Gemischte Bilanz nach hundert Tagen
Eine Bilanz hundert Tage nach dem Antritt eines neuen Postens zu ziehen, hat sich in der Politik eingebürgert, ist aber damit verbunden, dass tatsächlich Erreichtes mit Halbfertigem oder noch strittigen Änderungen zusammengekehrt wird. Im Falle von Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer ist festzustellen, dass er einen Kurswechsel eingeleitet hat, wenn man ihn mit dem grünen Vorgänger Cem Özdemir vergleicht. Sichtbar ist dies an dem klaren Bekenntnis Rainers zur Tierhaltung. Ob die neue Regierungskoalition allerdings eine längerfristige Finanzierung eines höheren Tierwohlaufwandes unterstützt, ist, auch wenn sie nötig ist, eher unwahrscheinlich. Ein klarer Richtungswechsel ist die Abschaffung der Stoffstrombilanz, die die Bauern von unnötigen Dokumentationen befreien soll. Gleichwohl wird sich voraussichtlich das Verfassungsgericht noch damit beschäftigen, ob die Aufhebungsverordnung ohne das Parlament rechtens war.
Unfraglich auf der Habenseite von Landwirtschaftsminister Rainer ist die Wiedereinführung der Agrardieselrückvergütung zum 1. Januar 2026, die für die Landwirte wieder Gleichheit im europäischen Wettbewerb schafft. Von politischem Mut angesichts des erwartbaren und eingetretenen Kritikfeuerwerks zeugt der Vorschlag, seine Staatssekretärin Silvia Breher zur künftigen Bundestierschutzbeauftragten zu machen. Damit wird eine richtige Einbindung in die Politik geschaffen und Steuergeld sinnvoll eingespart. Ob die Verschiebung des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes eine Leistung ist, ist dagegen fraglich, ein Neuanfang wäre besser. Seine Prüfung einer sinnvollen Branchenausnahme vom Mindestlohn, zeugte von gutem Willen. Das Ergebnis, dass es angeblich nicht geht, war angesichts dieses Koalitionspartners aber erwartbar. Bei der Meldung zum Schutzstatus des Wolfes, an dem sein Haus beteiligt war, gab es wiederum eine Wendung, die dem bäuerlichen Publikum angesichts der langen Verfahrenswege als Fortsetzung der Verzögerungstaktik vorkommt. Allerdings muss die Meldung auf validen Daten basieren und gerichtsfest sein. Landwirtschaftsminister Rainer sieht sich mit den Landwirten im Team, wie er auf dem Bauerntag sagte. Er wird noch viele Gelegenheiten haben, in diesem Sinne Durchsetzungsstärke zu zeigen.
Cornelius Mohr – LW 33/2025