Vorfreude auf den Weinjahrgang 2020

Insgesamt stehen die Reben sehr gut da, aber auch das Jahr 2020 verlangt den Winzern einiges ab. Es gibt ausgeprägte Unterschiede zwischen Rebsorten, Lagen und sogar innerhalb der Weinberge. Frühe Trauben blühten zügig durch, andere wurden durch kühle Temperaturen ausgebremst. Unterschiedliche Entwicklungsstadien im gleichen Weinberg machen es schwer, die Trauben gesund zu halten. Das Wichtigste für gesunde Bestände ist aber auch eine sorgfältige Laubarbeit, sodass Licht und Luft an die Trauben kommen und nicht zuletzt auch Pflanzenschutzmittel optimal wirken können. Allerdings haben die heißen Tage mit hoher Strahlung regional zu starken Sonnenbrandschäden geführt. Junganlagen müssen arbeitsaufwendig bewässert werden. Bei Reben, die durch Trockenheit gestresst sind, tritt diesen Sommer wieder verstärkt Esca auf.

Ertragsschätzungen sind sehr schwierig und erfordern viel Erfahrung. Trotz blütebedingter Lockerbeerigkeit können das Beerengewicht und ein größeres Traubengerüst zu einem hohen Ertrag führen. Wie aus der Praxis zu hören ist, hängen Müller-Thurgau, Dornfelder und Portugieser oft üppig und könnten das Qualitätswein-Kontingent im Weinberg überschreiten. Eine Ertragsreduzierung wird oft skeptisch gesehen, weil die zusätzliche Arbeit meist nicht durch höhere Preise entlohnt wird. Allerdings muss eine sehr gute Basisqualität angestrebt werden, sonst ist der Wein auch am Fassweinmarkt nicht zu verkaufen.

Für die weitere Reife ist vor allem die Wasserverfügbarkeit relevant. Mit frühen Sorten beginnt bereits die Federweißerlese. Die Hauptlese startet voraussichtlich um den 10. September. Rotweinsorten sind jetzt engmaschig auf Kirschessigfliegenbefall zu kontrollieren, denn es wurden hohe Fänge in Köderfallen festgestellt, was ein hohes Potenzial bedeutet, wenn die Witterung umschlagen sollte – eventuell muss dann die Lese vorgezogen werden. Derzeit sind alle Voraussetzungen für einen sehr guten Jahrgang gegeben, doch die letzten Wochen sind entscheidend und es zählt am Ende, was im Keller lagert.

Bettina Siée – LW 34/2020