Mehr zu machen mit der SPD

Das sechsseitige Eckpunktepapier, das CDU und SPD in Hessen nach ihren Sondierungsgesprächen erstellt haben, hat für die derzeit stattfindenden Koalitionsgespräche schon eine Reihe wesentlicher Grundsätze vorbestimmt. Man hat den Eindruck, dass die Gewichtung des Wahlergebnisses zum Tragen kommt, bei dem die CDU mit 34,6 Prozent mehr als doppelt so viele Stimmen wie die SPD (15,1 Prozent) verzeichnet. Mit der anderen linken Partei, den Grünen, die stimmenmäßig fast gleichauf mit der SPD lag (14,8 Prozent), hätte die Union dies, vor allem was die Migrationspolitik anbelangt, mutmaßlich nicht vereinbaren können.

Aber auch die Vorhaben, die die Landwirtschaft berühren, wären mit den Grünen schwerer zu machen gewesen: ein eigenes Ministerium für Land- und Forstwirtschaft, Weinbau, Jagd und Heimat oder die Stärkung der Rechte der Jäger. Auch bei der in den Eckpunkten angeführten „Straffung“ des hessischen Naturschutzgesetzes und des Gesetzes über das Grüne Band, die beide die Handschrift der Ökopartei tragen und die zur Empörung der Landwirte und vor allem der Waldbesitzer geführt haben, hätten sich die Grünen sehr verbiegen müssen. Demgegenüber gab es gerade in diesen Fragen schon in der laufenden Legislaturperiode mehr Übereinstimmung der CDU mit dem Koalitionspartner in spe.

In ihrem Wahlprogramm hatte die Union bereits große Erwartungen geschürt. Wäre es bei der alten schwarz-grünen Kon­stellation geblieben, hätte sie die landwirtschaftliche Klientel ein weiteres Mal vergrätzt.

Die Agrarbranche kann davon ausgehen, dass eine Koalitionsvereinbarung nicht an den beschriebenen landwirtschaftlichen Vorhaben scheitern wird. Das liegt daran, dass diese Fragen nicht zu den Kernanliegen der SPD gehören und sie damit keine Wähler gewinnen kann. Das liegt aber auch daran, dass es in Hessen eine kleine Truppe von Sozialdemokraten gibt, die sachverständig sind, eine pragmatische Landwirtschaftspolitik verfolgen und dabei großen Einfluss in ihrer Partei haben. Vielleicht träumen sie davon, dass vor vielen Jahren in Nordhessen sogar Landwirte die SPD gewählt haben.

Cornelius Mohr – LW 46/2023