Chancen eines Politikwechsels
Wer sich einen Politikwechsel wünscht und am Sonntag zu früh den Fernseher abschaltete, ist frustriert ins Bett gegangen. Da gab es noch die Aussicht, dass die Union mit Rot-Grün regieren muss und sich kaum etwas ändert. Mit dem Scheitern des BSW an der 5-Prozent-Hürde zeichnet sich nun eine schwarz-rote Koalition ab, die für viele Bauern allerdings auch keine Traumvorstellung ist. Denn mit den Positionen der Sozialdemokraten gegen eine Wiedereinführung der Agrardieselrückvergütung, für eine Nährstoffbilanzierung, für eine Novelle des Tierschutzgesetzes, für Vorgaben für die Milchlieferbeziehungen, für ein Bundeswaldgesetz und so weiter stehen sie den Forderungen des Berufsstandes und weitgehend auch den Zielen der Union entgegen. Die Koalitionsverhandlungen werden deshalb auch auf dem Feld der Agrarpolitik schwer. Allerdings wird diese in den Verhandlungen keine Hauptrolle spielen. Themen wie Verteidigung, Migration, Rente, Sozialausgaben und Unternehmensbesteuerung sind da andere Kaliber, in die sich die SPD mehr reinhängen wird. Viel helfen wird den Bauern eine Besetzung des Landwirtschaftsministeriums durch die Union – wenn die Agrarpolitik nicht durch einen politischen Gegenspieler im Umweltministerium konterkariert wird.
Unterdessen sind die Gestaltungsmöglichkeiten durch knappe Haushaltsmittel weiter eingeschränkt. Deshalb kann man gespannt darauf sein, wie die Union ihr Versprechen zum Agrardiesel umsetzt. Wenn die neue Regierung die Kraft hätte, entscheidende bürokratische Hemmnisse beiseitezuschaffen, wäre der Landwirtschaft schon viel gedient. Dies kostet den Staat nicht viel Geld. Eine Politik für die Tierhaltung und für Produktion anstatt Stilllegung und Extensivierung kann Wertschöpfung und notwendiges Wachstum schaffen.
Es besteht jetzt die Chance, dies im europäischen Einklang mit der neuen EU-Kommission zu tun. Sie hat gerade ihre Vision zur Zukunft der Landwirtschaft veröffentlicht mit mehr Anreizen statt Ordnungsrecht und Lebensmittelproduktion als strategisches Ziel. Insgesamt sind die Aussichten für die Landwirtschaft für einen Politikwechsel nicht schlecht.
Cornelius Mohr – LW 9/2025