Beitrag zur Sicherung der Ernährung

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir war in seiner überlangen Entscheidungsfindung zur Aussetzung der Brache offenbar hin- und hergerissen. An einem Wochenende Mitte Juli hatte er auf der Messe Interforst noch seine Bereitschaft dafür signalisiert, am darauffolgenden Montag im Ministerrat erinnerte er sich seiner alten Argumente und wandte sich wiederum gegen eine Aussetzung. Nun hat er den Ländern eine Beschlussvorlage zugesandt, die nach seinen Angaben dazu führen könnte, dass 100 000 bis 180 000 Hektar in Deutschland zusätzlich mit Getreide angebaut werden. Dabei hatte ihm der Bauernverband schon seit vielen Wochen eine Brücke gebaut und die Halbierung der in der GAP festgelegten 4 Prozent Acker-Stilllegung vorgeschlagen, was nach Bauernverbandsrechnung rund 200 000 Hektar entspricht. Zu diesem vernünftigen Vorschlag gehörte auch, dass bestehende Dauerbrachen nicht in die Bewirtschaftung genommen werden. Dies wird mit der Vorlage von Özdemir nun auch so geschehen.

Beim Fruchtwechsel auf Ackerflächen hatte sich Özdemir relativ früh für eine Aussetzung starkgemacht. Bauern wissen jetzt, dass sie Weizen auf Weizen anbauen können, weil im nächsten Jahr kein rückwirkender Vergleich erfolgt. Jetzt herrscht endlich Klarheit – die Zustimmung der Länder gilt als sicher. Wertvolle Zeit der Bauern für die Anbauplanung und Vorbereitung ist allerdings bei diesem Prozess verloren gegangen. Verzögert wurde die Entscheidung aber auch auf europäischer Ebene, weil sich Agrarkommissar Wojciechowski wochenlang bei seinen Kabinettskollegen nicht durchsetzen konnte.

Die Aussetzung der Stilllegung und des Fruchtwechsels werden einen kleinen Beitrag zur Sicherung der weltweiten Getreideversorgung leisten. Das sehen die europäischen Nachbarn auch so. Deutschland hätte sich mit einem Sonderweg ohne eine Aussetzung im Kreise der EU-Mitgliedstaaten isoliert.

Da die Getreideexporte über das Schwarze Meer jederzeit von Putin wieder unterbrochen werden können und die Weltbevölkerung weiter wächst, wird die Diskussion um Stilllegung und Extensivierung in Europa trotz der aktuellen Aussetzung noch an Intensität zunehmen.

Cornelius Mohr – LW 32/2022