Eckpunktepapier mit Schönheitsfehler
Bislang befinden sich Photovoltaik (PV)-Freiflächenanlagen hauptsächlich auf vorherigen Militär- und Industrieflächen sowie Seitenrandstreifen entlang von Autobahnen und Schienenwegen. Die Nutzung von Acker- und Grünlandflächen ist dagegen nur sehr eingeschränkt vorgesehen. In den Ländern wird dies sehr unterschiedlich gehandhabt. Mit dem Vorhaben, das die grün geführten Bundesministerien für Klima, Umwelt und Landwirtschaft jetzt in ihrem Eckpunktepapier formuliert haben, soll sich das ändern. Sie setzen dabei insbesondere auf Agri-PV-Anlagen, die die landwirtschaftliche Produktion auf den Flächen weiterhin ermöglichen und um die Erzeugung von Energie ergänzen soll. Diese Anlagen stehen aufgeständert und mit weitem Abstand auf der Fläche, im Gegensatz zu den heute gängigen Anlagen, die einen weitgehenden Flächenverlust bedeuten. Für die Landwirte könnten Agri-PV-Anlagen ein weiteres wirtschaftliches Standbein sein. Die Ministerien bieten somit – und so sehen sie es selbst – eine Versöhnung von Energieerzeugung für den Klimaschutz und der Nahrungsmittelproduktion. Doch dieses Ideal hat Schönheitsfehler. Denn die Ministerien wollen aus Naturschutzgründen keine Agri-PV-Anlagen auf Grünland. Gerade diese Flächen aber bieten sich, wenn sie wegen der Hangneigung, des Flächenzuschnitts oder der schlechten Zufahrt nur mit hohem Aufwand bewirtschaftet werden können, besonders für PV-Anlagen an. So aber wird der Druck auf Ackerflächen durch Agri-PV weiter vergrößert. Investoren könnten noch stärker auf den Flächenmarkt dringen, was Betriebe mit hohem Pachtflächenanteil zusätzlich in Bedrängnis bringt. Der Berufsstand pocht deshalb auf die Berücksichtigung der agrarstrukturellen Belange bei solchen Projekten.
Für manche Landwirte bieten die Agri-PV-Anlagen gleichwohl Chancen. Sie könnten künftig zusätzlich als Energiewirt Geld verdienen und die Eigentumsflächen gut verwerten. Für einige kann es auch die Alternative zur Tierhaltung sein. Dass das Eckpunktepapier zum Schluss – eigentlich beim Thema Photovoltaik deplatziert – eine Verringerung der Tierzahlen als Beitrag der Landwirtschaft zum Klimaschutz fordert, kann man so als Wink mit dem Zaunpfahl verstehen.
Cornelius Mohr – LW 7/2022