Winterbraugerste trotzt der Trockenheit

Landessortenversuche Winterbraugerste 2019/2020

Im Anbaujahr 2019/2020 wurden in Rheinland-Pfalz nach mehr als fünf Jahren erneut Winterbraugersten in einem speziellen Sortiment an drei Versuchsstandorten geprüft. Insbesondere in trockengefährdeten Gebieten kann die Winterbraugerste eine interessante Alternative oder Ergänzung zur Sommerbraugerste sein.

Durch die längere Vegetationszeit und das intensivere Wurzelwerk kann Winterbraugerste Stresssituationen besser kompensieren als die Sommerform.

Foto: landpixel

Braugerste gibt es in diesem Jahr reichlich. Die Läger in den Mälzereien sind voll. Dies ist in erster Linie dem Coronavirus geschuldet, das den Bierkonsum und damit die Malznachfrage drastisch reduziert hat. Die Akzeptanz der Winterbraugerste in der Brauindustrie dürfte in diesem Jahr daher geringer sein. Statistische Angaben zur Anbaufläche gibt es in Rheinland-Pfalz nicht. Schätzungen zu Folge dürfte die Anbaufläche ein Viertel bis ein Drittel der Wintergerstenanbaufläche ausmachen.

Pro und Contra abwägen

Winterbraugerste hat gegenüber Sommerbraugerste einige pflanzenbauliche Vorzüge. Durch die längere Vegetationszeit und das intensivere Wurzelwerk kann Winterbraugerste Stresssituationen besser kompensieren. Sie nutzt die Winterfeuchtigkeit besser aus, was insbesondere auf Standorten mit zunehmender Frühsommertrockenheit von Vorteil ist. Durch die um drei bis vier Wochen frühere Ernte lassen sich Arbeitsspitzen entzerren und die nachfolgende Aussaat von etwa Winterraps sorgfältig vorbereiten.

Es gibt aber auch gewisse Risikofaktoren. So zeigen ältere Versuchsergebnisse aus Rheinland-Pfalz, dass Winterbraugerste noch sensibler als die Sommerbraugerste auf ein zu hohes Stickstoffangebot beziehungsweise auf einen Stickstoff-Schub zu späten Terminen reagiert. In der Praxis war zu beobachten, dass die Wintergerste trotz geringem Virusbesatzes des Ausfallgetreides im Frühjahr 2020 teilweise stärker mit dem Gelbverzwergungsvirus befallen war.

In Wärmelagen sollte daher die Wintergerste verzögert ausgesät werden, nicht im September, sondern Anfang Oktober. Somit sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass die Blattlaus-Virusvektoren bei warmer und sonniger Herbstwitterung in die junge Wintergerste einfliegen, sich dort vermehren und eventuell bei milder Winterwitterung nicht erfrieren.

14 Sorten in den Landessortenversuchen

2020 sind in der Beschreibenden Sortenliste 14 Winterbraugerstensorten (einschließlich Ökolandbau) aufgeführt. In diesem Jahr wurde erstmals seit einigen Jahren keine neue Winterbraugerste zugelassen. In den Landessortenversuchen (LSV) Rheinland-Pfalz wurden im Herbst 2019 sieben Winterbraugerstensorten an drei Standorten geprüft. Das Sortiment beinhaltet mit KWS Faro (Zulassung 2019) auch eine mehrzeilige Prüfsorte. Die Aussaat der Versuche erfolgte zwischen dem 24. September und dem 14. Oktober 2019.

Die Prüfsorten werden in den LSV in zwei Intensitätsstufen angebaut, wobei in Stufe 1 Wachstumsregler gar nicht oder nur reduziert eingesetzt werden. Auf Fungizide wird in der Intensitätsstufe 1 vollständig verzichtet, um die Krankheitsanfälligkeit der Sorten zu prüfen. Daneben soll diese Stufe eine Einschätzung des Ertragspotenzials unter extensiven Bedingungen ermöglichen. Die Stufe 2 zeigt das Leistungspotenzial der Sorten bei optimaler Bestandesführung. Die Düngung, der Herbizid- und Insektizideinsatz sind in beiden Stufen gleich. Die Stickstoffdüngung wird an das Produktionsziel „Braugerstenqualität“ angepasst. Die Ernte der Landessortenversuche erfolgte zwischen dem 13. und dem 24. Juli.

Erträge und Qualitäten 2020 im Überblick

Die Kornerträge der Verrechnungssorten (KWS Liga, KWS Somerset) liegen 2020 im Mittel der drei Versuchsorte in der Intensitätsstufe 1 bei 68,1 dt/ha und bei 70,3 dt/ha in der Intensitätsstufe 2. Da der Krankheitsdruck in diesem Jahr niedrig war, sind die Ertragsunterschiede zwischen den Behandlungsstufen gering. Sie liegen je nach Standort zwischen 0 bis 5 dt/ha. Der Ertragsabstand zu den zweizeiligen Winterfuttergersten liegt zwischen 10 (Stufe 1) und 15 dt/ha (Stufe 2). Der Anbau ist nur dann wirtschaftlich interessant, wenn höhere Erzeugerpreise die Ertragsdifferenz mindestens ausgleichen. Die höchsten Erträge erzielen die Sorten Zophia und Lyberac.

Das größte Qualitätsrisiko für die Landwirtschaft stellt die Überschreitung des geforderten Rohproteingehaltes dar. Deshalb ist bereits die Standortwahl dem Ziel, einen Rohproteingehalt von weniger als 11,5 Prozent zu erreichen, unterzuordnen. Hierfür gelten die gleichen Regeln wie für den Sommerbraugerstenanbau. Im Landessortenversuch überschreiten nahezu alle Prüfsorten den Maximalwert. Mögliche Ursache für die hohen Rohproteingehalte sind die Regenfälle Anfang Mai 2020 nach der vorausgegangenen Trockenheit im April. Diese fielen zum Zeitpunkt des Ährenschiebens der Wintergerste und setzten möglicherweise Mineralisationsprozesse im Boden zum ungünstigen Zeitpunkt in Gang. Aus der Praxis wurde für den Landkreis Alzey-Worms rückgemeldet, dass die Rohproteingehalte mit 10 bis 10,5 Prozent meist auf niedrigem Niveau lagen. Die Versuche wurden mit sehr guten Vollkornanteilen (> 2,5 mm) gedroschen.

Die Ergebnisse der Landessortenversuche sind auf der Homepage des DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück zu finden (www.dlr.rlp.de – Fachportal Pflanzenbau – Versuchswesen – Berichte).

Sortenentscheidung nur in Absprache mit Handelspartnern

Da im Braugerstenanbau die Anforderungen an Qualität und Verarbeitungseigenschaften hoch sind, muss die Sorte mit der aufnehmenden Hand abgestimmt sein. Empfehlenswert ist ein Vertragsanbau, um Absatz- und Preissicherheit zu gewährleisten.

Mehrjährige Ergebnisse liegen in Rheinland-Pfalz noch nicht vor. Im Folgenden werden die Anbaueigenschaften der Prüfsorten zusammengefasst.

Die geprüften Sorten im Einzelnen

KWS Liga (Zulassungsjahr 2012): Diese bereits ältere Sorte schneidet im Landessortenversuch 2020 in beiden Behandlungsstufen unterdurchschnittlich ab. KWS Liga besitzt wie KWS Sommerset eine mittlere Standfestigkeit und eine gute Strohstabilität (BSA-Note 4 in Neigung zu Halm- und Ährenknicken). In ihren Qualitätseigenschaften zeichnet sich die Sorte durch niedrige Rohproteingehalte, hohe Vollgerstenanteile und hohe Hektolitergewichte aus. KWS Liga weist eine höhere Anfälligkeit für Rhynchosporium und Mehltau auf (BSA-Note 6).

KWS Somerset (Zulassungsjahr 2017) kommt im diesjährigen Landessortenversuch auf leicht überdurchschnittliche Kornerträge in Stufe 2. Hohe bis sehr hohe Vollkornanteile kennzeichnen die Sorte. KWS Sommerset besitzt eine bessere Strohstabilität als die anderen Prüfkandidaten und weist eine mittlere Standfestigkeit auf. Die Anfälligkeit gegenüber den wichtigsten Blattkrankheiten bewertet das Bundessortenamt mit der BSA-Note 4. Angaben zur Winterfestigkeit liegen in der aktuellen Beschreibenden Sortenliste nicht vor.

Zophia (Zulassungsjahr 2018) Zophia gehört 2020 zu den ertragsstärksten Sorten im rheinland-pfälzischen Prüfsortiment. Späteres Ährenschieben und eine etwas spätere Reifezeit kennzeichnen die Sorte. Die Qualitätseigenschaften sind schwächer eingestuft als bei den in der Verarbeitung akzeptierten Sorten KWS Liga und KWS Somerset. Trotz kurzer Pflanzenlänge schwächelt die Sorte in der Standfestigkeit (BSA-Note 6 für Neigung zu Lager), sie verfügt jedoch über eine gute Strohstabilität. Gegenüber Blattkrankheiten (Mehltau, Netzflecken, Rhynchosporium, Ramularia, Zwergrost) besteht eine geringe bis mittlere Anfälligkeit. Besonders hervorzuheben ist ihre geringe Zwergrostanfälligkeit.

Lyberac (Zulassungsjahr 2018): Ertraglich kann diese Sorte mit BSA-Einstufungen von 5 in Stufe 2 an das Niveau der derzeit im Anbau dominierenden Sorten anknüpfen. 2020 ist sie in Rheinland-Pfalz die ertragsstärkste Sorte. Qualitativ zeichnet sich die Sorte durch hohe Vollgerstenanteile und Hektolitergewichte aus. Die Standfestigkeit von Lyberac ist trotz kurzer Pflanzenlänge schwach. Dagegen ist ihre Strohstabilität recht gut. Die hohe Anfälligkeit für Mehltau (BSA-Note 8) und die stärkere Anfälligkeit für Ramularia passen weniger in das Bild einer neueren Sorte.

KWS Donau (Zulassungsjahr 2019) erzielt 2020 überdurchschnittliche Erträge in Stufe 2. Eine sehr gute Kornsortierung beschert der Sorte einen sehr guten Vollgerstenertrag. Die BSA-Einstufungen für Hektolitergewicht und Rohproteingehalt liegen auf dem Niveau von KWS Somerset. Die Gesundheitsstruktur ist überdurchschnittlich und ausgewogen. Mit einer geringen bis mittleren Neigung zu Lager sowie zum Halm- und Ährenknicken überzeugt KWS Donau auch in der Stabilität.

Desiree (Zulassungsjahr 2019) liegt 2020 in Stufe 2 auf dem gleichen Ertragsniveau wie KWS Donau. Qualitativ sind die BSA-Einstufungen akzeptabel und auf einem mit KWS Liga vergleichbaren Niveau. Gesundheitlich präsentiert sich die Sorte gut mit besonderen Stärken gegenüber Mehltau, Netzflecken und Zwergrost. Desiree weist eine durchschnittliche Standfestigkeit und ein recht gute Strohstabilität auf (BSA-Note 4).

KWS Faro (Zulassungsjahr 2019) ist die einzige mehrzeilige Prüfsorte. Sie schneidet 2020 überdurchschnittlich ab und reiht sich hinter den ertragsstärksten zweizeiligen Sorten Lyberac und Zophia ein. Bezüglich ihrer Qualität liegt sie auf dem Niveau von KWS Liga. Sie zeigt gute feldagronomische Eigenschaften. Eine zügige Entwicklung im Frühjahr mündet nach frühem Ährenschieben in eine mittelfrühe Abreife. KWS Faro neigt stärker zum Halmknicken. Die Anfälligkeit für Ramularia wird ebenfalls höher eingestuft (BSA-Note 6).

Katja Lauer, Marko Goetz, DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück – LW 35/2020