Praxis und politische Ziele in Einklang bringen

Der Verordnungsentwurf der EU-Kommission zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (Sustainable Use Regulation = SUR), beabsichtigt den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln bis zum Jahr 2030 EU-weit um 50 Prozent zu reduzieren sowie in „sensiblen Gebieten“ ganz zu verbieten. Die Einschränkungen treffen nicht nur Landwirtschaft, Obst- und Gemüsebau, sondern bedrohen massiv den Weinbau und gefährden konventionell sowie ökologisch wirtschaftende Betriebe. Die Winzer arbeiten stetig daran, den Pflanzenschutzmitteleinsatz weiter zu senken, aber ohne Fungizide geht es nicht. Jahrhundertealter Weinbau hat die Kulturlandschaften geprägt, die verbreitet zu Schutzgebieten erklärt wurden. Es macht keinen Sinn, diese Gebiete sich selbst zu überlassen mit der irrigen Absicht, die Biodiversität zu steigern.

Silvia Bender, Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium, betonte anlässlich der Mitgliederversammlung des Deutschen Weinbauverbandes, dass die Bundesregierung den SUR-Entwurf in der aktuellen Form ablehne. Diese Klarstellung erwartet die Branche von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir. Der Minister sagte in anderem Zusammenhang, dass er eine Politik machen wolle, die alle, die es betrifft, mit einbeziehe. Das sollte selbstverständlich sein, doch die Weinbranche wartet darauf, von ihm gehört zu werden. Die EU-Kommission ist fest entschlossen, die SUR-Verordnung schnell abzuschließen. Über die dramatischen Auswirkungen ist sie sich nicht im Klaren. Allerdings sollen in Brüssel etwa 1 000 Änderungsanträge vorliegen, die abgearbeitet werden müssen. Es ist fraglich, ob dies noch gelingen kann, denn 2024 steht die nächste Wahl zum Europäischen Parlament an. Aus Sicht der Betroffenen muss die SUR-Verordnung neu aufgesetzt werden mit dem Ziel, eine praktisch umsetzbare Reduktionsstrategie für Pflanzenschutzmittel zu etablieren. Dazu braucht es die Fachkompetenz der Betroffenen und der Forschungsanstalten. Es gilt, praktische Herausforderungen und politische Ziele in Einklang zu bringen und das geht nur miteinander.

Bettina Siée – LW 21/2023