Wo bleibt die Partnerschaft?
Die Umsetzung der europäischen Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken (UTP-Richtlinie) ist eine erste Maßnahme, um die Nachfragemacht des Lebensmitteleinzelhandels etwas einzudämmen. Nach dem Kabinettsbeschluss sollen Käufer künftig unter anderem Bestellungen von verderblichen Lebensmitteln nicht mehr kurzfristig stornieren können oder einseitig die Lieferbedingungen, Qualitätsstandards und Zahlungsbedingungen ändern dürfen. Außerdem ist vorgesehen, dass andere Handelspraktiken nur erlaubt sind, wenn sie vorher ausdrücklich und eindeutig zwischen den Vertragsparteien vereinbart werden. Bislang müssen Erzeuger und Verarbeiter vielfach Forderungen des Handels schlucken und die Nachteile und Kosten tragen, wenn sie im Geschäft und gelistet bleiben wollen.
Das Gesetz wird, wenn es im Bundestag verabschiedet wird, Praktiken vorschreiben, die eigentlich Standard in einer partnerschaftlichen Geschäftstätigkeit sein sollten. Diese Partnerschaft wurde beim Ernährungsgipfel Anfang des Jahres mit den Spitzen der Lebensmittelkette im Kanzleramt beschworen. Doch angesichts der konzentrierten Marktmacht mit rund 75 Prozent des Umsatzes bei fünf Konzernen auf der einen und einem zersplitterten Angebot auf der anderen Seite, bleibt der Handel klar dominant. Wie die Regelungen in der Praxis deshalb wirken können, wird sich zeigen. Dass sich die Manager der LEH-Konzerne jetzt über die Aussagen von Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner beklagen, die die Dominanz des Handels deutlich bezeichnet hat, ist peinlich. Als ehrbare Kaufleute wäre es an ihnen, die Durchsetzung fairer Bedingungen in der Lebensmittelkette sicherzustellen. In diesen Wochen wird wiederum deutlich, dass der LEH eine andere Vorstellung von der Verantwortung für die Preisgestaltung von Lebensmitteln hat, als sie beim Kanzlergipfel betont wurde. Die Dauerniedrigpreise bei Fleisch entwerten wertvolle Lebensmittel. Und bei den ruinösen Schweinepreisen macht der Handel noch eine gute Gewinnspanne.
Cornelius Mohr – LW 48/2020