Hoffnungen und Sicherheiten

Dass es nicht zu einem rot-grün-roten Regierungsbündnis kommt, wird für viele Wähler aus der Landwirtschaft bis dato das einzig beruhigende Ergebnis aus der Bundestagswahl sein. Jetzt, da eine Wiederauflage der großen Koalition kein Thema ist, wird es entweder zu einer Jamaika-Koalition mit CDU, Grünen und FDP oder einer Ampelkoalition mit SPD, FDP und Grünen kommen. Insbesondere im zweiten Fall stützen sich die Hoffnungen der landwirtschaftlichen Unternehmer auf das Korrektiv der FDP, die bei den Bauern hinter der Union an zweiter Stelle der Wählergunst liegt. Auf die Liberalen und die Grünen kommt es bei der Regierungsbildung an. Dabei trennt sie in der Finanz-, Wirtschafts- und Klimapolitik, aber eben auch in der Landwirtschaftspolitik vieles. Während die Liberalen auf marktwirtschaftliche Problembewältigung, Technologieoffenheit und kooperative Lösungen setzen, wollen die Grünen ihre Ziele vor allem mit Verboten und staatlichen Vorgaben erreichen. Dies verbindet sie auch eher mit den Sozialdemokraten. Ohnehin spricht die Wahrscheinlichkeit derzeit mehr für eine Ampel als für Jamaika. Denn obgleich die FDP lieber mit der Union koalieren würde, steht sie mehr als die Grünen unter Einigungsdruck, weil sie sich kaum nochmals einer Regierungsbildung wie 2017 verweigern kann.

Entscheidend für die Bauern könnte es sein, ob es wiederum ein eigenständiges Ministerium für Landwirtschaft gibt und vor allem wer es besetzt. Ob das Ressort grün oder gelb geführt ist, würde einen großen Unterschied machen. Interessant ist auch die Frage, welchen Eingang die Ergebnisse der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) in die Politik einer neuen Regierung findet. Die ZKL hat erkannt, dass nur eine ausreichende Wertschöpfung am Markt die Zukunfstfähigkeit der Betriebe sichert und die Landwirtschaft die enormen Kosten der Erneuerung nicht alleine stemmen kann. Da die Teilnehmer der ZKL eine große Bandbreite von gesellschaftlichen Gruppen repräsentieren, kann man die Ergebnisse kaum übergehen. Die Sicherheit, die die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik bislang gegen nationale Ausreißer bot, hat derweil abgenommen. Sie verfolgt selbst ehrgeizige (Green Deal-) Ziele, und ihre Einkommenswirkung nimmt weiter ab.

Cornelius Mohr – LW 39/2021