Spiel mit dem Vertrauen

Der Druck auf die Europäische Kommission, ihren Verordnungsvorschlag zur Pflanzenschutzanwendung zumindest zu korrigieren, ist in den letzten Wochen weiter gewachsen. Der Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses im Europaparlament, Norbert Lins, fordert sogar die Rücknahme des Vorschlags, der unter anderem eine Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln bis 2030 um die Hälfte und ein Verbot in sensiblen Gebieten vorsieht. Auch bei den EU-Agrarministern – außer dem deutschen – traf der Vorschlag vergangene Woche auf scharfen Gegenwind.

Klar ist, dass die Kommission mit ihrem sehr extremen Vorschlag auch ein Risiko eingeht. Sie selbst schreibt in ihrer knappen Folgenabschätzung, dass die Nahrungsmittel teurer werden und ein höherer Anteil importiert werden muss. Wie soll das bei den Verbrauchern ankommen, die schon jetzt bei Nahrungsmitteln durch die Kriegsauswirkungen erheblich mehr (im September plus 17 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat) bezahlen müssen? Dabei ist der Behörde, deren Spitze aus nichtgewählten Vertretern besteht, gleichwohl an einer hohen Zustimmung in der Bevölkerung gelegen. Hiermit könnte sie aber auch bei der städtischen Bevölkerung an Vertrauen verlieren, das sie bei den Landwirten wegen der zu Recht befürchteten Entwertung ihres Landes bereits verspielt hat.

Mit ihrem strikten Reduktionsplan setzt die Kommission im Artenschutz auf plakative Reduktions- und Verbotsformeln. Deutlich wird auch hier der mangelnde Einfluss von Agrarkommissar Wojciechowski. Richtig wären dagegen effiziente und kooperative Vorgehensweisen, wie sie in Baden-Württemberg oder auch Hessen vereinbart wurden.

Weiter fraglich ist immer noch, was sensible Gebiete sind. Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir fordert, dass die spezielle nationale Schutzgebietskategorie Landschaftsschutzgebiet ausgeklammert wird. Das reicht allerdings nicht. Auch in den umfänglichen EU-rechtlichen FFH- und Vogelschutzgebieten muss wie bisher ein Einsatz von Pflanzenschutzmitteln nach guter fachlicher Praxis und gegebenenfalls nach den spezifischen Schutzanforderungen vor Ort möglich sein, um die Ernährung der Bevölkerung zu sichern und um in keine neuen Abhängigkeiten zu geraten.

Cornelius Mohr – LW 40/2022