Zarte und vielseitige Kapuzinerkresse

Die Arzneipflanze des Jahres 2013 schmeckt und heilt

Der Studienkreis „Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“ an der Universität Würzburg hat die Große Kapuzinerkresse zur Arzneipflanze des Jahres 2013 gewählt. Neben ihrer medizinischen Bedeutung ist die Kapuzinerkresse eine gute Pollenpflanze und wehrt zudem Schädlinge ab.

Fasern am Blüteneingang zwingen die Insekten, den Zugang zum Nektar über die Staubbeutel hinweg zu nehmen. Selbst die Gartenhummel kann den Nektar am Grund des Blütensporns nicht erreichen.

Foto: Hintermeier

Zumindest seit der Renaissance des Bauerngartens erlebt auch die Kapuzinerkresse einen mindestens zweiten Frühling. Doch nur die wenigstens Gartenbesitzer wissen, dass diese hübsche und dabei recht anspruchslose Staude eigentlich eine Ausländerin ist.

Aus Südamerika in Europas Gärten

Das Verbreitungsgebiet der Familie der Kapuzinerkressengewächse ist mit etwa 80 Arten fast nur auf Südamerika beschränkt. Die einzelnen Arten kommen unter ganz verschiedenen Lebensbedingungen vor: Vom tropischen Regenwald Brasiliens und Venezuelas reichen sie bis zur Schneegrenze in den Anden von Peru und Chile sowie bis zu den steppenhaft trockenen Hochflächen von Chile, Peru und des gemäßigten Argentiniens. Als erste Art der Gattung wurde im Jahre 1570 die Kleine Kapuzinerkresse (Tropaeolum minus) in Europa eingeführt. Die aus Peru stammende Große Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus) wurde 1684, also mehr als 100 Jahre später nach Mitteleuropa gebracht.

Der Einwanderer aus Südamerika gewann rasch Freunde und gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren schon über 30 verschiedene Gartensorten bekannt.

Der süße Nektar sitzt tief verborgen

Anno dazumal

„Den Städtern ist sie eine zu altmodische und zu bescheidene, den Landleuten eine zu gleichgültige Pflanze, deren Nutzen nicht gerade auf der Hand liegt: Darum wird dieselbe weder von den einen noch von den andern gehegt und gepflegt und man sieht sie in unseren Tagen gewöhnlich nur wenig unter den eigentlichen Zierpflanzen des freien Landes, sonst aber gewährt ihr höchstens ein altes Mütterchen oder eine andere, an den Kindheitserinnerungen hängende „gute Seele“ Kost und Logis in einem stillen Winkel des Hausgärtchens ...“ Mit diesen Worten bedauerte E. W. Zimmerer in seinem 1896 erschienenen „Kräutersegen“ die geringe Wertschätzung für die Kapuzinerkresse. Das hat sich heutzutage wieder geändert.

Die sehr auffälligen, großen Blüten der Kapuzinerkresse sind achselständig gespornt und haben fünf freie Kronblätter, die sich unten zu einem Nagel verengen. Als eigentlicher Schauapparat dienen die beiden oberen, oft mit roten oder braunen Saftmalen (in Form von Punkten, Strichen oder Flecken versehenen) Kronblätter, während die beiden unteren lang genagelten einen günstigen Anflugplatz für Insekten bilden. Die an dem Nagelansatz stehenden Fransen zwingen die Insekten, den Zugang zum Nektar über die Staubbeutel hinweg zu nehmen, indem sie zu Anfang der Vollblüte alle Zugänge verschließen. Durch den 25 bis 30 Millimeter langen, reichlich mit Nektar angefüllten Sporn werden die beiden oberen Kronblätter von den acht Staubblättern mehr oder weniger weit auf Abstand gehalten.

Als Blütenbestäuber der Großen Kapuzinerkresse kommen in ihrer Heimat wohl auch kleine Vögel in Betracht. In unseren Breiten reicht selbst der bis zu 21 Millimeter lange Rüssel der Gartenhummel nicht bis zum Grunde des Spornes. Unsere heimischen Hummeln wie auch die Honigbiene müssen sich daher mit dem Pollenangebot der Blüten begnügen. Hin und wieder wird der Nektar auch durch Blüteneinbruch, das heißt durch Anbohren des Spornes von außen herausgeholt.

Bequem erreichbar ist der tief geborgene Nektar dagegen für das Taubenschwänzchen, eine kleine zu den Wanderfaltern zählende Schwärmerart, die jedes Jahr ab Mai neu aus dem Süden bei uns einfliegt.

Wer Kapuzinerkressen in seinem Garten ansiedeln möchte, kann je nach Verwendungszweck zwischen mehreren Arten und zahlreichen Sorten, Varietäten oder Hybriden auswählen.

Abwechslung durch große Vielfalt

Die Große Kapuzinerkresse (T. majus) eignet sich besonders zum Beranken von (Draht-)Zäunen, Spalieren, Lauben und Mauern.

Auch die aus Kolumbien und Ekuador stammende Schildtragende Kapuzinerkresse (T. peltophorum) klettert willig bis zu vier Meter in die Höhe und erfreut mit leuchtend roten Blüten, die etwas kleiner sind als bei der Großen Kapuzinerkresse.

Blüte in Frontalansicht.

Foto: Hintermeier

Die Fremdländische Kapuzinerkresse (T. peregrinum) aus Peru ist ähnlich, hat jedoch fein gefiedertes Laub und kanariengelbe Blüten.

Der im langen Sporn geborgene Nektar ist nur durch einen Wanderfalter erreichbar.

Foto: Hintermeier

Die Fünfblättrige Kapuzinerkresse (T. pentaphyllum) aus Uruguay mit scharlachroten bis rotbraunen Kronblättern eignet sich als Balkon- und Gitterpflanze, wurde früher aber auch als Topfpflanze kultiviert.

Die Nichtrankende Kapuzinerkresse (T. majus nanum) wächst in dichten kleinen Büschen und Hecken von 25 bis 30 Zentimeter Höhe.

Die Knollige Kapuzinerkresse (T. tuberosum) ist eine Liebhaber-Blume für die Zimmerkultur oder die Fensterbank. Ihre gelben Kronblätter kontrastieren sehr reizvoll zum rötlichen Sporn.

Wer niedrig bleibende Sorten bevorzugt, für den bietet der Handel beispielsweise die „Kiepenkerl Kapuzinerkresse Niedrige Mischung“.

Würzige Salatbeigabe und Heilmittel zugleich

Unsere Große Kapuzinerkresse ist nicht nur hübsch anzusehen: Ihre fein geschnittenen Blätter und Blüten würzen Salate und Quark. Aus den jungen Blütenknospen bereitet man, mit Pfeffer und Salz oder in Weinessig eingelegt, die falschen aber wohlschmeckenden Kapern.

Der aus den Blättern gepresste Saft wirkt appetitanregend, schleimlösend und stillt den Hus­tenreiz. In Fleischbrühe genossen, kann der Saft auch zu Frühjahrskuren Verwendung finden.

Die ganze Pflanze enthält viel Vitamin C und antibiotisch wirkende Substanzen, die früher gegen Skorbut und Hautkrankheiten bei Kindern eingesetzt wurden. Bereits die Inkas nutzten die Kapuzinerkresse als Heilpflanze, vor allem als Schmerz- und Wundheilmittel. In der Volksmedizin der Indianer Südamerikas wird die Pflanze noch heute bei Hautkrankheiten, Skorbut, Vergiftungen, Kopfschmerzen, Husten und Bronchitis verwendet.

Mit der Kapuzinerkresse lassen sich Holzwände, Gartenzäune und Mauern attraktiv begrünen.

Foto: Hintermeier

In Europa erfolgte eine wissenschaftliche Beschäftigung mit der Kapuzinerkresse im 20. Jahrhundert. Eingehende Untersuchungen ergaben unter anderem, dass die Glucosinulate der Pflanze für die medizinische Wirkung von noch größerer Bedeutung sind als das reichlich vorhandene Vitamin C. Glucosinulate werden bei der Einnahme durch Enzyme in Senföle umgewandelt, welche die Vermehrung von Bakterien, Viren und Pilzen hemmen können und zudem die Durchblutung fördern. Die Kapuzinerkresse wird daher vor allem bei der Therapie und in der Prophylaxe von Infekten der Atemwege und der Harnwege eingesetzt.

Hilfreich im Kampf gegen Schnecken

Die Kapuzinerkresse eignet sich zur biologischen Schädlingsabwehr von Schnecken, Blatt- und Blutläusen. Es liegen auch Erfahrungsberichte über die Wirkung der Kapuzinerkresse auf die Varroamilbe vor. Wenn sie bei Frost herunterfriert, kann die Kapuzinerkresse als Gründüngungspflanze oberflächlich eingehackt werden. Da sich die Kapuzinerkresse jedes Jahr selbst aussät, kostet ihr Anbau weder Zeit noch Geld.

Vorsicht: sehr frostempfindlich

Welche Sorte man auch wählt, Kapuzinerkressen gedeihen am besten auf einem leichten humosen Boden an sonniger, windgeschützter Stelle. Der Untergrund darf nicht zu „fett“ sein, da die Pflanze sonst zu üppig ins Kraut schießt und weniger Blüten hervorbringt.

Eine gezielte Aussaat im Freiland ist erst ab Ende Mai möglich, da die junge Saat recht frost­empfindlich ist.

Man kann die Pflänzchen aber auch bereits im April auf der Fensterbank vorziehen, wobei jeweils fünf Samen etwa zwei Zentimeter in einem Topf gesetzt werden. Die Zimmerart lässt sich auch durch Knollen vermehren.

Helmut Hintermeier – LW 6/2013