Ein krasser Gegensatz

Beim Blick auf die Agrarpolitik des Bundes kann man sich als Landwirt nur ärgern. Man gewinnt den Eindruck, dass die Bekenntnisse der Ampelregierung nach den Bauernprotesten nie ernst gemeint waren. Finanzminister Lindner kündigte während der Proteste eine Kompensation für den Verlust des Agrardiesels an und sprach von Tarifglättung, einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage und der Stärkung von Biokraftstoffen. Im Entwurf des Jahressteuergesetzes ist nur noch von einer Verlängerung der Gewinnglättung von zwei mal drei Jahren die Rede. Und sein Kabinettskollege Özdemir legt mit einem Diskussionspapier zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln nach, als hätte es seine eigene Kritik an der überzogenen EU-Richtlinie SUR nie gegeben. Das, was in Europa zu Recht scheiterte, soll in Deutschland umgesetzt werden. Mit dem Tierzuchtgesetz, dem ausufernden Entwurf einer Waldgesetznovelle und der Anwendung des Paragrafen 148 der Gemeinsamen Marktordnung, die in die Vertragsfreiheit von Unternehmern eingreift, legt er fleißig Einschränkungen und Bürokratie nach und hält gleichzeitig an verzichtbarem bürokratischen Aufwand wie für die Stoffstrombilanz fest.

Welch ein krasser Gegensatz zu dieser von Misstrauen geprägten Regelungswut tut sich in Hessen auf. Die neue Leitung des Landwirtschaftsministeriums geht auf die Bauern zu, hört sich ihre Probleme an – auf vielen Versammlungen in den Dörfern - und setzt berechtigte Anliegen um. Nach wenigen Tagen schon erfolgte die Genehmigung, auf angefrorenem Boden düngen zu dürfen, eine Maßnahme, die nichts kostet, aber mit Blick auf den Bodenschutz sinnvoll ist. Es folgte die Ankündigung einer vereinfachten Ausnahmeregelung bei der streifenförmigen Düngerausbringung auf Grünland. Das 10-Mio.-Euro-Notfallpaket ist nicht nur symbolisch ein Kontrapunkt zur Agrardieselstreichung, sondern konkret und breitenwirksam mit 10 Mio. Euro unterlegt. Das ideologisch aufgeladene Thema Wolf wird pragmatisch angefasst, und für die Rinder-, Schaf-, und Ziegenhalter ist die Förderung der Blauzungenimpfung ein Segen. Und schließlich wird das Gesetz für das Grüne Band korrigiert, das massiv in die Eigentumsrechte eingreift.

Cornelius Mohr – LW 18/2024