Ressortübergreifende Agrarpolitik

Der Januar bleibt der Monat der agrarpolitischen Grundsatzdebatten, auch wenn die Grüne Woche ausfällt. Zu einem Klassiker ist mittlerweile der Agrarkongress des Bundesumweltministeriums geworden. In den letzten Jahren brachte es die CDU-Landwirtschaftsminister Christian Schmidt und Julia Klöckner regelmäßig auf die Palme, wenn die SPD-Ministerinnen Barbara Hendricks und Svenja Schulze sich auf dem Kongress wenig um die Ressortzuständigkeiten scherten und frech etwa einen Umbau der europäischen Agrarpolitik und eine Umwidmung der Mittel forderten. Diese Zeiten der Reibereien zwischen den beiden Ministerien soll nach dem Willen der beiden Kabinettskollegen Steffi Lemke und Cem Özdemir vorbei sein. Die beiden grünen Minister haben jetzt einen Schulterschluss und eine strategische Allianz zwischen Umwelt und Landwirtschaft angekündigt. Der Vorteil, den sich die Bauern vom Erhalt des eigenständigen Landwirtschaftsministeriums versprachen, scheint sich damit zu relativieren. Hiermit war die Erwartung verbunden, dass das Agrarressort gegenhält bei überzogenen Forderungen des Umweltressorts und gegen eine Umweltpolitik per Verordnung statt in Kooperation. Bei Lemke wird dieser Ansatz gerade in ihrem angekündigten Streben nach einer Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes – die es ja schon mit der neuen Pflanzenschutzanwendungsverordnung gibt – deutlich. Sie will vermeintlich bestehende Lücken im Zulassungsverfahren schließen, um zu mehr Fläche mit verringertem „Pestizideinsatz“ und mehr Fläche ohne „Pestizide“ zu kommen. Dies erinnert an den Versuch des Umweltbundesamtes, für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln mittels Anwendungsbestimmungen eine Ausgleichsfläche einzufordern, was vor Gericht gescheitert ist. Auch sonst formuliert Lemke reinste Agrarpolitik wie die Forderung, dass die Förderung des Umbaus der Tierhaltung mit einer Verringerung des Gesamttierbestandes verknüpft werden soll. Bei diesem neuen ressortübergreifenden Regieren ist zu hoffen, dass der Ansatz Özdemirs, die Bauern mitzunehmen, nicht verloren geht.

Cornelius Mohr – LW 4/2022