Von der Leyens strategischer Dialog

Konzepte zur Zukunft der europäischen Landwirtschaft und zur Gemeinsamen Agrarpolitik gibt es selbstverständlich bereits vielfach – von Landwirtschaftsverbänden, von der Wissenschaft sowie von Umwelt- und von Verbraucherverbänden. Sie haben eine klare Orientierung. In dem Bericht des strategischen Dialogs sind die Meinungen aller Akteure zusammengefasst. So können sich alle Beteiligten mehr oder weniger wiederfinden. Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir sieht sich durch den Bericht in seiner Politik bestätigt. Der Bauernverband dagegen vermisst klare Forderungen nach einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, der Ernährungssicherheit und nach Bürokratieabbau. Er kann sich dabei vom Sonderbeauftragten Mario Draghi bestätigt fühlen, der am Montag einen sehr kritischen Bericht zur Lage der Wettbewerbsfähigkeit der EU abgab und sie wegen sinkender Produktivität und Bürokratie hinter die anderen Wirtschaftsmächte zurückfallen sieht.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kann dagegen Vollzug melden. Sie hatte den strategischen Dialog vor einem Jahr in ihrer Rede zur Lage der Union 2023 angekündigt. Darin hatte sie auch die Landwirte erstmals für ihre Rolle als Ernährungssicherer gelobt. Sie sah damals den wachsenden Unmut der Bauern durch die neuen Regulierungen des Green Deals, die sie selbst mit angestoßen hatte. Diese Regelungen (Naturwiederherstellungsgesetz, die Richtlinie zur nachhaltigen Nutzung von Pflanzenschutzmitteln sowie die EU-Bodenschutzrichtlinie) führten zusammen mit den bundesdeutschen Sparbeschlüssen im vergangenen Winter zu den massiven Bauernprotesten. Zwischen der Ankündigung des strategischen Dialogs und dem Bericht ist unterdessen ein neues Europaparlament gewählt worden, in dem sich die Konservativen gestärkt und die Grünen geschwächt wiederfinden. Die (neuen) Mehrheiten im Parlament und die künftige EU-Kommission sowie der Ministerrat machen die Politik. Deshalb ist es jetzt auch wichtig, dass für das Agrarressort ein starker Kommissar zuständig ist und den blassen bisherigen Kommissar ersetzt. Aus dem Bericht über den strategischen Dialog werden die Politiker dann im besten Falle Anregungen und Argumente zitieren, die ihnen genehm sind.

Cornelius Mohr – LW 37/2024