Hoffnungen und Befürchtungen
Bereits 2019 konnte eine Einigung über den Freihandelsteil des Assozierungsabkommens zwischen der EU und den südamerikanischen Staaten des Mercosur erzielt werden. In den nächsten Wochen könnte das Abkommen zum Abschluss gelangen. Die EU-Kommission und die bisherige Bundesregierung dringen darauf. Der Abbau von Handelsschranken führt zu Wachstum, das in Deutschland und Europa dringend nötig wäre. Vor allem für die europäische und die stark auf Export ausgerichtete deutsche Industrie wäre ein Markt mit mehr als 700 Mio. Menschen (EU 447 Mio., Mercosur 270 Mio.) eine wirtschaftliche Perspektive. Druck auf einen Abschluss macht auch die Aussicht darauf, dass Europa geopolitisch immer mehr ins Hintertreffen gerät und China seinerseits Abkommen mit den südamerikanischen Ländern schließt. Dass es jetzt zu einem Abschluss zwischen den Mercosur-Staaten und der EU kommen könnte, liegt auch an dem brasilianischen Präsidenten Lula, der einen höheren Schutz des Regenwaldes als sein Vorgänger Bolsonaro verspricht und den europäischen Umweltbedenken damit entgegenkommt. Während jedoch die europäische Industrie erwartungsfroh auf die Abschaffung von Zöllen blickt, müssen die europäischen Landwirte dies fürchten. Sie würden mit Produkten, die zu niedrigeren Standards (Mindestlohn, Sozial-, Umwelt-, Pflanzenschutz- und Tierwohlstandards) erzeugt wurden, konkurrieren. Das betrifft besonders Rindfleisch, Geflügel und Zucker. Hinzu kommt die Aussicht, dass die Standards hierzulande weiter hochgeschraubt werden, was die heimische Erzeugung immer weniger wettbewerbsfähig macht.
Allerdings ist die Sache komplexer, weil das Handelsabkommen Quoten für den Zugang der genannten sensiblen Produkte in die EU vorsieht und es beispielsweise für verarbeitete Milch aus europäischer Produktion in Südamerika auch Chancen gibt. Ob das Abkommen nach einer Unterschrift der Kommission zustande kommt, ist gleichwohl nicht sicher. Nach der Zustimmung durch den europäischen Rat und des EU-Parlaments müssen alle nationalen Parlamente dem Abkommen zustimmen. Beim Blick nach Frankreich sind Zweifel berechtigt.
Cornelius Mohr – LW 48/2024