Konflikt um den Wolf spitzt sich zu
Mit der Zunahme der Wolfspopulation wird sich der Konflikt zwischen den oft in den Städten ansässigen Anhängern des Raubtieres und der auf dem Lande lebenden Menschen, die die Rückkehr des Wolfes skeptisch sehen, weiter zuspitzen. Eigentlich betroffen sind aber die Weidetierhalter, die jeden Tag darum bangen müssen, dass ihre Tiere unversehrt bleiben. Bei ihnen geht es um wirtschaftliche Existenzen, um ein Leben als Schäfer.
Ein Wolfsriss mit vielen totgebissenen Tieren, einer traumatisierten und kaum noch zu führenden Herde und dem anschließenden Ärger mit den Behörden über den Nachweis und den Schadensausgleich – das will kein Weidetierhalter ein zweites Mal oder auch ein erstes Mal erleben. Ist der Schaden da, werden viele Schäfer und Rinderhalter aussteigen, das haben sie jetzt auf der großen Kundgebung vergangene Woche in Wiesbaden deutlich gemacht. Auch die kürzlich im Bundestag beschlossene Gesetzesänderung mit der Möglichkeit, Problemwölfe leichter zu entnehmen, wird daran nicht viel ändern. In den vergangenen Monaten haben die Weidetierhalter deshalb immer deutlicher formuliert, dass es keine Koexistenz geben kann. Schutzvorrichtungen, seien es Zäune oder Herdenschutzhunde, funktionieren nur temporär, irgendwann werden sie doch vom intelligenten und lernfähigen Wolf überwunden. Dass die Vorrichtungen mit hohem finanziellen und zeitlichen Aufwand verbunden sind, der für die ohnehin wirtschaftlich schwachen Betriebe nicht zu leisten ist, kommt hinzu. Die hessische Landwirtschaftsministerin Hinz reagiert auf den Konflikt mit der Ankündigung, den Tierhaltern mehr Geld für den Herdenschutz zu geben. Doch Geld ersetzt keine Politik. Diese ist von Dogmen geprägt. Inwieweit der Artenschutz für den Wolf auf ein vernünftiges Maß, angepasst an die mitteleuropäische Kulturlandschaft, in der sich bislang jedermann frei bewegen konnte, modifiziert wird, ist mit der Politik derzeit nicht zu diskutieren. „Wir müssen lernen, mit dem Wolf zu leben“, sagt die Ministerin Hinz. Soll dies durchexerziert werden, bis es keine Weidetierhaltung mehr gibt und bis irgendwann auch keine Spaziergänger mehr gefahrlos durch Wald und Flur gehen können?
Cornelius Mohr – LW 4/2020