Europäische Dimension

Die Proteste der Bauern und ihre Wirkungen haben mittlerweile eine europäische Dimension. Hierzu haben die seit Wochen anhaltenden Demonstrationen der Landwirte in Deutschland nicht zu unterschätzende Impulse gegeben. Auch die Proteste in Belgien, Italien und Irland sind Ausdruck der Unzufriedenheit mit den immer umfassenderen europäischen Regelungen in der Agrar- und Umweltpolitik. In Frankreich hat sich besonders wegen Steuerfragen und den Einschränkungen beim Pflanzenschutz großer Frust aufgestaut. Die massiven Aktionen, die große Unterstützung in der französischen Bevölkerung und das nach wie vor vorhandene Selbstverständnis, auch ein Agrarland zu sein, hat Frankreichs Regierung zu Zugeständnissen bewogen, aber auch zu einer Korrektur der politischen Marschrichtung in Richtung Ernährungssouveränität und einer kritischen Hinterfragung des Green Deals.

Die breite Bewegung hat jetzt auch in Brüssel zum Nachdenken geführt. Kommissionspräsidentin von der Leyen will die umstrittene Pestizidreduktionsverordnung (SUR), die im November schon im Europaparlament durchfiel, zurückziehen. Sie sei zu einem Symbol der Polarisierung geworden, wie sie richtigerweise erkennt. Jetzt soll eine ausgereifte Richtlinie unter Einbeziehung der Bauern- und Umweltverbände ausgearbeitet werden. Zuvor schon hatte die Kommission vorgeschlagen, die vierprozentige Stilllegung im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik zu lockern.

In Deutschland hat der Bundestag unterdessen dem Haushaltsgesetz mit der Steuererhöhung für Agrardiesel zugestimmt. Jetzt befindet sich das Gesetz in der Warteschleife des Bundesrats. Diese Zeit hätte sich die Ampelspitze vor der Formulierung ihrer Vorschläge nehmen sollen. So aber verteidigt sie eine Steuererhöhung, die sie kaum begründen kann. Finanzminister Lindner bringt derweil Vorschläge wie eine Gewinnglättung oder eine steuerfreie Risikoausgleichsrücklage ins Spiel. Da auch sie zu Mindereinnahmen des Staates führen, wäre die Beibehaltung der Agrardieselrückerstattung naheliegender gewesen.

Cornelius Mohr – LW 6/2024