Hauptsache, es schmeckt
Der neunte Ernährungsreport wurde letzte Woche von Landwirtschaftsminister Özdemir vorgestellt. Die Verbraucherbefragung hat das Ziel, jährlich abzubilden, was die Bevölkerung isst und welche Kriterien den Befragten beim Lebensmitteleinkauf wichtig sind. Für 99 Prozent der Befragten ist nach wie vor der Geschmack am wichtigsten, gefolgt von Gesundheit mit 91 Prozent. Beachtenswert ist, dass wieder etwas mehr Fleisch konsumiert wird: 23 Prozent der Befragten konsumieren täglich Fleisch – im Vergleich zu 20 Prozent im Vorjahr. Vor allem bei den jungen Erwachsenen ist der Fleischkonsum gestiegen – von 17 auf 26 Prozent. Die Zahl der Veganer und Vegetarier hingegen stagniert mit zwei und acht Prozent. Somit sind für 90 Prozent der Befragten Fleisch und Fisch selbstverständlicher Bestandteil einer ausgewogenen Ernährung. Der Grünen-Minister hob hervor, die Bevölkerung beim Essen nicht bevormunden zu wollen. Dies passt jedoch nicht zu seiner einseitig pflanzenbetonten Ernährungsstrategie, die an der Realität der Verbraucherbedürfnisse vorbeigeht.
Bezüglich des Fleischeinkaufs zeigt der Report, dass 79 Prozent der Befragten bei der Auswahl der Produkte auf die Haltung der Tiere achten. Dies ist ihnen wichtiger als das Mindesthaltbarkeitsdatum, die Zutatenliste oder die Herkunft (Land und Region). Hier klaffen allerdings Wunsch und Wirklichkeit auseinander, denn an der Ladentheke wird häufig Fleisch aus den preisgünstigeren Haltungsstufen den Stufen 3 und 4 vorgezogen. Eine ähnliche Diskrepanz zeigt sich bei den Bioprodukten: 70 Prozent der Befragten geben an, Wert auf ökologisch erzeugte Lebensmittel zu legen. Dennoch belegen die Umsatzzahlen von 2023, dass Bioprodukte lediglich rund 6,3 Prozent des gesamten Lebensmittelumsatzes in Deutschland ausmachen. Der Report offenbart also, dass sich viele Verbraucher mehr Tierwohl und Bioprodukte wünschen, jedoch im Handel weiterhin zu günstigeren Produkten greifen. Eine Ernährungswende ist nicht erkennbar.
Aus Sicht der tierhaltenden Betriebe ist die Bereitschaft, in mehr Tierwohl zu investieren, längst vorhanden. Doch ohne Zukunftsperspektiven und entsprechende politische Rahmenbedingungen geht die Rechnung nicht auf – weder für die Betriebe noch für die Verbraucher.
Dr. Stephanie Lehmkühler – LW 40/2024