Chancen und Risiken

Nach über 60 Jahren Gemeinsamer Agrarpolitik (GAP), in der schon mehrere fundamentale Reformen stattgefunden haben, zeichnet sich der nächste Systemwechsel ab. Der Deutsche Bauernverband liefert mit seinen Vorschlägen für eine GAP nach 2027 beziehungsweise bis spätestens 2035 eine Grundlage für die politische Diskussion, die schon in der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) Strukturen angenommen hat. Die Diagnose lautet, dass die gegenwärtige GAP nicht, wie eigentlich gedacht, den immer stärkeren Forderungen der Gesellschaft nach einer spezifischen Leistungserbringung für Umwelt-, Klima- und Artenschutz nachkommt.

Sie ist zudem mittlerweile so kompliziert geworden, dass sie sowohl für die Landwirte als auch für die Verwaltung kaum noch zu überblicken und die Furcht vor Sanktionen gewachsen ist. Gleichzeitig geht die Einkommenswirkung für die Betriebe weiter zurück. Die Basisprämie ist stark eingekürzt worden. Die Ökoregelungen, die einen Ausgleich bieten sollten, sind hierzulande so unattraktiv, dass nur 60 Prozent der Mittel beantragt wurden. Und die Vorgaben der Konditionalität führen auf der anderen Seite zu Umsatzeinbußen und sind oft praxisfern.

Gleichwohl bedeuten die Vorschläge des Bauernverbandes mit einer allmählichen Umwandlung der flächengebundenen Direktzahlungen einen großen Schritt für die Betriebe. Die Entlohnung von konkreten Leistungen kann aus Sicht der Landwirte Übersichtlichkeit in die Fördertatbestände bringen und die Akzeptanz in der Gesellschaft für die Zahlungen erhöhen. Die Konditionalität müsste dann entfallen, was die Betriebe von Bürokratie entlasten würde. Bislang haben die Direktzahlungen einen großen Teil der Betriebseinkommen ausgemacht. Da absehbar ist, dass die Einkommen auch künftig nur zum Teil aus dem Verkauf der Agrarerzeugnisse zu erzielen sind, werden auch für eine künftige GAP nicht weniger Finanzmittel erforderlich sein. Die Aussichten auf eine immer kompliziertere und bedrohlichere weltpolitische Lage, die Ausgaben in anderen Bereichen erforderlich machen, und vor allem eine Erweiterung der EU um die Ukraine stellen die größten Unsicherheiten für eine künftige GAP dar.

Cornelius Mohr – LW 47/2023