. Diehl dazu: „Diese Maßnahme ist sehr aufwändig; sie kostet gerade in Arbeitsspitzen wertvolle Zeit. Wegen der Größe sind Erbsenfenster in kleinstrukturierten Gebieten weniger geeignet.

Lerchenfenster sind nicht überall gleich effektiv

Die Anlage von Lerchenfenstern, die mittlerweile in vielen Regionen Standard sind, ist in Rheinhessen nach Diehls Ansicht weniger effektiv. „In unserer Region werden viele Zuckerrüben angebaut und auch Sommergerste nimmt große Flächenanteile ein. Diese Bestände werden von Lerchen bevorzugt aufgesucht und daher sind Lerchenfenster nicht so entscheidend für den Bestand als anderswo“, stellt Diehl fest. Sie werden in Rheinland-Pfalz auch nicht gesondert gefördert.

Extensiver Getreideanbau in weiter Reihe

Der extensive Anbau von Getreide in weiter Reihe wird ohne Düngung und Pflanzenschutz durchgeführt, was doch zu erheblichen Problemen in der Praxis führt, wie Diehl berichten kann: „In den meisten Jahren sind solche Bestände wegen des hohen Unkrautdruckes nicht beerntbar – bei uns sind es vor allem Flughafer und Mohn. Die Anlage dieser Maßnahme auf immer denselben Flächen vergrößert das Problem noch, was dazu führen kann, dass es sich nicht mehr um Produktionsflächen handelt, sondern dann Vertragsnaturschutz betrieben wird. Eine Möglichkeit wäre, eben doch Herbizidmaßnahmen zuzulassen, was aber dem Ziel der Biodiversität zuwiderläuft.“ Diehls Einschätzung nach kommt diese Maßnahme nur für Flächen mit sehr geringem Unkrautdruck in Frage.

Extensiver Getreideanbau mit Untersaat

Bei dieser Maßnahme werden je nach Technik zeitgleich oder zeitnah Sommergerste und Klee ausgesät. Da die Gerste sich normalerweise schnell entwickelt, überwächst sie den Klee zunächst, der nach der Getreideernte stehen bleibt, Unkraut unterdrückt und als Zwischenfrucht dient. „Eine gute Idee, die aber nicht immer funktionieren muss. Der Frühsommer 2021 war so nass, dass der Klee die Gerste überwachsen hat und dann keine Ernte mehr möglich war. Diese Maßnahme passt nicht auf alle Standorte und nicht in jedes Jahr“, so der Praktiker.

Nasse Stelle als Feldvogelinsel

Ein nasser Bereich in Rheinnähe wurde im Rahmen des Projektes versuchsweise als Feldvogelinsel innerhalb eines Ackerschlages etabliert. „In den letzten Jahren war es leider so trocken, dass diese Teilfläche nicht mehr vom Kiebitz, der Ziel der Maßnahme war, aufgesucht wurde. Sie wies einen enormen Unkrautbesatz auf und die Maßnahme wurde mittlerweile beendet.“ Dies zeige, so Diehl, dass Umweltmaßnahmen immer in Verbindung mit den natürlichen Voraussetzungen zu betrachten und gegebenenfalls nachzujustieren sind. Und: „Die Insel funktioniert gut, wenn sie sich natürlicherweise etabliert, aber eine gezwungene Anlage der Insel führt zu mehr Problemen als Nutzen.“

Extensiver Obstbau in Altanlagen

Da der Betrieb auch Obstbau macht, hat es sich angeboten, auch hier eine Maßnahme zu entwickeln, und man hat sich dafür entschieden, alte Obstbäume nicht zu roden, sondern als Biodiversitätsmaßnahme stehen zu lassen. „Die doch eher kleinen Flächen werden nur noch minimal gepflegt, also die Fläche extensiv gemäht und die Bäume minimal geschnitten. Diehl: „Was daraus wird, auch im Hinblick auf Fördermaßnahmen, bleibt noch abzuwarten.“

Der Nutzen für die Biodiversität ist unumstritten, aber nach aktuellen Förderrichtlinien müsste die Fläche gerodet werden und ein Blühstreifen angelegt werden, um hier einen finanziellen Ausgleich zu erhalten.

AUKM müssen flexibel sein

Aus seinen bisherigen Erfahrungen leitet Tobias Diehl ganz klar die Schlussfolgerung ab, dass Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen nur Erfolg haben können, wenn sie an die jeweilige Region angepasst ausgestaltet werden und den Betrieben die Möglichkeit zur praktischen Umsetzung ermöglichen. „Wenn man beispielsweise Lerchen schützen möchte und dazu den Gebrauch von Pflanzenschutzmitteln untersagt, wird das in der Praxis dazu führen, dass mechanische Arbeitsgänge gegen Unkräuter angewendet werden müssen. Diese zerstören aber die Bodennester, und nichts ist gewonnen. Solche Ansätze sind sehr fragwürdig, zumal die Lerchen ja bisher offensichtlich mit den Pflanzenschutzmaßnahmen gut zurechtgekommen sind.“

Auch die Festsetzung von Zeiten beziehungsweise Kalenderdaten für Aussaat, Mahd oder Bearbeitung im Rahmen der AUKM sieht Diehl sehr kritisch. In der Natur müsse man immer damit rechnen, dass sich Witterungsereignisse nicht an den Kalender halten und die landwirtschaftlichen Maßnahmen dem angepasst werden müssen. „Wenn ich aber durch die Teilnahme an Umweltprogrammen daran gehindert werde, ackerbauliche Arbeiten zum optimalen Zeitpunkt auszuführen, wird das die Akzeptanz der Maßnahmen deutlich senken.“

Damit zukünftig solche Zielkonflikte abgebaut werden, habe Tobias Diehl an dem Projekt teilgenommen. Und weil die Maßnahmen ständiger Weiterentwicklung und Anpassung bedürfen, hoffe er darauf, dass das F.R.A.N.Z.-Projekt auch nach Ablauf der vorgesehenen zehn Jahre fortgesetzt werde.

Karsten Becker – LW 20/2023