Prioritäten setzen

Die Diskussion um die finanzielle Entlastung der Verbraucher durch eine Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel kann man aus landwirtschaftlicher Sicht mit Argwohn sehen. Das hat zwei Gründe. Zum einen ruft die Diskussion wiederum die einschlägigen Organisationen auf den Plan, die schon seit langem versuchen, mit einer differenzierten Besteuerung die Menschen zu einem „guten“ Konsum anzuhalten. Fleisch soll also höher besteuert, Obst und Gemüse möglichst steuerbefreit werden. Damit könnten laut Umweltverbände das Klima geschont und gleichzeitig die Volksgesundheit verbessert werden. Diese Behauptungen basieren allerdings auf sehr vereinfachten Modellen. Denn Obst und Gemüse werden oft von weither importiert. Auf der anderen Seite gehört die Fleischerzeugung zu einer sinnvollen Kreislaufwirtschaft und erlaubt die Verwertung von vorhandenen landwirtschaftlichen Ressourcen, die sonst nicht genutzt werden könnten.

Derzeit sind Fleisch, Obst und Gemüse mit 7 Prozent Mehrwertsteuer belegt. Sollte die Steuer tatsächlich gesenkt oder gestrichen werden, dann sollte dies für alle Grundnahrungsmittel gelten. Ansonsten könnten sich die wohlhabenderen das teurere Fleisch leisten, und die einkommensschwächeren müssten sich mit Bohnen und Erbsen begnügen.

Der zweite Grund, misstrauisch zu werden, ist die Frage nach der Finanzierung des von der Politik und der Gesellschaft geforderten Umbaus der Tierhaltung mit mehr Tierwohl. Die Borchert-Kommission, zu deren Empfehlungen sich der Berufsstand bekennt, hat sich erst kürzlich erneut für die Anhebung der Mehrwertsteuer auf tierische Produkte ausgesprochen, da dieser Weg am ehesten die Chance für eine politische Umsetzung noch in dieser Legislaturperiode biete. Angesichts der ohnehin stark gestiegenen Nahrungsmittelpreise wachsen daran jedoch Zweifel.

Der Staat kann die Verbraucher nicht bei allem entlasten. Der Ukraine-Krieg und der Umbau zu einer klimaschonenderen Wirtschaft werden Wohlstandsverluste mit sich bringen. Dem Verbraucher muss dabei klarwerden, dass er Prioritäten setzen und einen größeren Anteil seines Haushaltseinkommens für Nahrungsmittel ausgeben muss.

Cornelius Mohr – LW 18/2022