Fragwürdige Folgen der Verordnung

Drei Monate vor der Umsetzung ist die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) in wesentlichen Teilen noch eine Baustelle. Dabei sollen ab dem 30. Dezember 2024 weltweit Millionen Erzeuger sowie Händler von Kaffee, Kakao, Soja, Palmöl, Rindfleisch, Holz und Kaut­schuk und den daraus hergestellten Produkten umfangreiche Nachweise erbringen, dass ihre Waren aus entwaldungsfreien Anbaugebieten stammen, wenn sie diese weiterhin auf den EU-Markt einführen und verkaufen wollen. Die wiederholte Forderung des grünen Bundeslandwirtschaftsministers Özdemir nach einer Verschiebung des Starts zeigt, dass die große Aufregung von vielen Verbänden aus dem Forst- und Agrarsektor sowie der Ernährungsindustrie berechtigt ist. An dem Ziel, Wald mit seiner wichtigen Klimafunktion zu schützen, rüttelt ja niemand. Doch die Verordnung ist schlecht gemacht. Es würde ja nicht nur die berühmt-berüchtigten brasilianischen Großgrundbesitzer treffen, die Urwald roden, um Rinder zu halten oder um Soja anzubauen. Als Kollateralschaden könnte Tausenden von kleinen Kaffeeerzeugern in Äthiopien oder Kakaobauern in Ghana wegen des unverhältnismäßigen Dokumentationsaufwandes künftig der Weg für ihre Produkte nach Europa versperrt sein. Großproduzenten würden wiederum profitieren. Die Chefin der Welthandelsorganisation WTO, die Nigerianerin Ngozi Okonjo-Iweala, hat jetzt auf den wachsenden Widerstand aus vielen Ländern der Welt hingewiesen und die EU zu einer Überprüfung der Verordnung aufgefordert.

Die andere Seite der Verordnung ist ebenso fragwürdig. Um WTO-gemäß gleiche Bedingungen zu schaffen, müssen auch EU-Erzeuger ihre Produktion dokumentieren. Obwohl es in Deutschland und den meisten Teilen der EU keine illegale Entwaldung gibt, muss der Rinderhalter nachweisen, auf welcher Weide die Tiere gegrast haben, und der Waldbesitzer darlegen, an welchem genauen Ort das Holz geschlagen wurde, um welches Holz es sich handelt und wie es verwendet werden soll. Eine Dokumentationspflicht muss deshalb aufgrund einer Einstufung Deutschlands als nicht entwaldungsgefährdet abgewendet werden. Ansonsten entsteht Bürokratie ohne vernünftige Grundlage.

Cornelius Mohr – LW 38/2024